Kohle aus Kolumbien für Deutsche Kraftwerke

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Kohle aus Kolumbien für Deutsche Kraftwerke
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KOHLE AUS KOLUMBIEN FÜR DEUTSCHE KRAFTWERKE
VON KAI LAUFEN
29.06.2011/// 22.05 Uhr
Redaktion: Walter Filz
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung
und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
„Guten Abend...
Autor
Mannheim im Dezember 2010. Zwei Gewerkschafter aus Kolumbien sind zu Gast im
Jugendkulturzentrum Forum
„...die beiden sind gekommen, um uns heute über Kohleabbau in Kolumbien
und wie es stattfindet, zu informieren.“
Autor
Die Menschenrechtsorganisation FIAN hat die beiden nach Deutschland eingeladen.
FIAN, das Food First Informations- und Aktions-Netzwerk, ist die Internationale
Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung und in 18 Ländern auf allen
fünf Kontinenten vertreten.
Autor
Die Mannheimer Umweltaktivistin Ursula Risch führt in den Abend ein. Seit Jahren und besonders seit sie in Rente ist - kämpft sie gegen die Erweiterung des GKM, des
Großkraftwerks Mannheim.
(Ursula Risch)
„Ich bin seit vielen Jahren in der Umweltpolitik aktiv, es fing schon in sehr
früher Jugend an, Kampf dem Atomtod, und als dann aktuell Block 9 in
Mannheim gebaut werden sollte, ein neuer Block zum Großkraftwerk, da war
ich dabei als der Gemeinderat seine Zustimmung gegeben hat und am
gleichen Abend haben wir eine Bürgerinitiative gegründet „Nein zu Block 9“
und da war ich dann von Anfang an mit dabei und wir haben versucht den
Block 9 zu verhindern und sind auch immer noch dabei.“
„Es ist so, dass ich auch Vertreter des GKM eingeladen habe...“
Autor
Das Großkraftwerk Mannheim baut eine mächtige Erweiterung, den Block Neun. Bei
den Anhörungen dazu wurde bekannt, dass in dem Kraftwerk auch Steinkohle aus
Kolumbien verheizt wird. So wie in den Kraftwerken aller großer Versorger, von RWE
über E.ON, Evonik, Vattenfall bis zur EnBW, die rund 30 Prozent ihrer Kohle aus
dem südamerikanischen Land bezieht und auch am Großkraftwerk Mannheim
beteiligt ist.
SPRECHER 1
Kolumbien ist in wenigen Jahren zum fünftgrößten Kohleexporteur der Welt
aufgestiegen. Da Deutschland selbst immer weniger Kohle fördert, importieren
die hiesigen Stahlhütten und vor allem die Energieversorger immer mehr
Koks- und Steinkohle – aus Russland, Südafrika, Kanada, Australien, den
USA und auch aus Kolumbien. Die dortige Regierung hat in den vergangenen
zehn Jahren unter dem wirtschafts-liberalen Präsidenten Álvaro Uribe voll auf
den Ausbau des Bergbaus gesetzt. Uribes Amtsnachfolger Juan Manuel
Santos will Kolumbien weiter zum weltweiten Rohstofflieferanten ausbauen.
Ob Gold, Silber, Platin, Kupfer, Molybdän oder eben Steinkohle: In den
kommenden acht Jahren sollen die Fördermengen verdoppelt werden, so
sieht es der Regierungsplan „Visión 2019“ (Vision 2019) vor.
Autor
Kohle aus Kolumbien – allein der Name des südamerikanischen Landes weckt bei
den meisten fast nur negative Assoziationen, ist doch unser Bild von Kolumbien
durch Berichte über Drogenkartelle und Gewaltexzesse geprägt. Dazu scheint zu
passen, was der kolumbianischen Gewerkschafter Alfredo Tovar im Mannheimer
Jugendzentrum den Kraftwerksgegnern berichtet:
(Alfredo Tovar)
„Estos tres compa~neros que ven aquí en los cuadros son ex-trabajadores de
Drummond también. Fuero dirigentes sindicales y fueron asesinados por
grupos paramilitares que existen en Colombia, por denunciar todo el problema
que vivimos los trabajadores de salud, seguridad industrial y mala
alimentación.
(Sebastian Rötters)
Hier im Hintergrund sehen sie drei ehemalige Mitarbeiter von Drummond. Das
sind Gewerkschaftsmitglieder, Gewerkschaftsvorsitzende gewesen, die
ermordet worden sind in Kolumbien, durch paramilitärischem Gruppen, die
dort aktiv sind, Die wurden ermordet, weil sie immer wieder auf die schlechte
Gesundheitsversorgung der Arbeiter aufmerksam gemacht haben, weil sie auf
die fehlende Arbeitssicherheit hingewiesen haben und auf die nichtbeachteten Arbeitnehmerrechte.“
Autor
Kein Zweifel: Kolumbien hat eine blutige Vergangenheit, die noch lange nicht
bewältigt und aufgearbeitet ist. Über Jahrzehnte sorgten vor allem die
Gewaltaktionen verschiedener Guerillagruppen und der Drogenkartelle im Land
selbst wie auch im Ausland für Schlagzeilen. Seit den achtziger Jahren stellte die
Oligarchie, teils vom Staat unterstützt oder gedeckt, eigene, paramilitärische
Verbände auf. Mit welcher Grausamkeit und Effizienz sie gegen echte und
vermeintliche Guerilleros vorgingen und welche Ziele sie dabei verfolgten, ist erst in
den vergangenen Jahren und auch nur teilweise ans Licht gekommen. Schwer zu
durchschauen ist auch die Rolle des staatlichen Militärs und letztlich der Politiker in
den Provinzen und in der Landeshauptstadt Bogotá: Etliche Abgeordnete,
Provinzgouverneure und Bürgermeister sind in Interessenskonflikte verstrickt, die mit
Erpressungen und direkter Gewaltanwendung einhergehen. Natürlich wird diese
Gewaltspirale durch die Milliarden US-Dollar angeheizt, die der Export von Kokain ins
Land bringen – aber nicht nur: Längst sind vergleichbare Kämpfe um ertragreiche
Anbauflächen, etwa für Ölpalmen entbrannt. Und auch um Erze, Mineralien und
Kohle.
Ich würde es auf gar keinen Fall Bürgerkrieg nennen, Bürgerkrieg ist ein
innerstaatlicher Krieg.
Autor
Der Konfliktexperte Bertram Doll, der seit vier Jahren für den Evangelischen
Entwicklungsdienst in Kolumbien arbeitet, korrigiert das immer noch gängige Bild, in
Kolumbien tobe ein Bürgerkrieg:
Erst Mal dazu einen Kommentar, für mich ist der Konflikt in Kolumbien nicht
innerstaatlich, sondern da gibt es einfach internationale Interessen, z. B. an
den Rohstoffen in Kolumbien, die sehr konfliktverschärfend sind. Diese
internationalen Interessen, die Länder, die Firmen, die daran Interesse haben,
die schließen sich oftmals mit der Oligarchie in Kolumbien zusammen und auf
der Seite aktuell auch mit den Paramillitärs oder indirekt könnte man auch
sagen der Regierung und dem Militär, dem sogenannten offiziellen Militär, es
ist nicht verwunderlich, dass da wo Rohstoffvorkommen sind auch massiv
Militär stationiert sind und das ist ganz deutlich zu sehen.
Autor
„Der Fluch der Kohle“ titelt im Oktober 2010 titelte die Süddeutsche Zeitung und
berichtet von 73 verschütteten Bergleuten in der Region Antioquia, die Opfer des
mangelnden Arbeitsschutzes wurden. 10.000 Bauern seien im Zusammenhang mit
Kohle ermordet, weitere 130.000 zwangsumgesiedelt worden, zitiert die Süddeutsche
eine einheimische Nicht-Regierungsorganisation.
Aber ein Leser widerspricht heftig:
SPRECHER 1
„Mit Verlaub, das sind starke Aussagen - die mit der Wirklichkeit des
Kohleexports aus Kolumbien allerdings nicht viel zu tun haben. Der größte Teil
der nach Deutschland exportierten Steinkohle stammt nicht, wie der Artikel
glauben machen will, aus fragwürdigen Minen mit haarsträubenden
Förderbedingungen, sondern aus dem riesigen Tagebau El Cerrejón auf der
Halbinsel Guajira im Nordosten Kolumbiens...“
Autor
„El Cerrejón“ ist ein Gebiet im Norden Kolumbiens. Die Bergbaukonzessionen
umfassen 690 Quadratkilometer, was etwa der Fläche eines Dreiecks zwischen
Mannheim, Heidelberg und Karlsruhe entspricht. Aus „El Cerrejón“ stammt ein Teil
der Kohle, mit der sich deutsche Energieversorger in Kolumbien eindecken.
Autor
Die Transnationalen Unternehmen schaffen in Kolumbien tausende qualifizierte
Arbeitsplätze, zahlen Steuern und Abgaben. Die Kohle aus Kolumbien kostet die
deutschen Abnehmer dennoch nur einen Bruchteil dessen, was sie für deutsche
Kohle zahlen mussten, deren Förderung aber 2018 endgültig ausläuft. Aber: Lassen
sich der Braunkohleabbau im Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland und der
Steinkohletagebau im Konfliktstaat Kolumbien überhaupt vergleichen? Kann ein
Staat, in dem soziale Konflikte seit Jahrzehnten gewalttätig ausgetragen werden
einen derart großen Eingriff in Natur und Gesellschaft überhaupt umweltgerecht und
sozialverträglich gestalten? Andererseits: Sind es wirklich „El Cerrejón“ und die zwei,
drei anderen Minen, bei denen deutsche Stromversorger einkaufen, die für die hohen
Zahlen von Arbeitsunfällen und vertriebenen Bauern verantwortlich sind? Und: Was
wissen die deutschen Stromversorger über die Zustände in den Bergbauregionen
Kolumbiens?
Die drastischen Schilderungen, die die beiden Kolumbianer während ihrer
Informationsabende in Mannheim, Freiburg, Tübingen, Aachen, Fulda, Berlin, Stade,
Hamburg und Frankfurt wiederholen, schlagen sich in etlichen Zeitungsberichten
nieder.
Die Verwaltung des Großkraftwerks Mannheim reagiert: Man nehme die Vorwürfe
ernst und prüfe sie, sagt Firmensprecher Thomas Schmidt dem „Mannheimer
Morgen“. Auf SWR-Anfrage will er kein Interview geben, antwortet aber per Email:
SPRECHER 1
„Unser Unternehmen verwendet grundsätzlich nur „saubere“ Kohle. Es ist uns
sehr wichtig, dass die Kohle, die wir beziehen und einsetzen aus
Abbaugebieten stammt, in denen die Menschenrechte, Standards zur
Gesundheit und Arbeitssicherheit sowie geltende Umweltschutzvorschriften
eingehalten werden. Selbstverständlich nehmen wir die Nachrichten zu den
kolumbianischen Kohleminen sehr ernst. Wir sind uns unserer Verantwortung
bewusst und legen größten Wert darauf, dass die Gewinnung der Steinkohle
unter angemessenen ökologischen und sozialen Standards erfolgt. Alle
unsere Vertragspartner und deren Vorlieferanten sind verpflichtet, die
strengen GKM-Richtlinien zu erfüllen.
Autor
Am Großkraftwerk Mannheim beteiligt ist auch die EnBW, die selber gerade im
Karlsruher Rheinhafen ein neues Kohlekraftwerk baut. Insgesamt habe man im
vergangenen Jahr etwa 1 Million Tonnen Steinkohle aus Kolumbien bezogen,
bestätigt EnBW-Sprecher Dirk Ommeln. Zur Lage vor Ort könne er aber nichts
sagen:
Wir haben keine direkte Geschäftsbeziehungen, Lieferbeziehungen. Wir
beziehen unsere Kohle über Händler, durch die Bank renommierte
Unternehmen in Europa, aktiennotierte Unternehmen. Ich glaube, dass die
Vorwürfe bezogen auf diese Händler nicht nachzuvollziehen sind. (Nachfrage
KL) Nennen sie mir die Händler......... wie sie das prüfen? Also ich glaube
aus Vertragsbeziehungen, das ist durchaus üblich und das ist auch ‚ne Frage
von Verantwortlichkeit und Verantwortung gegenüber seinen
Geschäftspartnern, da nennen wir keine Details.
Autor
Die Namen der Händler nennt Dirk Ommeln nicht und so ist schwer zu überprüfen,
welchen Kenntnisstand die EnBW über die Lage in Kolumbien hat. Man verlässt sich
auf Zertifikate:
Also unser Geschäftspartner ist ein – oder sind Handelsunternehmen. Wir
haben einen klar definierten Geschäftsprüfungsablauf, das heißt
Geschäftspartnerprüfung, diese Prüfung beinhaltet unter anderem auch die
Kriterien wie Einhaltung von Standards bezüglich Umweltverhalten, bezüglich
sozialer Verantwortung, Gesundheit, Sicherheit der jeweiligen Mitarbeiter,
schlichtweg Kriterien wie im UN-Global Compact auch hinterlegt sind. Hier,
das ist uns wichtig und das sind die Kriterien, wo wir auch die
Geschäftspartner danach aussuchen, wie gesagt – Händler.
Autor
„Global Compact“ ist ein weltweites Abkommen zwischen Unternehmen und den
Vereinten Nationen, das helfen soll, die Globalisierung sozial und umweltverträglich
zu gestalten. Auch die Minengesellschaft „El Cerrejón“ hat sich dem Abkommen
angeschlossen. Eine Überprüfung des Global Compact durch die Vereinten
Nationen selbst fiel allerdings Ende vergangenen Jahres sehr selbstkritisch aus:
SPRECHER 1
Das Fehlen eines klaren und artikulierten Mandats hat zu verzerrten
Schwerpunktsetzungen und Ergebnissen geführt. Das Fehlen angemessener
Aufnahmekriterien und einer wirksamen Kontrolle der tatsächlichen
Umsetzung der Grundsätze hat einige Kritik und Reputationsrisiken für die
Organisation nach sich gezogen. Und der Aufbau der Organisation hat gegen
bestehende Vorschriften und Verfahren verstoßen. Zehn Jahre nach seiner
Gründung sind die Ergebnisse durchwachsen und es bestehen Risiken.
Autor
Anders als die EnBW will das Großkraftwerk Mannheim derzeit kein Interview zum
Thema geben, schreibt Unternehmenssprecher Thomas Schmidt in einer
Stellungnahme per Mail – denn:
SPRECHER 1
„Darüber hinaus werden GKM-Vertreter 2011 in Zusammenarbeit mit einem
neutralen externen Unternehmen ein Audit vor Ort in der Mine „El Cerrejón“ in
Kolumbien durchführen. Im Rahmen dieses Audits werden die GKM-Vertreter
mit den verantwortlichen Minenbetreibern, den Arbeitern, den
Gewerkschaftsvertretern und Anwohnern sprechen und sich persönlich davon
überzeugen, dass alle Kriterien in Bezug auf Menschenrechte, Sozial- und
Umweltschutzstandards eingehalten werden. (Ende Statement)
Autor
Die Formulierung ist unglücklich, denn sie klingt, als stünde das Ergebnis des AuditBesuchs schon vorher fest. Auch wenn es wohl so nicht gemeint ist: Umwelt- und
Menschenrechtsaktivist Sebastian Rötters:
(Sebastian Rötters)
Das möchte ich mal illustrieren wie sowas in der Praxis aussieht und das ist
das Heft, das E.ON-Magazin zur gesellschaftlichen Verantwortung. Und in
diesem Heft, da geht’s auch richtig um Kohle und da steht drauf, gibt’s auch
eine saubere Lösung und da ist auf Seite 13, ist dann aufgeführt, der erste
Schritt zum Kohletageabbau mit Verantwortung mit einem Bild von Cerrejón
usw. und so fort und das steht dann ganz viel, dass sie ja ganz viel vor Ort
waren, dass da alles wunderbar läuft, wie es da ist und dass E.ON eben selbst
vor Ort war und sich erkundigt hat.
(O-Ton Flughafen Bogotá)
Buenos Dias y gracias por esprerar...Avianca les da la Bienvenida ...vuelo a
Valledupar.
Autor
Von Kolumbiens Hauptstadt Bogotá geht der Flug rund 600 Kilometer nach Norden,
nach Valledupar, in das Zentrum der Vallenato-Kultur. Von 2.600 Metern Höhe
hinunter auf 170 Meter. Hier im ausgedehnten flachen karibischen Hinterland hat das
Amalgam aus indianischen Urvölkern, europäischen Siedlern und Nachfahren
afrikanischer Sklaven eine eigenständige Kultur herausgebildet, die sich in vielem
von der andinen Lebensweise rund um Bogotá unterscheidet.
Autor
Rund 100 Kilometer südlich von Valledupar. Hier liegt das zweitgrößte aktive
Kohlerevier des Landes. Rund um die Kleinstadt La Jagua del Ibirico haben sich
einheimische, brasilianische und US-amerikanische Unternehmen angesiedelt sowie
die schweizerische Firma Glencore. Die Natur ist üppig, viele kleine Flüsse sprudeln
von der nahegelegenen Sierra de Perijá in die fruchtbare Ebene, die voller
Palmöplantagen steht. Auch ein Exportprodukt für das energiehungrige Europa. La
Jagua del Ibirico ist schon lange ein begehrter und auch umkämpfter Ort
Autor
erzählt der Hobby-Historiker José Gregorio Aguilar
Aqui lo que se dió fue mucha muerte selectiva...entraron, tumbaron las
puertas. Que amanecian tres, cuatro cinco muertos, eso era normal... hasta el
2008.
SPRECHER 4
Hier gab es viele Auftragsmorde. Die Paramilitärs traten die Haustüren ein, sie
wussten genau, wer gerade zu Hause war, dann zerrten sie die Leute raus
und brachten sie um. Zuerst nachts, später auch tagsüber. Jeden Morgen gab
es drei, vier, fünf Leichen. Es sind bestimmt um die 700 Menschen
umgebracht worden, aber niemand hat genaue Zahlen. Das ging bis 2008 so.
Autor
La Jagua del Ibirico erwacht gerade erst aus diesem Jahrzehnte währenden
Alptraum. Mit dem Kohleabbau begannen einheimische Kleinunternehmer hier in den
siebziger Jahren. Inzwischen haben das schweizerische Unternehmen Glencore und
der US-amerikanische Familienbetrieb Drummond die meisten Konzessionengekauft.
Von den deutschen Stromversorgern bezieht unter anderem die EnBW aus diesen
Minen Kohle.
...levarlos a Boquerón. Boquerón es un corregimiento que va a ser reubicado. Es
una poblacion de afrodescendentes
SPRECHER 4
Ich will euch nach Boquerón mitnehmen. Boquerón ist ein kleines Dorf, das
umgesiedelt werden wird.
Autor
Unterwegs mit William Orozco. Er will Bürgermeister von La Jagua werden. Der AfroKolumbianer hat ein Berufsleben in den Minen hinter sich und sucht nun die
Unterstützung der Armen:
Va a ser reubicado porque la misma explotación minera lo exige. Pero
estamos en la pelea porque ellos quieren solamente sacarlos y sólo les
quieren dar una peque~na indemnización y sacarlos así. Y nosotros estamos
reclamando algo más allá de lo que ellos pretenden, incluso que hay que
recuperar la parte de los ancestros y que se deben organizar en una
comunidad porque ya ellos tienen sus costumbres, tienen su cultura y que esa
cultura no debe desaparecer.
SPRECHER 4
Die Einwohner von Boquerón sind afrikanischer Herkunft. Das Dorf wird
umgesiedelt, damit darunter Kohle abgebaut werden kann. Aber wir streiten
uns mit den Bergbaugesellschaften, denn sie wollen sie einfach von ihrem
Land runterkriegen und mit einer kleinen Abfindung entschädigen. Aber wir
fordern mehr, zum Beispiel, dass der alte Friedhof umgelagert wird und dass
die Menschen an einen würdigen Ort kommen, an dem sie nach ihren
Gebräuchen und nach ihrer Kultur leben können, damit diese Kultur nicht
ausgelöscht wird.
Autor
Ankunft in Boquerón. In dem staubigen Weiler fällt uns eine Bauruine auf. Schilder
weisen sie als neue Krankenstation aus, finanziert von Abgaben des Bergbaus.
Fertig geworden ist sie offenbar nie. Ein paar magere Hühner laufen herum, am Ende
der Straße halten die Dorfbewohner gerade eine Versammlung ab, die William
Orozco spontan für eine kleine Wahlkampfansprache nutzt.
Autor
Er erklärt den Leuten ihre Rechte, dass sie Afro-Kolumbianer seien und dass die
Verfassung sie daher unter besonderen Schutz stelle, so wie die Ureinwohner. Dass
sie ein Recht auf Information haben und dass sie nur dann über ihre Umsiedlung
abstimmen sollen, wenn sie sich gut informiert fühlen. Nach zehn Minuten übergibt er
das Wort an einige Frauen, die kopfnickend zugehört haben und nun von den
Gesundheitsproblemen durch den Bergbau berichten:
De problemas de salud, pues, si hay muchos ni~nos que sufren de asthma,
cada rato lo llevan al hospital porque están apretado, La tensión, los de la
tercera edad también tienen problemas de tensión. Todo esto se está dando
aquí en el correginmiento de Boquerón a causa de la contaminación de las
minas...por la carbonilla, porque van pasando las mulas, estamos rodeados
de eso. Los arboles amanecen los la hojas monas de la carbonilla, los focos
de las luces también amanecen con eso.
SPRECHERIN:
Wir haben viele Kinder, die unter Asthma leiden, die müssen immer wieder ins
Krankenhaus gebracht werden, weil sie Krämpfe haben. Und die Älteren
leiden unter Bluthochdruck, alles wegen der Luftverschmutzung durch den
Tagebergbau, weil hier dauernd die schweren Lastwagen vorbeifahren und
aus den Minen auch Staub kommt, die Blätter der Bäume sind hellbraun voller
Staub, so wie die Scheiben vor den Lampen.
Autor
Für die Landwirtschaft ist den ehemaligen Bauern kein Platz mehr geblieben. Die
Abraumhalden der Minen haben das Land unter sich begraben. Und jeden Tag
werden in der Nachbarschaft mit Tonnen von Dynamit neue Gesteinsschichten
aufgebrochen.
Esta situación nosotros la sentimos bastante y las casa se rajan, los pisos se
desmigajan, todo eso se debe a las explosiones en esas minas.
SPRECHERIN:
Das spüren wir hier ganz heftig und unsere Häuser bekommen Risse, die
Wände sind voller Risse, die Böden haben Löcher und Kanten, alles weil in
den Minen immer gesprengt wird.
Autor
Boquerón könnte ärmlicher kaum sein. Da die Bewohner afrikanische Wurzeln
haben, erinnert der Anblick auch tatsächlich an ärmste Krale in Schwarzafrika. Dabei
werden gleich nebenan Schätze aus dem Boden gebaggert. Eigentlich hätte
Glencore versprochen, den Anwohnern Arbeit in der Mine zu geben, aus jeder
Familie einem, klagt eine Frau, die ihren Namen lieber nicht nennen will:
Bueno no, hasta hoy hay un personal trabajando en la empresa, pero debería
haber más del cincuenta por ciento que no lo hay. Hace rato estamos detrás
de eso de que hubiera más de ciencuenta por ciento en la empresa
trabajando y no lo hay. Ni a unas o otras personas, porque no están
capacitados y no les dan la oportunidad de capacitarse y otros que están
capacitados no le dan la oportunidad de trabajar.
SPRECHERIN:
Bis heute arbeitet praktisch niemand von hier in der Firma. Es müssten
eigentlich mehr als die Hälfte von uns sein, aber davon sind wir weit entfernt.
Wir sind da seit langem hinterher, aber es tut sich nichts. Keinem geben sie
Arbeit, weil wir nicht qualifiziert sind, aber sie bilden uns auch nicht aus. Und
denen, die qualifiziert sind, geben sie auch keine Arbeit.
Autor
Während sich die Leute über die neuesten Gerüchte über die Korruption im Rathaus
aufregen, heizt sich die Stimmung auf. Ein Mann mit wenig Zähnen macht sich
seinen eigenen Reim auf die korrupten Politiker und die Ausbeuter der Firmen...
Eso no le importa al ministerio, de que nos tiren la tierra encima. A el ya no le
importa el pueblo, sino la plata que les da la mina. ... y es la verdad! ...
estamos en medio de cuatro minas, el pueblo más pobre que teneoms, sin
empleo, sin ayuda de nadie!
SPRECHER 4:
Dem Ministerium ist es egal, wenn sie uns lebendig begraben. Das Volk
interessiert sie nicht, nur das Geld aus den Minen. Wir leben umgeben von
vier Minen in der größten Armut! Seit Jahren wird in unserem Dorf überhaupt
nichts mehr investiert, nichts wird repariert, die Straßen sind eine Katastrophe,
weil man uns längst umsiedeln wollte, aber sie tun es nicht und lassen uns
einfach im Stich!
Autor
Solche Entwicklungen sind oft Ursache für unfreiwillige Wanderbewegungen der
Bevölkerung. Zwangsmigration wird nicht immer durch direkte Gewalt ausgelöst, die
Mechanismen sind subtiler, das Ergebnis ähnlich. Ganze Ortschaften machen sich
buchstäblich aus dem Staub und siedeln sich anderswo an, was Konflikte mit
Grundbesitzern, Nachbarn und Behörden nach sich zieht.
Autor
Zurück in La Jagua del Ibirico. Die Kohleförderung um den Ort wächst sprunghaft:
Allein die Glencore-Mine „Carbones de la Jagua“ soll ihre Produktion in den letzten
vier Jahren auf jetzt 10 Millionen Tonnen pro Jahr verdreifacht haben, versichert
Ricardo Machado. Er arbeitet bei Glencore als Schweißer. Machado steht einer
Sektion der Gewerkschaft Sintraminenergética vor. Zwei seiner Genossen wurden
vor zehn Jahren von einem Paramilitär mit dem Kampfnamen „Tolemaida“ ermordet.
Evidentemente en Colombia desde hace mucho tiempo ha habido una
campa~na de exterminio en contra la organización sindical y las cifras hablan
por si sólo. Sin embargo, aparentemente todo el mundo podría decir que la
situación ha cambiado, pero lo que se ha cambiado es la estratégia: Ya no se
mata directamente a los prsesidentes de los sindicatos ni a las personas que
se organizan como sindicalistas, sino que ahora se les cierran las puertas de
llevarlos a un punto tal que las empresas no permiten que los trabajadores se
afilien a las organizaciones sindicales y asi van exterminando a la
organizacion sindical. Ya no tanto con la bala, pero si hay muchos
trabajadores y muchos sindicalistas amenazados, las personas que se afilian
a un sindicato son despedidos, no le dan trabajo en ninguna otra empresa y
los apartan de tal manera, como si fuera un delito.
SPRECHER 3
Es ist offensichtlich, dass es in Kolumbien seit langem eine
Vernichtungskampagne gegen die Gewerkschaften gibt, die Zahlen sprechen
eine deutliche Sprache. Heute allerdings könnte man meinen, dass sich die
Dinge geändert haben. Aber was sich geändert hat, ist die Strategie: Man
bringt die Gewerkschafter und ihre Anführer nicht mehr um, sondern schließt
sie aus. Die Unternehmen tun alles, um keine gewerkschaftliche Organisation
zuzulassen. Die Arbeiterorganisationen werden nicht mehr mit Kugeln
bekämpft, aber dennoch gibt es viele Gewerkschafter im Land, die bedroht
werden. Organisierte Arbeiter werden entlassen und bekommen auch
anderswo keine Anstellung mehr, als ob es ein Verbrechen wäre, in der
Gewerkschaft zu sein.
Autor
Ricardo Machado erzählt von der Praxis seines Arbeitgebers: Nur noch ein Drittel der
Arbeiter in den Minen habe direkte Arbeitsverträge mit Glencore, die Mehrzahl sei
über Zeit- und Leiharbeitsfirmen angeheuert, die wesentlich schlechtere Löhne
zahlten und meistens keine gewerkschaftliche Organisation zuließen. Während die
festangestellten Arbeiter laut Branchentarifvertrag umgerechnet knapp 800 Euro
brutto verdienen, bewegen sich die Einkommen der Leiharbeiter zwischen 500 Euro
und dem Mindesteinkommen von 233 Euro.
Autor
Während Drummond auf eine Interviewanfrage nicht reagiert hat, dementierte die
Firmenzentrale von Glencore die meisten Vorwürfe: Man beschäftige 86 Prozent der
Arbeiter mit Direktverträgen. Das Outsourcing von Kantinendiensten und ähnlichem
sei weltweit gängige Praxis. Man verwende hauptsächlich Regenwasser in der Mine,
nicht Flußwasser. Und: 92 Prozent der Mitarbeiter kämen aus den Provinzen, in
denen Glencore arbeitet. Meinungen und Einschätzungen, die extrem weit
auseinandergehen: Das ist das typische Bild in Kolumbien. Eine staatliche Kontrolle
findet kaum statt. Das Bergbauinstituts Ingeominas ist inkompetent und korrupt,
räumte zuletzt sogar der zuständige Minister ein. Und gegen den Gewerkschafter
Antonio Machado wird plötzlich wegen angeblicher Unruhestiftung ermittelt...
Autor
Ortswechsel. Drei Stunden Autofahrt nach Norden sind es zur Mine von „El
Cerrejón“, der dritten Quelle für deutsche Stromerzeuger. Die Landschaft wird karger,
fast wüstenartig. In den Ortschaften an der Straße bieten Benzinschmuggler an
improvisierten Tankstellen ihre Ware an, die sie in PKWs und Kleinlastern aus dem
nahen Venezuela herankarren. - Immer wieder Militärkontrollen und kleine
Schützenpanzer am Straßenrand. In den Bergen, heißt es, patrouilliere die FARC-
Guerilla. Paramilitärische Verbände sollen nach ihrer Auflösung unter Präsident Uribe
derzeit wieder neue Strukturen aufbauen. Nicht nur unter den 30.000 ehemaligen
Angehörigen der Paramilitärs herrscht auch ohne politische Motive ein großes
kriminelles Gewaltpotenzial. Auch die FARC, die „Bewaffneten Revolutionären
Streitkräfte Kolumbiens“ haben hier einen Operationsraum. Ab und zu legen sie eine
Bombe unter die Eisenbahnlinie, mit der die Kohle von „El Cerrejón“ zum
Karibikhafen Puerto Bolivar transportiert wird. Aber die Attacken wirken hilflos, unter
Präsident Uribe ist die FARC durch ein massiven Armeeaufgebot aus der Fläche
verdrängt worden. Konfliktexperte Bertram Doll, der seit vier Jahren in Kolumbien
lebt:
In diesem Rohstoffkrieg - und das ist völlig klar - da dient eigentlich das Bild,
dass es in Kolumbien einen sogenannten Bürgerkrieg zwischen Guerilla,
zwischen dem Paramilitär, zwischen dem staatlichen Militär gibt, gerade dazu
um zu sagen, jetzt gehen wir mit dem Militär in die Region rein, um den
Aufstand zu bekämpfen, aber gleichzeitig geht es eigentlich darum, um das
ganze Territorium, also das ganze Land zu sichern und auch zugänglich zu
machen für internationale Investoren und dadurch entstehen wieder neue
Konflikte.
Autor
Puerto Bolívar ist der größte Hafen Kolumbiens und er ist, wie auch die Mine „El
Cerrejón“ selbst, im Besitz der drei multinationalen Bergbauunternehmen Anglo
American, Xstrata und PHP Billiton.
Das Stammesgebiet der Wayuu. Weiträumig hatten sie früher die Region Guajira mit
losen Siedlungen überzogen. Jahrzehntelange Auseinandersetzungen mit Bauern,
die sich immer weiter in die Stammesgebiete fast aller indianischen Völker
ausbreiteten, haben auch den Wayuu einen Anpassungsprozess aufgezwungen. Die
meisten sind äußerlich kaum von ärmeren Durchschnittskolumbianern zu
unterscheiden. Aus dem selben Dorf wie Nilson Ramirez, der in dem Mannheimer
Jugendzentrum von den Konflikten in seiner Heimat berichtet hatte, stammt Jairo
Epiayu. Er fährt mit uns nach. Die ungeteerte Staubstraße führt an abgesperrten
Minengeländen vorbei, mitten ins Herz des riesigen Abbaugebietes:
Bueno, el estilo ya de mi abuelo...la circulación era amplia, nosotros
circulabamos casi toda la Guajira. Realmente y dentro del contexto de
nuestros proyectos productivos, de siembra, eran cinco mil hectáreas que
nosotros circulabamos y ahora estamos en apenas diez hectareas...en la hora
que salimos de la comunidad, tenemos que salir al municipio a comprar la
verdura y la carne. Anteriormente la vendiamos nosotros. Y ahora es el
contrario.
SPRECHER 5
Mein Großvater hat noch in Zeiten gelebt, da bewegten sich die Menschen
hier in weiten Räumen, fast über die ganze Guajira verteilt. Man
bewirtschaftete Flächen, die über 5.000 Hektar verteilt lagen. heute hat eine
Familie meist nur 10 Hektar Platz. Wir bewegen uns nur noch, wenn wir zur
Schule oder in die Stadt zum Einkaufen gehen. Früher haben wir Gemüse und
Fleisch selbst erzeugt, heute kaufen wir es nur noch.“
Autor
Die Zeiten, von denen Jairo Epiayu spricht, hat er selbst schon nicht mehr erlebt. Die
Vertreibung der Indianer begann mit der Ausbreitung der extensiven Land- und
Viehwirtschaft. Heute sind es die umliegenden Kohleminen – nicht nur „El Cerrejón“,
auch kleinere, kolumbianische Unternehmen – die den Wayuu den letzten Rest
Selbstbestimmung streitig machen und sie endgültig zu einer Anpassung an die
kolumbianische Version des westlichen Lebensstils zwingen:
Está la comunidad de Tamaquitos, Roche, que se está aproximando que les
están llevando uno en uno. Como están divididos los están llevando en uno y
uno individual. Hay cinco familias ya ubicadas en el nuevo sitio, el resto está
ahí, porque se está resistiendo por la propuesta de las indemnizaciones, los
proyectos productivos. Entonces están ahí estancados porque no están de
acuerdo con esas indemnizaciones, nos on las justas. Está Chancleta, Patillas
que está en consulta provincial y Las Casitas, Barrancón, Campo Alegre y
ahora si entra esta empresa nueva, llegaría hasta el Molina, a esa zona.
SPRECHER 5
Da sind die Gemeinden Tamaquitos und Roche. Von dort holen sie sie fort. Da
die Familien untereinander zerstritten sind, holen sie die Leute einzeln. Es
sind schon fünf Familien am neuen Standort angesiedelt. Der Rest ist noch
am alten Ort, denn sie widersetzen sich und wollen bessere Entschädigungen
und Anbaufläche. In Chancleta sieht es ähnlich aus, in Patilla verhandelt
gerade die Provinzregierung, es gibt die Orte Las Casitas, Barrancón, Campo
Alegre und wenn jetzt diese neue Firma kommt, dann geht das bis El Molino
so weiter.
Autor
Wie die neue Firma heißt, fällt Jairo Epiayu im Moment nicht ein, aber wer wollte in
dem Gewirr von abgesperrten Bezirken und Privatstraßen noch den Überblick
behalten. Immerhin: Die Guerilla und die Paramilitärs hätten die Gemeinden bisher in
Ruhe gelassen, erzählt Jairo...
...sólamente la fuerza pública, el ejercito nacional. Y esos han hecho
hostigamientos a las comunidades. La policía, el DAS, todo
eso...presentamos varias denuncias porque me retuvieron varias personas,
varios dias. Entonces querrían camuflarlos con prenda militar para pasarlos
como guerilleros. Todo eso han intentado y son los mismos del Batalión
Matamoros que le prestan seguridad al „Cerrejón“
SPRECHER 5
Aber die nationalen Streitkräfte, die Armee ist oft gekommen und hat versucht
uns einzuschüchtern. Die Polizei und die Geheimpolizei auch. Ich hab
merhmals Anzeige erstattet, weil Leute über Tage festgehalten wurden.
Anscheinend wollten sie sie in Militärkleidung stecken und behaupten, sie
seien Guerilleros. Sie haben schon alles versucht und das ist genau das
Bataillon Matamoros, das auch die öffentliche Sicherheit für „El Cerrejón“
gewährleistet!
Es sind schwere Anschuldigungen, aber tatsächlich hatten Armeeangehörige unter
der Regierung Uribe rund 1.800 Zivilisten erschossen und behauptet, sie seien
Guerilleros gewesen, die UNO sprach von einem „crímen de estado“, einem
Staatsverbrechen. Uribes Verteidigungsminister war Juan Manuel Santos, der jetzige
Präsident Kolumbiens. Er will von nichts gewusst haben. Und die geflüchtete frühere
Chefin der Geheimpolizei DAS wird mittlerweile international gesucht.
Autor
„El Cerrejón“. Der Name heißt so viel wie der Große Berg, was etwas verwirrend ist,
denn tatsächlich ist EL Cerrejón ein großes Loch, das größte Loch, dass die
Menschheit weltweit gebuddelt hat, um an Steinkohle heranzukommen. Das Haupttor
ist besser gesichert als die nahegelegene Staatsgrenze zu Venezuela. Das
Sicherheitsvideo im Besucherzentrum macht nicht nur auf die Helmpflicht
aufmerksam, es empfiehlt dem Besucher auch, genug Wasser zu trinken. „El
Cerrejón“ liegt in einer flachen und heißen Region, die nach Norden von einer Wüste,
nach Ost und Südwesten von Gebirgen eingerahmt wird.
Autor
Die Rundtour, zu der die Firma „El Cerrejón“ Journalisten oder auch Auditoren
deutscher Energieversorgungsunternehmen einlädt, führt im klimatisierten Mini-Van
zunächst an den Wohnvierteln für Ingenieure vorbei, eine Oase des Wohlstands mit
Schulen, Krankenhaus, Freibädern. Dann geht es in die umgegrabene Landschaft.
Versorgungsstraßen für normale Fahrzeuge kreuzen sich mit breiten Pisten, auf
denen die gigantischen Spielzeuge der internationalen Bergbauindustrie verkehren:
Kipplaster mit haushohen Reifen und einem Fassungsvermögen von mehr als 300
Tonnen. Das Loch ist überwältigend: fünf Kilometer lang und drei Kilometer breit
erinnert es an den Grand Canyon, allerdings hat man sich hier erst 220 Meter tief
gesprengt. Bagger schaufeln Kohle oder Erde zusammen, je nachdem auf welcher
Geländestufe sie stehen. Am Horizont türmt sich ein kilometerlanger und rund
hundert Meter hoher Berg mit Aushub auf. Das Erdreich wird nach der
Kohleextraktion wieder in das verbliebene Loch geschüttet und begrünt. So will es
das kolumbianische Gesetz und so will die Betreibergesellschaft „El Cerrejón“ den
Umweltschaden zu begrenzen, erklärt Carlos Franco, der Unternehmensbeauftragte
für Soziale Standards und Internationale Beziehungen:
El „Estilo Cerrejón“ consiste primero en tener unos valores. Unos valores que
son la trasparencia, la honestidad, el compromiso, es el respeto a la ley, el
respeto a los trabajadores, es el respeto a las comunidades, la muestra de
responsabilidad con todo nuestro entorno, tanto con el medio ambiente como
con las comunidades, como con las autoridades, como con cumplir la ley...y lo
segundo es una actitud: La actitud del „Estilo Cerrejón“ es decir: Nosotros no
hacemos lo mínimo necesario sino lo máximo posible.
SPRECHER 2:
Der Stil von Cerrejón besteht zuerst mal darin, Werte zu haben: Werte wie
Transparenz, Ehrlichkeit, Verbindlichkeit, der Respekt vor dem Gesetz, der
Respekt vor den Arbeitern, der Respekt vor den örtlichen Gemeinden. Wir
zeigen Verantwortung für unsere gesamte Umgebung, für die Umwelt, für die
Gemeinden, für die Behörden. Und Zweitens besteht der Stil von Cerrejón in
einer Haltung: Die Haltung von „El cerrejón“ ist: Wir machen nicht das
mindestens Notwendige sondern das maximal Mögliche!
Autor
Nach Unternehmensangaben erhält die Provinz Guajira von allen Minenbetreibern im
Jahr mehr als 200 Millionen US-Dollar an Abgaben. Aber man habe gemerkt, dass
das Geld zu oft versickert. 2008 hat „El Cerrejon“ vier Stiftungen gegründet. Sie
sollen die staatlichen Institutionen stärken und die Anwohner fördern. Man wolle kein
Vakuum hinterlassen, wenn die Konzession 2034 ausläuft. Zu spät, zu wenig,
kritisiert Sebastian Rötters von FIAN:
Ich würde mal sagen, Cerrejón ist sicherlich aktiver als die Firmen in der
Region Cesar als z. B. wie Drummond oder Glencore. Das liegt aber eben
auch daran, dass Cerrejón viel mehr in der Kritik stand in den letzten Jahren ,
aber die grundsätzliche Frage ist, reicht es aus sich um die Menschen zu
kümmern oder irgendetwas zu verbessern, wenn internationaler Druck da ist?
Muss das nicht von vorneherein eigentlich die Voraussetzung sein, dass
überhaupt Bergbau betrieben werden darf.
Carlos Franco kennt die Kritiken von Umweltschützern und Menschenrechtlern in den
USA und Europa sehr genau. Er entgegnet ihnen Punkt für Punkt mit einer Mischung
aus Patriotismus und Fortschrittsglauben:
Colombia tiene muchas fallas y tiene muchos defectos y tiene muchos
crímenes que aqui han cometido. pero hay muchas cosas...por ejemplo: El
tema de los sindicalistas asesinados. Qué país del mundo hace la cuenta
cuantos sindicalistas mueren violentamente? Yo estoy seguro que si Brasil
hiciera esta cuenta tendriamos no tantos muertos porqué aquí hay una
cuestión automática: Ese sindicalista está muerto directamente entra en la
lista – no, si fue muerto en razón de su entidad sindical.
SPRECHER 2
Kolumbien hat viele Fehler und viele Unzulänglichkeiten und es sind hier viele
Verbrechen begangen worden. Aber man muss alle Faktoren sehen. Zum
Beispiel beim Thema der ermordeten Gewerkschafter: Welches Land der Welt
macht die Rechnung auf, wie viele Gewerkschafter ermordet wurden? Ich bin
sicher, wenn Brasilien diese Rechnung machen würde, würden wir hier besser
dastehen, aber hier geht es automatisch so: Wenn ein Gewerkschafter getötet
wird, kommt er auf diese Liste. Egal ob er in seiner Funktion als
Gewerkschafter ermordet wurde oder nicht.
Autor
Der Kampf um die historische Wahrheit und ihre Interpretation zerreißt die
kolumbianische Gesellschaft schon seit langem. Mag sein, dass nicht alle 51 aktiven
Gewerkschafter, die laut Amnesty International im Jahr 2010 Opfer von Gewalttaten
wurden, aus politischen Gründen getötet wurden. Mag sein, dass die
Drogenkriminalität die meiste Gewalt hervorbringt. Aber Woche für Woche fördern
Kolumbiens Medien und der Justizapparat neue Belege an den Tag, die zeigen, wie
Großgrundbesitzer und Politiker mit Hilfe der Paramilitärs Menschen von ihrem Land
vertrieben haben um es sich anzueignen. Wie einfache Bauern zu Guerilleros erklärt
und von regulären Soldaten erschossen wurden, um ausgeschriebene Kopfprämien
zu kassieren. Einer von ihnen ist ein Mann mit dem Kampfnamen „Tolemaida“. Der
Anführer des paramilitärischen „Bloque Norte“ wurde vergangenes Jahr zu mehr als
30 Jahren Haft verurteilt. Er hat die Morde an den Drummond-Gewerkschaftsführern
gestanden.
Estos hechos que son muy graves, al parecer son hechos del pasado. Porqué
después de eso, el sindicato de la Drummond ha tenido varias negociaciones
con la empresa y estos temas no lo an puestos sobre el tapete. Pero son muy
graves y estamos de acuerdo que deben esclarecerse, pero creo que estos
hechos no son los predominantes en la actividad minera en Colombia.
SPRECHER 2
Diese Vorfälle sind sehr schwerwiegend, aber anscheinend sind es Dinge der
Vergangenheit. Denn seitdem hat die Gewerkschaft mit Drummond mehrere
Verhandlungen geführt und dieses Thema ist dabei nie angesprochen worden.
Aber es sind schwerwiegende Vorfälle und wir sind der Meinung, dass sie
aufgeklärt werden müssen. Aber ich glaube, diese Vorfälle sind kein typisches
Merkmal des Bergbaus in Kolumbien.
Autor
Wie gesagt, Carlos Franco spricht von seinem Arbeitgeber und von seinem
Heimatland Kolumbien mit einer Mischung aus Patriotismus und Fortschrittsglauben.
Und nicht alles, was im Bergbaugebiet Cerrejón seit dem ersten Spatenstich 1980
geschehen ist, kann dem heutigen Unternehmen angelastet werden, denn die
ehemals teilstaatliche Mine wurde erst vor rund zehn Jahren vollprivatisiert. Welche
Verhältnisse die Firma vorfand, wird deutlich, wenn Carlos Franco über die
Ureinwohner der Guajira-Halbinsel spricht:
En relación al tema indígena, Cerrejón ha partido – primero – de reconocer la
existencia de pueblos indígenas en el área de influencia, que implica hasta el
puerto. Segundo: De reconocer que puede ocasionar impactos negativos y se
tiene que identificarlos y prevenirlos – porque no necesarioamente se dan. Y
en tercer lugar: De entender que los indígenas tienen unas especifidades,
unas particularidades y que además es de nuestra responsabilidad garantizar
la preservación de su cultura. Y además facilitar que los indígenas sean
beneficiarios de los logros de Cerrejón.
SPRECHER 2:
In Bezug auf die indianischen Ureinwohner ist El Cerrejón so vorgegangen,
dass wir – erstens – die Existenz von indigenen Völkern in unserem
Einflussgebiet bis zum Hafen anerkannt haben. Zweitens: Dass wir erkannt
haben, welche negativen Auswirkungen wir verursachen und wie wir sie
vermeiden könnten. Und drittens: Wir haben verstanden, dass die Kultur der
Ureinwohner einige Besonderheiten aufweist und dass es in unserer
Verantwortung liegt, ihre Kultur zu beschützen und dafür zu sorgen, dass die
Indigenen von den Fortschritten bei El Cerrejón profitieren.
Autor
Die Firma, die nach eigenen Angaben vier Prozent des Kolumbianischen
Bruttosozialproduktes erwirtschaftet, schwingt sich in die Rolle eines
paternalistischen Neben-Staates auf – halb gewollt, halb gezwungen, denn die
Konflikte, die sie selber verursacht, wird keine staatliche Institution für sie lösen.
Autor
Mehrere Interviewanfragen beim Kolumbianischen Bergbau-Ministerium blieben
unbeantwortet. Dessen Entwicklungsplan „Vision 2019: Kolumbien als Bergbauland“
ist eher eine passive Zustandsbeschreibung als eine politische Handlungsvorgabe.
Die Bergbauunternehmen sollten versprechen, heißt es da, mehr in saubere
Technologien zu investieren. Sie werden gebeten, an einem planmäßigen Ausbau
des Bergbaus mitzuwirken.
Autor
Genau dort, wo auf der Guajira-Halbinsel die Kohle so nah unter dem staubigen
Boden liegt, hat die Natur einen Grünen Streifen zwischen den zwei Gebirgen
geschaffen, die diesen Naturraum begrenzen, einen Biokorridor, den auch die
Wayuu-Indianer attraktiv fanden und mit ihrer losen Siedlungsstruktur überzogen. Die
Wayuu sind die größte von rund 80 präkolumbinischen, indianischen Gruppen in
Kolumbien. Wie die meisten dieser Stammeskulturen, hatten auch die Wayuu lange
Zeit keinen Anlass, soziale und politische Strukturen hervorzubringen, die ihnen
Verhandlungen auf Augenhöhe mit dem Staat oder mit Unternehmen ermöglichen
würden. Heute fühlen sich viele ausgegrenzt, beklagt Jairo Epiayu:
El Carbón se va a acabar! El no va a dar todo el tiempo porque no produce. El
se va a acabar en un momento, la empresa - va llegar su cierre y su poscierre
y se va a ir. Y qué va a dejar? Tremenda monta~na destruída y fotocopias de
monta~nas. Eso es lo que va a dejar. Y va a dejar mucha destrucción y
mucha enfermedad en la Guajira. Y el municipio solamente ve el interés y el
estado la parte económica el porcentaje que le den por el permiso y las
regalías. Y así que el manejo de las regalías no se está dando
adecuadamente que para salud, alcantarrillado, agua potable
SPRECHER 5
Die Kohle ist irgendwann zu Ende! Sie wird nicht ewig halten, denn sie
produziert ja nichts. Sie wird eines Tages zu Ende gehen und dann werden die
Firmen dicht machen und gehen. Und was hinterlassen sie? Zerstörte
Landschaften, falsche Berge und Krankheiten. Und die lokale Regierung sieht
heute nur die Steuereinnahmen und die Abgaben, die sie für die Lizenzen
kassieren. Aber sie investieren das Geld nicht richtig, zum Beispiel in
Gesundheitsversorgung, in Abwasserbehandlung oder in Trinkwasser.
Autor
Dieses Jahr ist entscheidend für die indianische Sache, weil Kolumbien zusammen
mit Peru derzeit über ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union
verhandelt.
Es que en el modelo económico que se ha impuesto en Colombia en los
últimos veinte a~nos que podemos llamr el neoliberalismo o libre comercio o
el consenso de Washington, es evidente que la industria y el agro han sufrido
lo indecible. Y como viene TLCs con Estados Unidos y con la Unión Europea
la industria y el agro van a volver a sufrir nuevamente más. Por ejemplo
vamos a perder la producción del lácteo para poner un ejemplo o de arroz,
para poner otro ejemplo entonces la minería se volvió como la tabla de
salvación. Como el único sitio de donde deberan salir los recursos para
importar todos los bienes que ya no vamos a producir y para atender el pago
de la deuda externa. Esto por supuesto yo no lo puedo compartir.
SPRECHER 5
Es ist offensichtlich, dass die einheimische Industrie und die Landwirtschaft
unter dem neoliberalen Wirtschaftmodell der letzten zwanzig Jahre unsäglich
gelitten haben. Und wenn nun die Freihandelsabkommen mit den USA und
der Europäischen Union kommen, werden Industrie und Landwirtschaft weiter
leiden. Zum Beispiel werden sich die einheimische Milchproduktion oder der
Reisanbau nicht halten können. Und so ist der Bergbau plötzlich zum
Rettungsring geworden. Nur aus diesem Sektor sollen die Einnahmen
sprudeln, mit denen wir dann all die Güter importieren, die wir nicht mehr
selber herstellen und unsere Auslandsschulden abbezahlen. Das kann ich
nicht unterstützen.
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Die Umweltschutzbewegung wächst in Kolumbien. Im Frühjahr demonstrierten in der
Großstadt Bucaramanga 30.000 Menschen gegen ein Goldförderprojekt. Die größte
Umwelt-Demonstration, die es je gegeben habe, schwärmen Aktivisten und hoffen
auf mehr grünes Bewusstsein. Aber auch die Gegend von Bucaramanga ist längst
dem Bergbauboom ausgeliefert. Es sind kleinere Minen, meistens in kolumbianischer
Hand. Hier liegt die Zukunft des Regierungsprojektes „Vision 2019“: Wenn die
Kohleförderung rasch verdoppelt werden soll, wird auch der Druck auf diese
Gegenden zunehmen. Der deutsche Konfliktexperte Bertram Doll dreht einen
Dokumentarfilm über die Folgen des Bergbaus. Er nimmt mich mit auf eine Tour in
der Umgebung von Bucaramanga.
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El Carmen del Chucurrí, eine fruchtbare Gegend am Fuße der Anden. Als
Nelson López Cardenas hierher kam, glaubte er, er hätte es geschafft: Nachdem er
aus seiner Heimatgegend flüchten musste, baute er sein Leben hier neu auf: Heute,
nach rund 15 Jahren, führt er zwei Bauernhöfe, ist verheiratet und hat vier Kinder.
Doch sie werden nicht in dem selben Naturparadies aufwachsen, dass Nelson hier
vorfand, denn vor ein paar Jahren haben gewiefte Geschäftsleute die ganze
ländliche Ordnung untergegraben:
La empresa entró, un dia cualquiera llegaron, se presentaron como
reforestadora San Luís, no venían a explota, venían a reforestar, esa fue la
forma como nos compraron las tierras.
SPRECHER 5
Die Firma kam eines Tages und stellte sich als Aufforstungsbetrieb San Luís
vor. Es ginge nicht um Bergbau sondern um Bäume, hieß es. Innerhalb einer
Woche kauften sie die Grundstücke zusammen, die sie wollte.
Autor
Sie seien sogar abends gekommen und hätten die Bauern unter Druck gesetzt,
erzählt Nelson López Cardenas. Wenn du nicht verkaufst, hätten sie gesagt,
schicken wir die Regierung vorbei, die wird dich enteignen. Als sie die Flächen
zusammengekauft hatte, habe die vermeintliche Forstfirma plötzlich ihren Namen
gewechselt und sich „Centromin“ genannt.
Nos reunieron para hacer la audiencia pública para tener la
licencia
ambietal y nosotros como no teníamos conocimiento de que se trataba, nunca
habíamos visto una explotación en esta zona. Nos hablaron de desarrollo, nos
hablaron de futuro, de progreso, de empleos, de muchas cosas bonitas nos
hablaron.
SPRECHER 5
Sie haben uns versammelt, um die vorgeschrieben öffentliche Anhörung
durchzuführen. Wir wussten damals nicht, was der Bergbau bedeutet, das
hatten wir in dieser Gegend noch nie gesehen. Sie versprachen uns
Entwicklung, eine bessere Zukunft, Fortschritt und Arbeitsplätze, sie sprachen
von lauter netten Dingen.
Autor
Aber es kam anders: Heute durchschneidet die kleine Tagebaumine eine Straße, die
ehemals rund 30 Höfe miteinander verband. Weil fast die Hälfte der früheren
Nachbarn weggezogen sind, lohnt sich der gemeinschaftliche Fahrdienst nicht mehr,
mit dem früher die Früchte zum Markt gebracht wurden. Heute läuft rotbraunes
Wasser durch den Bachlauf unterhalb der Mine, das Vieh will es nicht trinken. Die
Luft ist voller Staub und immer mehr Bauern versuchen, ihr Land zu verkaufen. Eine
schleichende Entvölkerung dieses fruchtbaren Landstrichs hat eingesetzt.
Autor
Eine Tagesreise entfernt liegt das Örtchen El Cerrito in einer völlig anderen
Landschaft: Auf gut zweieinhalbtausend Metern Höhe ist der Ort schon stark andin
geprägt: Kartoffeln sind das Hauptprodukt der Bauern, die hier alle Poncho tragen.
Oberhalb von EL Cerrito, in den Lagen zwischen 3.500 und 4.500 Metern liegt der
Páramo – eine einzigartige Andenlandschaft, deren Böden sehr gut Wasser
speichern können. Zähes langstieliges Gras überzieht die weichen Hügel, am
Horizont verschwinden steile Felsenflanken in den schnell vorbeiziehenden
Wolkenfetzen. Die Hügel werden von einem grau-schwarzen Band durchzogen: Eine
offene Ader reinster Anthrazitkohle. Schon seit zwanzig Jahren wollen
Bergbauunternehmen sie abbauen. Immer wieder rücken sie ohne Genehmigung an,
verlassene Stollen zeugen von dem Ansturm.
Mit einer Lüge habe alles begonnen, erzählt der Bauer Gebrail Suárez:
Cuando ellos empezaron a llegar, llegaron prometiendonos que iban a
arreglar las carreteras, que de pronto ayuda para las escuelas y a lo último
pues de eso no hubo nada
SPRECHER 3
Als sie kamen, versprachen sie uns neue Straßen und Hilfe für unsere
Schulgebäude. Am Ende blieb davon gar nichts.
Autor
Das kleine Bergbauunternehmen Carbooriente aus der nächsten Provinzhauptstadt
öffnete sechs Stollen, angeblich für Probebohrungen, wofür man keine Lizenz
braucht. Aber in drei Jahren seien– „probehalber“ - bereits 60 Millionen Tonnen
Kohle gefördert worden, schätzt Gebrail. Dann kam die Guerilla ELN. Und dann? Gebrail Suárez windet sich, findet nicht mehr die Worte. Es sei schwierig, über diese
Zeit zu sprechen:
La guerilla pues pasaba en estas partes, Lo que si ellos rotundamente a la
comunidad en estas partes no le hicieron como percuicio alguno, pues eran
muy amables. Pues eso si yo no puedo saber, si ellos tenían diálogo entre la
companía con la guerilla.
SPRECHER 3
Die Guerilleros kamen hier vorbei. Man muss sagen, sie haben unserer
Gemeinde hier keinen Schaden zugefügt, nein, sie waren sehr freundlich. Ich
kann nichts dazu sagen, ob es Gespräche gab zwischen der Guerilla und der
Bergbaufirma
Autor
Der Bauer will nicht mit der unangenehmen Geschichte rausrücken, die andernorts
längst offen erzählt wird, nämlich dass die Guerilla angeblich mit dem
Bergbauunternehmen kooperiert habe. Unklar ist, ob es Schutzgelderpressung gab
oder ob die Firma diesen ELN-Trupp sogar als privaten Sicherheitsdienst anheuerte.
Gebrails Bruder Luis berichtet dann noch von dem gemeinsamen großen Bruder
Leonél, der sich dem Bergbau entgegengestellt und die ganze Gemeinde auf ihre
Seite gebracht hatte:
Mi hermano recibió una amenaza por estar en ese cuento. El ahorrita habita
en Venezuela, pues decidimos que mejor se fuera antes de que pase algo
más grave.
SPRECHER 2
Mein Bruder wurde bedroht, weil er sich einmischte. Wir wissen nicht von
wem. Er lebt jetzt in Venezuela. Wir haben entschieden, dass er besser gehen
sollte, bevor schlimmeres passiert.
Autor
Sechs, sieben Autostunden weiter liegt das Örtchen Toledo in einer Landschaft wie
aus der Kaffewerbung. Auf 1500 Meter gelegen und mit reichlich Wasser gesegnet,
bietet die Natur perfekte Bedingungen für einen gartenähnlichen organischen Anbau,
bei dem die Kaffeebüsche im natürlichen Schatten von Bananenstauden, Feigen und
Mangobäumen gedeihen. Das Wasser kommt aus dem Páramo, der hier durch den
Nationalpark Tamá geschützt wird, einem Gemeinschaftsprojekt mit dem
benachbarten Venezuela. Aber die Idylle trügt: An dem einen Ortsausgang
bewachen Soldaten eine Pumpstation der Ölpipeline, deren Trasse die saftig-grünen
Andenhänge wie eine Narbe durchzieht. Am anderen Ortsausgang zeigen die beiden
Bauern Julio Pe~na und José Angel Perez auf ein kleines schwarzes Loch im Hang:
Der Stollen ist mit hundert Metern Länge das Gegenstück zu El Cerrejón: Wohl eine
der kleinsten Minen Kolumbiens, eine von rund zwanzig in der Gegend. Doch auch
eine kleine Mine kann Streit auslösen. Plötzlich und unerwartet taucht der
Minenbesitzer Edgar Ivan Peralta auf:
A esas visitas asi deben invitar a uno...ellos son mis trabajadores que yo les
doy empleo a costa de hacer me amigos como usted..Usted se metió en mi
predio...No, yo les invito a que entremos en la mina, aqui tengo una lámpara...
„Also wenn sie schon auf mein Grundstück kommen, sollten sie mich doch dazu
holen!“ sagt Minenbesitzer Edgardo Peralta. Und dass er hier Arbeitsplätze schaffe
und der Dank seien dann solche Feinde wie Don José...Der entgegnet noch, die
Mine grabe seinem Grundstück das Wasser ab, was Peralta abstreitet und alle
gemeinsam einlädt, die Mine zu besichtigen...aber weder Don José noch Don Julio
wollen mit, die beiden einfachen Bauern sind in Gegenwart des redegewandten
Ingenieurs verstummt.
Para contestarle la pregunta del Se~nor José: El tunel va sí, hace una curva
así y luego continúa hacia allá. Entonces, Don José me acusa de que estoy
llegando al predio de él, pero queda bien allá, a más de un kilómtero de aquí!
A mi me ha tocado callarme, porque nunca me invitan a una explicación...
SPRECHER 5
Um die Frage des Se~nor José zu beantworten: Schauen Sie, der der Tunnel
macht da vorne eine Kurve und geht dann in diese Richtung weiter. Wenn Don
José sagt, ich würde unter seinem Grundstück graben, dann stimmt das nicht,
das ist mehr als einen Kilomter von hier entfernt! Aber mich lädt ja keiner mehr
zu einer Erklärung ein...
Autor
Der Minenbesitzer bleibt zuvorkommend und verabschiedet sich freundlich. Aber als
wir das Grundstück verlassen und nach Toledo zurückfahren, merken wir, dass uns
ein Motorrad folgt. Zwei junge Männer sitzen drauf, parken dann ein paar Meter
entfernt und beobachten uns, wie wir in ein Pfarrhaus gehen...Bertram Doll richtet
demonstrativ seine Kamera auf sie. Mehr passiert nicht, aber plötzlich spüren wir, wie
sich Ohnmacht anfühlt.
Autor
Padre Carlos Saúl Jaimes, der sich moderat auf die Seite der Umweltschützer
gestellt hat, gibt uns spontan eine Art Kirchenasyl und bietet Übernachtung im
Pfarrhaus an, damit wir uns sicher fühlen. Der Padre sorgt sich, dass der
Modernisierungskonflikt zwischen traditionellen Bauern und den lokalen
Bergbauunternehmern die soziale Harmonie zerstört:
Pues ciertamente, empresas de afuera llegan y donde detectan que hay
carbón no les importan los due~nos de finca, no les importan los nacientes de
agua, no les importan las carreteras, las hacen, hacen trochas. Les interesa
que puedan sacar su carbón. A veces irrespetando a la persona que es
nativa, que vive en la región.
SPRECHER 4
Da kommen Unternehmen von außerhalb und wenn sie Kohle entdecken,
interessieren sie sich nicht für die Bauern, für die Wasserquellen, für den
Zustand der Straßen. Sie machen sich einfach selber Straßen, um ihre Kohle
abzutransportieren und dabei ignorieren sie die Menschen, die hier zu Hause
sind, die hier ihr Leben verbringen.
Autor
Noch vor drei, vier Jahren waren in Toledo Paramilitärs stationiert. 15 Bauern sollen
sie ermordet haben, heißt es. Genaueres mag niemand erzählen.
In solch einem Klima der Einschüchterungen kommt engagierten Menschenrechtlern
eine besondere Rolle zu, die sich in Kolumbien unter anderem in verschiedenen
Anwalts-Kollektiven organisiert haben. In Toledo versucht das „Colectivo de
Abogados Luís Carlos Perez“, einen Dialog zwischen Befürwortern und Gegnern des
Bergbaus herzustellen, erklärt dessen Leiterin Ursula Fernanda Castellanos:
Nosotras estamos convencidas de que la defensa judicial, la defensa a traves
de los mecanismos constitucionales y legales que están implementados en el
estado democrático y de derecho es necesaria para podernos proteger y para
mejorar la calidad de vida de las personas que están siendo vulneradas.
SPRECHERIN
Wir glauben an die juristischen Möglichkeiten, an die Verteidigung mit den
Mitteln, die der demokratische Rechtsstaat vorsieht, um Menschen zu
schützen und die Lebensqualität derer zu verbessern, die sich Angriffen
ausgesetzt sehen.
Autor
Dieses Beharren auf dem Rechtsstaat bringt Ärger mit vielen Interessengruppen und
so werden die Anwältinnen bei ihren Besuchen in Toledo und anderswo sogar von
internationalen Aktivisten begleitet. Die Peace Brigades International hoffen, mit ihrer
Anwesenheit direkte Gewalt verhindern zu können. Ihnen werde die Arbeit nicht
ausgehen, meint die Spanierin Ana Vicente:
En Colombia hay muchos recursos como carbón, como oro, como petróleo,
pues también la coca. Digamos que antes el narcotráfico era la mayor fuente
de financiación de los grupos y ara está empezando a entrar otro tipo de
financiaciones.
SPRECHERIN
In Kolumbien gibt es viele Rohstoffe, wie Kohle, Gold, Erdöl und natürlich auch
Kokain. Früher mal war der Drogenhandel die größte Einnahmequelle der
illegalen Gruppen, aber jetzt beginnen sie, sich andere Einnahmequellen zu
erschließen.
Autor
Die Kohle aus Toledo, aus dem Páramo und aus dem paradiesischen Carmen wird
per Lastwagen über hunderte Kilometer schlechte Straßen bis zu den Karibikhäfen
von Santa Marta gefahren. Ob auch diese Kohle heute schon nach Deutschland
exportiert wird, erschließt sich nicht aus den spärlichen Angaben der deutschen
Kohlekraftwerksbetreiber. Aber die sie können es auch nicht ausschließen. Die
meisten wissen es nicht. Wie sollten sie auch: Kolumbien ist ein Land in dem es viele
Versionen der Wahrheit gibt.
Autor
Es ist ein langer Weg zurück, vom kolumbianischen Hinterland in den Karlsruher
Rheinhafen. Friedlich liegt das holländische Motorschiff „Amazone“ im Schatten der
Baukräne. 2013 will die EnBW hier ein neues Kohlekraftwerk in Betrieb nehmen.
2018 wird in Deutschland die Steinkohleförderung entgültig eingestellt. Dann
verfeuern die deutschen Stromversorger nur noch Importkohle. Der Aderlass in den
Anden wird weitergehen.

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