Laura Gallego García Geheime Welt Idhún 2 Die Feuerprobe
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Laura Gallego García Geheime Welt Idhún 2 Die Feuerprobe
Laura Gallego García Geheime Welt Idhún 2 Die Feuerprobe Laura Gallego García Geheime Welt Idhún 2 Die Feuerprobe Roman Aus dem Spanischen von Ilse Layer Deutscher Taschenbuch Verlag Von Laura Gallego García sind außerdem bei dtv junior lieferbar: Geheime Welt Idhún 1 – Die Verschwörung, dtv extra 70992 Geheime Welt Idhún 3 – Der Krieg der Götter I, dtv extra 71290 Geheime Welt Idhún 3 – Der Krieg der Götter II, dtv extra 71317 Das Tal der Wölfe, dtv junior 71168 Der Fluch des Meisters, dtv junior 71245 Der Ruf der Toten, dtv junior 71305 Finis mundi oder Die drei magischen Amulette, dtv junior 70754 Deutsche Erstausgabe In neuer Rechtschreibung 2. Auflage August 2008 2007 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München www.dtvjunior.de 2005 Laura Gallego García/Ediciones SM Titel der spanischen Originalausgabe: ›Memorias de Idhún – Tríada‹, 2005 erschienen bei Ediciones SM, Madrid © der deutschsprachigen Ausgabe: 2007 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München Auszug aus ›Handbuch des Kriegers des Lichts‹ von Paulo Coelho aus dem Brasilianischen von Maralde Meyer-Minnemann © 2001 Diogenes Verlag AG, Zürich Umschlagkonzept: Balk & Brumshagen Umschlaggestaltung: Stephanie Weischer unter Verwendung eines Motivs von Alfonso Ruano und Pablo Núñez Lektorat: Britt Arnold Gesetzt aus der Palatino 10,5/13. und aus der Arbiter BQ Gesamtherstellung: Druckerei C. H. Beck, Nördlingen Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany · isbn 978-3-423-71219-4 Für Marinella mit meiner ganzen Zuneigung und Dankbarkeit dafür, dass sie an diese Geschichte geglaubt und auf sie gesetzt hat, dass sie mich bei der Reise durch Idhún begleitet und sich dieses Projekt, das ich liebend gern mit ihr teile, zu eigen gemacht hat. Die Reise geht weiter … SAREL AGLI ISU RIV-ARNETHINSELN ORAKEL VON RADEN A R D C (Einhörner) ALISLITHBANWALD VON DRACKWEN TURM RADENMEER K WEN NANGAL FEU ERG IPFE L KES NANDELT RG KE (Yan) (Drachen) AWINOR NIN AWAWALD EVEN ESMERALDA DART SANDA VON TURM Awa DERBHAD TARES (Piraten) NANETTEN Mailin GANT BLENU TELI SUMPFGEBIETE REICH DER MENSCHEN ORAKEL ZAUBERTÜRME GLESU OZEANISCHES REICH (Varu) DAGLEDU ORAKEL VON GANTADD (Land der Ganti) HÜGEL VON GANTADD TRASK-BAN LUMBAK W DER PASSWEG ar Ilv HAAI-SIL DYAN VAISEL TURM VON AWINOR KOSH ND E L (Himmelblaue) KASH-TARWÜSTE Do r NA RHYRR TTE V ON AREN CELESTIA KELESBAN BE Yul BERG LUNN DER LAVAST ROM NAMRE (Reich der Menschen) NURGON on er SHIA RUD Ail Iv DINGRA (Barbaren) T VON KAZLUNN N E AU LIAM GE S N TURM EIS KRO NE NOLIR N VANIS N VANISSAR RAHELD Esteh U in L THALIS Z Ad LES ir A K SHUR-IKAILEstid D IE (Riesen) NANHAI GROSSES ORAKEL A E E RG RB ND E DE R BH (FeA D en ) ar Rais lar Mai Dann gewöhnen sich die Augen und das Herz des Kriegers ans Licht. Es erschreckt ihn nicht mehr, und er beginnt seinen eigenen Lebenstraum anzunehmen, auch wenn dies bedeutet, Risiken einzugehen. Der Krieger hat sehr lange geschlafen. Es ist nur natürlich, daß er ganz allmählich aufwacht. Alle Wege der Welt führen mitten ins Herz des Kriegers: Er taucht, ohne zu zögern, in den Strom der Leidenschaften ein, der durch sein Leben fließt. Der Krieger weiß, daß er frei ist, zu wählen, was er wünscht. Seine Entscheidungen trifft er mutig, uneigennützig und zuweilen auch mit einer kleinen Prise Verrücktheit. Ein Krieger des Lichts verhält sich manchmal wie Wasser und schlängelt sich zwischen den Hindernissen hindurch, auf die er trifft. Es gibt Augenblicke, in denen bedeutet Widerstand bieten, zerstört zu werden. Darum paßt er sich den Gegebenheiten an. Darin liegt die Kraft des Wassers: kein Hammer kann es zertrümmern und kein Messer es schneiden. Selbst das mächtigste Schwert der Welt vermag nicht einmal, seine Oberfläche zu ritzen. Paulo Coelho, Handbuch des Kriegers des Lichts Drittes Buch Das Erwachen Prolog D ie Schlange kniff ihre schillernden Augen zusammen, blieb sonst jedoch völlig reglos, als sie auf telepathische Weise mitteilte: Sie sind da. »Ich weiß«, erwiderte Ashran, der Schwarzmagier, leise. Er stand wie gewöhnlich am Fenster und beobachtete das Aufgehen des dritten Mondes am Horizont seiner Welt. Die Schlange hob den Kopf und streckte langsam ihren gewundenen Leib aus. Sie war riesig, dabei hatte sie noch nicht einmal die Flügel ausgebreitet. Jede Schuppe ihres Körpers strahlte eine geheimnisvolle, tödliche Macht aus, eine Macht, vor der jeder andere Sterbliche vor Entsetzen gezittert hätte. Aber Ashran war kein gewöhnlicher Mensch. Und dies war auch keine gewöhnliche Schlange, nicht einmal im Vergleich zu ihren Artgenossen. Es handelte sich um Zeshak, den Herrn der Sheks, die mächtigste aller geflügelten Schlangen. Der Drache und das Einhorn, zählte er auf. Zwei Zauberer, ein menschlicher und eine Fee. Und ein Nurgon-Ritter, halb Mensch, halb Tier. »Diese Mischung ist bestimmt einmalig«, bemerkte Ashran lächelnd. »Ich habe Lust, sie in Aktion zu sehen. Aber das sind noch nicht alle, hab ich recht? Da ist noch eine sechste Person.« Der Verräter ist bei ihnen, antwortete Zeshak mit eisiger Ver15 achtung. Derjenige, den du früher deinen Sohn genannt hast, ist jetzt der sechste Verschwörer. Ashran ignorierte den gereizten Unterton seines Gegenübers. Seit Kirtash sie verraten hatte, hatte kein Shek je wieder seinen Namen ausgesprochen. »Du wünschst dir seinen Tod, ich weiß«, versetzte der Schwarzmagier. »Diese Genugtuung sollst du irgendwann haben. Aber jetzt sind der Drache und das Einhorn wichtiger.« Zeshak erwiderte nichts, aber Ashran bemerkte seine Skepsis. »Die Prophezeiung nähert sich ihrer Erfüllung«, warf ihm der Zauberer an den Kopf. »Oder glaubst du etwa, du könntest gegen das Schicksal ankommen?« Es gibt kein Schicksal, entgegnete der Shek. Die Drachen haben uns dazu verurteilt, bis in alle Ewigkeit an den Grenzen der Welt umherzuirren – aber sieh uns an, da sind wir wieder. Wir sind die unumschränkten Herrscher des Planeten und Schmiede unseres eigenen Glücks. Wir haben alle Drachen aus dem Weg geräumt. »Nicht alle«, rief ihm Ashran in Erinnerung. In den schillernden Augen des Sheks blitzte Zorn auf. Trotzdem liegt uns Sheks mehr am Tod des Verräters als an der Beseitigung dieses Drachen, der uns entkommen ist. »Aber sobald er euch über den Weg läuft, seid ihr wieder blind vor Hass«, entgegnete Ashran lächelnd. »So ist es immer gewesen. Ein Drache, und sei es nur ein einziger und der letzte seiner Art, ist und bleibt ein gefährlicher Feind.« Der Shek ließ ein zorniges Zischen vernehmen. Wie kannst du nur einen Drachen, der derartig mit menschlichen Eigenschaften verseucht ist, für gefährlich halten? »Und wie kannst du die Verschwörer bloß so unterschätzen, Zeshak? Das sind keine gewöhnlichen Wesen. Sie sind Teil einer Prophezeiung, und bei Prophezeiungen haben die Götter ihre Hand im Spiel.« 16 Dann hättest du sie nicht zurückkehren lassen dürfen, gab Zeshak zu bedenken. Ashran zuckte mit den Schultern. »Auf der Erde wären sie außerhalb meiner Reichweite geblieben. Solange sie nach Limbhad ausweichen konnten, waren sie immer in Sicherheit.« Er hob den Kopf, um seine silbrigen Augen auf die Schlange zu heften. »Das sind sie jetzt nicht mehr.« Sie können jederzeit zurück. »Nein«, widersprach Ashran. »Das können sie nicht mehr, aber das wissen sie noch nicht.« Zeshak nickte bedächtig. Verstehe, erwiderte er. Wenn es stimmt, dass diese Prophezeiung in Erfüllung gehen kann, wenn es stimmt, dass die Verschwörer dich besiegen können, dann solltest du nicht gegen sie antreten. Jetzt sind sie hier, auf Idhún. Jetzt können wir Sheks sie zu Fall bringen. Ashran sann über den Vorschlag nach. Aufgrund eines alten Zaubers konnten seit Jahrhunderten weder Sheks noch Drachen das Tor zwischen den Dimensionen in Richtung Erde passieren. Deshalb hatten sich die Zauberer aus dem Turm von Kazlunn, die dem Schwarzmagier Widerstand leisteten, gezwungen gesehen, nur den Geist des Drachen und des Einhorns auf die Erde zu schicken, damit sie sich in menschlichen Körpern reinkarnierten. Und deshalb hatte Ashran Kirtash auf sie ansetzen müssen, einen Zwitter, einen im Körper eines Jungen maskierten Shek, der sich zu seinem großen Bedauern einen erheblichen Teil seiner menschlichen Empfindungen bewahrt und sich irgendwann ihren Feinden angeschlossen hatte. Doch nun waren die Verschwörer auf Idhún eingetroffen, bereit, in den Kampf zu ziehen. Nichts hinderte die Sheks daran, sie hier, auf ihrem eigenen Terrain, anzugreifen. »Weißt du, wo sie sind?«, fragte der Schwarzmagier. Die Augen der Schlange blitzten auf. Natürlich weiß ich, wo 17 sie sind. Ein telepathischer Befehl von mir – und meine Leute greifen an. Ashran nickte. »Vielleicht werdet ihr nicht mit ihnen fertig«, gab er allerdings zu bedenken. Der Shek erstarrte gekränkt. Ashran bemerkte seinen Unmut und erklärte: »In ihnen steckt eine eigenartige Kraft. Sieh dir diesen Turm an, Zeshak. Er war nur noch ein totes, verlassenes Gemäuer, und jetzt strotzt er vor Energie. Das hat das Mädchen zuwege gebracht … und zwar ganz allein. Sie ist nicht nur ein Einhorn, sondern auch noch das letzte dieser magischen Geschöpfe. All die Energie ihrer Art lebt in ihr fort.« Ashran wusste, was Zeshak durch den Kopf ging. Der Shek war dafür gewesen, Victoria bei ihrer Gefangennahme zu töten, aber er, Ashran, hatte beschlossen, sich ihre Macht zunutze zu machen. Doch dann war sie ihnen entkommen. Sie und ihr Gefährte, der letzte Drache, waren nun das Einzige, was die Stabilität des Reichs bedrohte. Er fügte mahnend hinzu: »Sobald der Drache gelernt hat, seine Macht einzusetzen, wird er ebenfalls ein ernst zu nehmender Feind sein.« Dann müssen wir sie beide töten, bevor es so weit ist. »Das versuchen wir seit mehr als fünfzehn Jahren, Zeshak. Aber es ist uns nicht gelungen.« Glaubst du mittlerweile etwa, wir könnten nicht verhindern, dass die Prophezeiung in Erfüllung geht?, zischte Zeshak in seinem Bewusstsein. »Nein, ich glaube, dass wir nicht die richtige Strategie verfolgt haben.« Die Schlange richtete ihre hypnotisch schillernden Augen auf den Schwarzmagier und wartete auf eine Erklärung. »Leider kenne ich die beiden nicht so gut, wie mir lieb wäre, Zeshak. Kirtash natürlich schon, den kenne ich sogar weit besser, als er selbst glaubt. Und von Victoria habe ich ein 18 ungefähres Bild, seit ich ihr damals begegnet bin. Sie spielt in meinen Plänen eine wichtige Rolle, auch wenn sie nichts davon ahnt. Aber der Junge, der Drache, ist mir nach wie vor völlig fremd. Das gefällt mir ganz und gar nicht. Aber jetzt, wo sie hier auf Idhún sind, werde ich Gelegenheit haben, sie zu beobachten … und ihren schwachen Punkt zu finden.« Zeshaks lange, gespaltene Zunge fuhr durch die Luft. Es wirkte fast, als lachte er. Eine klassische Shek-Strategie, bemerkte er. Ashran nickte. »Ich habe nichts dagegen, wenn ihr als Erste angreift. Dem Blick eines Sheks entgeht so gut wie nichts, ihr spürt sie vermutlich auf, ganz gleich, wohin sie sich wenden. Wenn es euch gelingt, sie zu töten, oder wenigstens einen von beiden, wäre alles entschieden. Aber selbst wenn ihr keinen Erfolg habt, kann ich zumindest die Gelegenheit nutzen, sie eingehender zu studieren. Denn vielleicht«, hier lächelte der Zauberer sanft, »liegt der Schlüssel zu ihrer Zerstörung nicht bei uns, sondern bei ihnen selbst.« Auf Zeshaks Reptiliengesicht machte sich langsam ein Grinsen breit. 19 1 Der Turm von Kazlunn A ls Victoria die Augen aufschlug, dauerte es ein wenig, bis sie sich wieder an alles erinnerte, was geschehen war. Wirre Bilder wirbelten in ihrem Kopf durcheinander, fantastische Bilder, die einem schönen Traum oder einem seltsamen Albtraum entsprungen zu sein schienen. Sie richtete sich ein wenig auf und sah ein vertrautes Gesicht. Jack lag mit geschlossenen Augen neben ihr. Victorias Herz setzte vor Angst aus. Doch dann bemerkte sie seinen regelmäßigen Atem. Er schlief oder war bewusstlos, aber nicht verletzt. Victoria berührte sanft seine Wange. Jack lächelte im Traum, wachte aber nicht auf. Sie hatten sich vor drei Jahren kennengelernt, als Ashrans Killer seine Eltern ermordet hatten. Damals hatte Jack keine Ahnung von Idhún und der Verschwörung gehabt, der Victoria angehörte. Von einer Sekunde auf die andere war er in einen Krieg um die Rettung einer ihm völlig unbekannten Welt verstrickt worden. Er hatte sich der Verschwörung angeschlossen, die darum kämpfte, Idhún von der Herrschaft Ashrans und der Sheks, der geflügelten Schlangenungeheuer, zu befreien. Damals waren sie noch halbe Kinder gewesen, aber mittlerweile waren mehrere Jahre vergangen und aus ihrer Freund21