In-situ-Erhaltung von Nutzpflanzenvielfalt am Beispiel andiner
Transcripción
In-situ-Erhaltung von Nutzpflanzenvielfalt am Beispiel andiner
In-situ-Erhaltung von Nutzpflanzenvielfalt am Beispiel andiner Bauern in Vicos, Peru Magisterarbeit zur Erlangung des Grades einer Magistra Artium M.A. vorgelegt der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn von Jutta Schmitz * aus Mönchengladbach * Kontakt: [email protected] Vorwort Ich danke Urpichallay und den Bauern von Vicos für die Möglichkeit, die Lebendigkeit der andinen Welt auf eine Weise zu erfahren, wie sie Bücher nie hätten vermitteln können. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung .................................................................................. 7 2 Allgemeiner Rahmen.............................................................. 11 3 2.1 Begriffsklärung: Sortenvielfalt und Erhaltung ...................... 11 2.2 Zusammenhang biologischer und kultureller Vielfalt .......... 13 2.3 Untersuchungsraum ................................................................ 17 2.3.1 Merkmale agrobiologischer und kultureller Vielfalt in den Anden 17 2.3.2 Comunidad Campesina Vicos..................................................... 21 Einflussfaktoren und Projektstrategien für die Erhaltung von Nutzpflanzenvielfalt............................................................... 27 4 5 3.1 Einflussfaktoren auf Nutzpflanzenvielfalt .............................. 27 3.2 Projektstrategien zur In-situ-Erhaltung.................................. 31 3.3 Alternativansatz PRATEC........................................................ 32 Methode................................................................................... 37 4.1 Vorbereitung ............................................................................. 39 4.2 Durchführung ........................................................................... 40 4.3 Auswertung............................................................................... 42 Ausgewählte Aspekte des Kartoffelanbaus in Vicos .......... 44 5.1 Sorten ........................................................................................ 44 5.1.1 Klassifizierung durch die Bauern................................................. 44 5.1.2 Bewertung und Nutzung ............................................................. 48 5.1.3 Verlust und Erhaltung ................................................................. 51 5.2 5.2.1 Wege der Saatgutbeschaffung.................................................... 53 5.2.2 Eigene Saatgutproduktion, Selektion und Lagerung ................... 58 5.3 6 Saatgutquelle............................................................................ 52 Anbau ........................................................................................ 61 5.3.1 Landbereitung und Saat.............................................................. 63 5.3.2 Pflege.......................................................................................... 67 5.3.3 Ernte ........................................................................................... 69 5.3.4 Organisation der Arbeit ............................................................... 72 Kontinuität und Wandel ......................................................... 76 6.1 Kulturelle Faktoren der Erhaltung .......................................... 76 6.2 Wandel....................................................................................... 78 6.2.1 Schule......................................................................................... 79 6.2.2 Intensivierung der Landwirtschaft ............................................... 81 6.2.3 Konsumwandel ........................................................................... 83 6.2.4 Protestantismus .......................................................................... 85 7 Schlussbetrachtung ............................................................... 86 8 Literatur ................................................................................... 89 Anhang .......................................................................................... 97 A Interviewleitfaden ........................................................................ 97 B Interviewsituationen .................................................................... 98 C Kartoffelsorten in Vicos ............................................................ 101 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Überschneidung biologischer und sprachlicher Vielfalt ...................... 14 Abb. 2: Lage der Comunidad Campesina Vicos............................................. 21 Abb. 3: Anbauprodukte in Vicos nach Höhenstufe ......................................... 24 Abb. 4: Einflussfaktoren auf Nutzpflanzenvielfalt............................................ 27 Abb. 5: Sortenvielfalt in Vicos......................................................................... 45 Abb. 6: Feria de semillas in Vicos .................................................................. 56 Abb. 7: Selektion nach der Familienernte....................................................... 59 Abb. 8: Selektion der faena comunal des Sektors Cachipachán .................... 59 Abb. 9: Lagerung der Kartoffeln ..................................................................... 61 Abb. 10: Agroökologischer Kalender des Kartoffelanbaus in Vicos.................. 62 Abb. 11: Pflügen mit barreta............................................................................. 64 Abb. 12: Pflügen mit yunta ............................................................................... 64 Abb. 13: Chacra mit lluta papa ......................................................................... 66 Abb. 14: Don José mit seinem Sohn bei der Ernte........................................... 70 Abb. 15: Ernte in faena comunal in der Quebrada Honda................................ 71 Abb. 16: Vicosinos beim boleo ......................................................................... 75 Tabellenverzeichnis Tab. 1: Vielfalt ausgewählter andiner Nutzpflanzen im Überblick................... 19 Tab. 2: Altersstruktur und Geschlecht der Befragten ..................................... 41 Tab. 3: Nutzung und Bewertung lokaler und verbesserter Kartoffelsorten.................................................................................... 49 Tab. 4: Häufigste Wege der Saatgutbeschaffung........................................... 53 7 1 Einleitung Der Rückgang biologischer Vielfalt ist ein weltweites Problem mit weitreichenden Folgen. Als Reaktion wurde 1992 von den Vereinten Nationen 2 die Konvention über Biologische Vielfalt verabschiedet, die den Anstoß gab für zahlreiche Programme zur Erhaltung biologischer Vielfalt auf globaler wie auf regionaler Ebene. In Artikel 8(j) der Konvention zu In-situ-Erhaltung wird erstmals explizit und offiziell die Bedeutung indigenen und lokalen Wissens für die Erhaltung von biologischer Vielfalt anerkannt. Während sich auch in der Literatur immer wieder Hinweise auf die Existenz kultureller Einflussfaktoren insbesondere auf agrobiologische Vielfalt finden, sind diese Zusammenhänge selten genauer aufgeschlüsselt. Strategien zur Erhaltung von agrobiologischer Vielfalt in ihrer natürlichen Umgebung basieren schwerpunktmäßig eher auf ökonomischen Ansätzen. Das Ziel meiner Arbeit ist, die Bedeutung kultureller Faktoren für die Erhaltung von agrobiologischer Vielfalt näher zu beleuchten. Dies soll anhand des Beispiels peruanischer Bauern in den Anden erfolgen, die über Jahrtausende eine große Vielfalt an Kartoffelsorten hervorgebracht haben. Als Informationsquelle dient neben der Literatur eine eigene empirische Befragung von Bauern in der Comunidad Campesina Vicos, die mit Hilfe der Organisation Urpichallay im Mai 2005 durchgeführt wurde. Im Folgenden soll die Gliederung der Arbeit deutlich gemacht werden. Dazu werden Inhalt und Funktion der einzelnen Kapitel kurz skizziert. Nach dieser Rahmen der Einleitung in die Thematik soll in Kapitel 2 der allgemeine Arbeit vorgestellt werden. Im Hinblick auf die disziplinenübergreifende Thematik werden zunächst zentrale Begriffe wie ‚Nutzpflanzenvielfalt’, ‚lokale Sorten’ und ‚In-situ-Erhaltung’ erläutert. Danach ist es wichtig, den allgemeinen Zusammenhang zwischen biologischer und kultureller Vielfalt zu verdeutlichen und in diesem Kontext die Bedeutung des lokalen Wissens hervorzuheben. 2 Convention on Biological Diversity (CBD). 8 Es folgt die Vorstellung des Untersuchungsraums. Dazu gehören eine Einführung in die agrobiologischen und kulturellen Besonderheiten der Andenregion sowie die Darstellung der Comunidad Campesina Vicos anhand ihrer Lage, Geschichte, Gesellschaft und Wirtschaftsweise. Kapitel 3 stellt die Einflussfaktoren auf und die Projektstrategien zur Erhaltung von Nutzpflanzenvielfalt dar. Es gilt aufzuzeigen, welche direkten und indirekten Einflussfaktoren sich auf Nutzpflanzenvielfalt auswirken können. Direkte Faktoren sind in diesem Kontext die Entscheidungen der Bauern, die den Anbau der Nutzpflanzen betreffen. Alle Faktoren, die den Bauern in seinen Entscheidungen beeinflussen, tragen indirekt ebenfalls zu Erhalt und Rückgang von Nutzpflanzenvielfalt bei. Anschließend werden einige Projektstrategien dargestellt, die zur Förderung der In-situ-Erhaltung entwickelt wurden. Die Maßnahmen variieren, je nachdem ob sie darauf abzielen, den ökonomischen Wert von Nutzpflanzen zu steigern oder ihre ökologische oder kulturelle Wertschätzung zu unterstützen. Zusätzlich soll ein alternativer Ansatz vorgestellt werden, der von dem Proyecto Andino de Tecnologías Campesinas – kurz PRATEC – auf regionaler Ebene für die Anden entwickelt wurde und die kulturelle Komponente von In-situ- Erhaltung betont. Die in diesem Zusammenhang dargestellten Kritiken und Alternativvorschläge eröffnen neue Erklärungsansätze bäuerlichen Handelns, indem sie die Unterschiede zwischen westlichen und andinen Ontologien aufzeigen. Kapitel 4 stellt die empirische Feldstudie vor, welche in Vicos durchgeführt wurde. Dazu werden zunächst die angewandten Methoden qualitativer Sozialforschung (teilnehmende Beobachtung, narrative und leitfadenorientierte Interviews) erläutert. Es folgt eine Beschreibung der Vorbereitung der Feldstudie, u.a. mit Hilfe des Interviewleitfadens, welcher anhand ausgewählter Aspekte aus den vorangehenden Kapiteln erstellt wurde. Anschließend soll die Durchführung der Feldstudie dargestellt werden, um die Ergebnisse vor dem Hintergrund der Interviewsituationen bewerten zu können. Zum Abschluss des Kapitels wird das Auswertungsverfahren beschrieben. 9 Kapitel 5 orientiert sich an den für die Befragung ausgewählten Aspekten des Kartoffelanbaus in Vicos. Die Ergebnisse der Feldstudie werden durch zusätzliche Informationen aus der Literatur zu Vicos und anderen Regionen der Anden ergänzt. Als Einstieg werden einige der Kartoffelsorten vorgestellt, die in Vicos angebaut werden. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Frage, wie die Bauern die verschiedenen Kartoffelsorten handhaben, d.h. wie werden sie klassifiziert, genutzt und bewertet. Zu klären ist auch, wie die Bauern den Verlust von Kartoffelsorten wahrnehmen. Es folgt eine Beschreibung der unterschiedlichen Saatgutquellen der Bauern. Hierbei sind sowohl die Art des Erwerbs als auch die Herkunft der angebauten Kartoffelsorten von Interesse. Im Anschluss werden die verschiedenen Anbauphasen der Kartoffel dargestellt. Für das Ziel der Arbeit ist es ist wichtig, nicht nur die jeweiligen Praktiken zu erläutern, sondern auch zu zeigen, wer am Anbau beteiligt ist und welche Vorstellungen dem Anbau zu Grunde liegen. Der letzte Teil des Kapitels befasst sich gezielt mit der Organisation des gemeinschaftlichen Anbaus als typisches Merkmal der andinen Landwirtschaft. Kapitel 6 soll dazu dienen, den Einfluss kultureller Faktoren auf die Nutzpflanzenvielfalt herauszustellen, indem die wichtigsten Ergebnisse des vorangehenden Kapitels in ihrer Bedeutung für die Erhaltung der Vielfalt an Kartoffelsorten diskutiert werden. Anschließend soll die Thematik des Wandels als Gefahr für den Fortbestand lokaler Sortenvielfalt näher beleuchtet werden. Hervorgehoben werden Veränderungen in den Bereichen Bildung, Landwirtschaft, Konsumverhalten und Religion. Kapitel 7 enthält die Schlussbetrachtung, welche die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammenfasst und kommentiert. Darüber hinaus sollen mögliche Empfehlungen für Projekte zur In-situ-Erhaltung gegeben sowie zukünftiger Forschungsbedarf aufgezeigt werden. Die verwendete Literatur lässt sich grob in verschiedene Kategorien einteilen (die jeweils wichtigsten Beiträge finden sich in Klammern): 10 Ein Teil besteht aus allgemeiner Literatur zur Erhaltung biologischer Vielfalt, die im Rahmen der internationalen Debatte entstand (Brush 1999, Jarvis et al. 2000, Maffi 2000, Maxted et al. 1997a/b, Posey 1999). Des Weiteren wird Literatur über die Anden verwendet, die einerseits die Besonderheiten andiner Landwirtschaft behandelt, andererseits speziell auf die Erhaltung von Nutzpflanzen eingeht (Brush 2000, Zimmerer 1996 und 2003). Die Arbeiten von PRATEC bilden eine weitere Untergruppe, da sie sich in ihrer Herangehensweise an die Thematik von der herkömmlichen Wissenschaft unterscheiden (Ishizawa 2004, Recknagel 2001, Rengifo 2000). Die Literatur zu Vicos umfasst aktuelle Berichte und Veröffentlichungen der Organisation Urpichallay sowie eine Reihe von Beiträgen über das Proyecto 3 Perú-Cornell , welche die Vergangenheit der Comunidad Campesina Vicos beleuchten (Dobyns et al. 1971, Lynch 1982, Stein 2000, Vázquez 1952). 3 Das Proyecto Perú-Cornell war ein von Anthropologen geleitetes Entwicklungshilfeprojekt in Vicos, welches in den 50er Jahren startete und mehr als zehn Jahre andauerte. 11 2 Allgemeiner Rahmen 2.1 Begriffsklärung: Sortenvielfalt und Erhaltung Biologische Vielfalt (auch Biodiversität) umfasst alle Formen des Lebens von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen, einschließlich ihrer Ökosysteme. Vielfalt existiert auf drei Ebenen: Vielfalt der Ökosysteme, der Arten und der Sorten (CBD 1992, Art. 2). Unter Nutzpflanzenvielfalt versteht man den pflanzlichen Teil biologischer Vielfalt, der in Ernährung und Landwirtschaft verwendet wird (Long et al. 2000: 1). Zu ihr zählen neben den domestizierten Pflanzenarten auch deren halbwilde und wilde Verwandten sowie nichtdomestizierte Pflanzenarten, beispielsweise die Heilpflanzen (Brush und Orlove 1996: 33940). Während die Artenanzahl der weltweit wichtigsten Nutzpflanzen vergleichsweise gering ist, ist die Vielfalt innerhalb der Arten oft sehr groß (FAO 1997: 14). In der botanischen Nomenklatur stehen die Arten über den Sorten. Arten entstehen unter besonderen geographischen und genetischen Prozessen, die sich über einen langen Zeitraum erstrecken, während Sorten durch einfache genetische Kreuzungen und menschliches Eingreifen in relativ kurzer Zeit entstehen können. Dieses Kreuzen ist für die Evolution einer Art und für ihre Anpassung an verschiedene Umweltbedingungen unbedingt notwendig. Je mehr Sorten innerhalb einer Art existieren, umso größer ist ihre genetische Vielfalt, während das Verschwinden von Sorten als erstes Anzeichen von Artensterben gesehen wird (Knodel 1980: 332). Deshalb ist für die Erhaltung von Nutzpflanzenvielfalt die Berücksichtigung der Sortenvielfalt am wichtigsten (Cromwell 1999: 6). Man unterscheidet zwischen verbesserten und lokalen Nutzpflanzensorten. Erstere sind das Produkt formeller, institutioneller und wissenschaftlicher Pflanzenzucht. Daher werden sie auch als Hochleistungssorten oder moderne Sorten bezeichnet. 4 4 Sie zeichnen sich in der Regel durch eine starke Derartige Bezeichnungen sind nicht unumstritten: „It certainly reflects a good deal of arrogance towards farmers to denominate new varieties as ‚improved’ varieties. Such a qualification should be the result of farmers’ evaluation and not an ex-ante assessment by international research stations themselves“ (Ploeg 1993: 225). 12 Ertragsleistung aus. Allerdings benötigen sie dafür gute Böden und größere Mengen an Düngemitteln. Zudem weisen sie einen hohen Grad genetischer Einheitlichkeit auf, der sie gegenüber Pflanzenkrankheiten und Schädlingen anfälliger werden lässt. Lokale Sorten (auch traditionelle Sorten 5 oder Bauernsorten) werden von Bauern gezüchtet und selektiert. Diese Sorten sind zwar weniger ertragreich, weisen jedoch einen hohen Grad an genetischer Vielfalt und dadurch eine höhere Resistenz gegenüber Schädlingen und Krankheiten auf (Long et al. 2000: 1-2). Lokale Sorten finden sich oft in marginalen Anbauzonen mit sehr heterogenen Umweltbedingungen, wo sie von traditionellen Kleinbauern in Subsistenzwirtschaft angebaut werden. Im Gegensatz zu verbesserten Sorten sind sie eher lokal angepasst und werden in Mischpopulationen angebaut (Brush und Orlove 1996: 340). Landwirtschaftliche Ökosysteme beruhen zu einem Großteil auf ‚fremden’ Arten. Die Verbreitung der weltweit wichtigsten Nutzpflanzen erfolgte weit über ihren Ursprungsort hinaus. Daher existiert im Bezug auf genetische Ressourcen eine große Abhängigkeit zwischen Ländern unterschiedlicher Regionen der Welt. Die globale Bedeutung lokaler Sorten liegt vor allem darin, dass sie als pflanzengenetische Ressourcen potenzielle Antworten (z.B. in Form von Resistenzen) auf heutige und zukünftige Herausforderungen der Welternährungssituation beinhalten (FAO 1997: 22-23). Klimawandel, Bevölkerungswachstum, Kulturwandel, die Ausdehnung der Marktwirtschaft sowie die zunehmende räumliche Integration haben jedoch mit der Intensivierung landwirtschaftlicher Strukturen zu einem Rückgang an Nutzpflanzenvielfalt geführt (Brush und Orlove 1996: 340). Erhaltung von Nutzpflanzenvielfalt kann auf zwei Arten erfolgen: 1. In situ (lat. vor Ort), z.B. in Hausgärten und Feldern 2. Ex situ (lat. außerhalb), z.B. in Genbanken oder Botanischen Gärten. 5 Die Bezeichnung von Sorten als traditionell darf nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass diese kontinuierliche Selektion und Evolution erfahren (Orlove/Brush 1996: 340). Die Bezeichnungen lokal, traditionell und indigen für bestimmte Bevölkerungen sowie die für sie typischen Vorstellungen, Praktiken und Anbauprodukten werden in der Literatur oft synonym verwendet, wobei sie jeweils einen bestimmten Aspekt, sei es den geographischen, den zeitlichen oder den ethnischen Aspekt hervorheben. 13 In-situ-Erhaltung wird in der CBD (1992, Art. 2) definiert als [...] the conservation of ecosystems and natural habitats and the maintenance and recovery of viable populations of species in their natural surroundings and, in the case of domesticated or cultivated species, in the surroundings where they have developed their distinctive properties. Während Ex-situ-Erhaltung es erlaubt, genetisches Material zugänglich und kontrolliert zu lagern, zeichnet sich In-situ-Erhaltung dadurch aus, dass sie ganze Ökosysteme mitsamt ihrer evolutionären Prozesse umfasst und dementsprechend nachhaltiger ist. Heute werden beide Konzepte als komplementär angesehen und vermehrte Aufmerksamkeit auch auf die Erforschung der Zusammenhänge in situ gerichtet (Maxted et al. 1997a: 31-33, Brush 1999: 7-8). Die im Rahmen dieser Arbeit behandelte In-situ-Erhaltung domestizierter und gezüchteter Arten wird von Maxted et al. (1997b: 340) als on-farm conservation genauer definiert: [...] the sustainable management of genetic diversity of locally developed traditional crop varieties, with associated wild and weedy species or forms, by farmers within traditional agricultural, horticultural or agri-silvicultural cultivation systems. Die Betonung liegt auf dem nachhaltigen Management genetischer Vielfalt durch Bauern in traditionellen Anbausystemen. Die hier angedeutete Beziehung zwischen Mensch und Natur nimmt in dieser Arbeit eine zentrale Rolle ein und wird im Folgenden näher beleuchtet. 2.2 Zusammenhang biologischer und kultureller Vielfalt Während sich biologische Vielfalt anhand der Unterteilung in Arten und deren Untergruppen noch vergleichsweise gut messen lässt, ist der Begriff ‚kulturelle Vielfalt’ schon aufgrund der Problematik einer allgemeingültigen Definition des Kulturbegriffs schwieriger zu fassen. Die Universal Declaration of Cultural Diversity der UNESCO aus dem Jahr 2002 definiert Kultur wie folgt: the set of distinctive spiritual, material, intellectual and emotional features of society or a social group, […] encompasses, in addition to art and literature, lifestyles, ways of living together, value systems, traditions and beliefs. 14 Diese Definition macht deutlich, dass Kultur als ein universaler Bestandteil menschlicher Gesellschaften gesehen werden kann, der aus interdependenten Teilbereichen besteht. Die semiotische Kulturdefinition bei Geertz (1987: 9) erweist sich als kohärenter. Er definiert Kultur als das „selbstgesponnene Bedeutungsgewebe“ des Menschen. Dieses kann als das Fundament verstanden werden, das den oben angeführten Komponenten zugrunde liegt und ihre Erklärung ermöglicht. Aus Mangel an operationalisierbaren Alternativen wird kulturelle Vielfalt oft anhand unterschiedlicher Sprachgruppen aufgezeigt. Diese Reduzierung ist zwar nicht unproblematisch, gibt jedoch einen klaren Hinweis auf die globalen Zusammenhänge zwischen kultureller und biologischer Vielfalt (vgl. Abb. 1). Abb. 1: Überschneidung biologischer und sprachlicher Vielfalt Quelle: UNESCO et al. 2003: 42-43. Betrachtet man die weltweite Verteilung sprachlicher und biologischer Vielfalt, lässt sich feststellen, dass die Zentren beider häufig zusammenfallen (siehe rote Markierung). So weisen Nord- und Mittelamerika, das Anden-AmazonasGebiet, Australien, Indien, China, Südostasien und Zentralafrika nicht nur eine überdurchschnittliche biologische Vielfalt auf (hier gemessen an der Zahl endemischer Wirbeltierarten), sondern verfügen zudem über eine sprachlich höchst heterogene Bevölkerungsstruktur. 15 Schon 1988 betonte die Internationale Gesellschaft für Ethnobiologie in ihrer Declaration of Belèm die Existenz eines „inextricable link“ zwischen biologischer und kultureller Vielfalt (ISE 1988). 1992 wurde dieser Gedanke in die Biodiversitätskonvention der Vereinten Nationen übernommen: Each Contracting Party shall, as far as possible and as appropriate: […] Subject to its national legislation, respect, preserve and maintain knowledge, innovations and practices of indigenous and local communities embodying traditional lifestyles relevant for the conservation and sustainable use of biological diversity, […] (CBD 1992, Art. 8j). Die genaue Ausgestaltung dieses Zusammenhangs ist allerdings umstritten. Neben der Unsicherheit darüber, welche Handlungen sich wie auf die Natur auswirken, bestehen auch Zweifel hinsichtlich einer bewussten Erhaltung der Natur von Seiten indigener und traditioneller Gruppen, wie sie der Begriff des 6 „ecologically noble savage“ impliziert. Verschiedene Autoren weisen jedoch darauf hin, dass die Konzepte der Erhaltung und Biodiversität, wie sie in Kapitel 2.1 erläutert wurden, in den Vorstellungen indigener Gruppen nicht existieren (Pierotti und Wildcat 1999: 192-199). Eine Diskussion über die bewusste oder unbewusste Förderung von Biodiversität verliert somit an Bedeutung (Posey 1999: 7). Als allgemein anerkannt gilt, dass Menschen ihre Umwelt stets in unterschiedlichem Maße mitgestaltet haben. Besonders kleinere Gruppen, welche über einen längeren Zeitraum ein bestimmtes Gebiet bewohnen, entwickeln ein spezielles Wissen über ihre lokale Umwelt und tendieren dazu, ihre natürlichen Ressourcen nachhaltig zu verwalten und zu nutzen. Dabei werden Landschaften nicht nur physisch durch den Menschen beeinflusst, sondern auch durch die sprachliche Darstellung in Worten, Ausdrücken, Legenden und Liedern, etc. Denn diese enthalten das Wissen, welches die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt definiert (Maffi 2000: 11-12). Um den Zusammenhang von kultureller und biologischer Vielfalt zu verstehen, ist es wichtig das „lokale Wissen“ näher zu beleuchten. Die Fülle an alternativen bzw. verwandten Bezeichnungen weist bereits auf die verschiedenen Aspekte 6 Dieser Begriff wurde durch Redford (1991) geprägt und danach von weiteren Autoren übernommen. 16 7 und Einschätzungen dieses Wissens hin. Zu den wesentlichen Merkmalen lokalen Wissens zählen seine Entstehung aus Beobachtungen und Experimenten des praktischen Lebens, seine Verankerung in bestimmten geographischen und kulturellen Kontexten und seine ganzheitliche Orientierung nach holistischen Prinzipien. Inhaltlich umfasst es sowohl Sachkenntnisse als auch Fähigkeiten, die oft unbewusst wahrgenommen und nur teilweise verbalisiert werden (Antweiler 1995: 28-29). Im Zusammenhang mit biologischer Vielfalt findet man in der Literatur häufig den Begriff „traditional ecological knowledge“ (TEK). Unter ihm versteht man das Wissen und die Vorstellungen über die Beziehungen der Lebewesen untereinander und mit ihrer Umwelt, wie sie über Generationen innerhalb einer Kultur entwickelt und weitergegeben wurden (Berkes 1993: 3). TEK umfasst somit einen bedeutenden Teil lokalen Wissens, der im Zusammenhang biologischer Vielfalt relevant ist. Das TEK basiert auf symbolischen Bedeutungen, die in oraler Tradition, Ortsnamen und spirituellen Beziehungen gespeichert sind, einer eigenen Kosmologie und den auf Reziprozität und Verpflichtung beruhenden Beziehungen zwischen allen Mitgliedern einer Gemeinschaft (Berkes 1993: 5). Lokales Wissen wird oft im Gegensatz zur westlichen Wissenschaft betrachtet. Dies liegt zum einen an dem dominanten und häufig ignoranten Auftreten der westlichen Vertreter wissenschaftlichen Wissens von der frühen Kolonialisierung bis zur heutigen Entwicklungszusammenarbeit (Hobart 1993: 2). Zum anderen lässt sich lokales Wissen nicht ohne weiteres in wissenschaftliches Wissen übertragen. Schon bei der sprachlichen Übersetzung lokaler Wissensinhalte kann ein Teil ihrer Bedeutung verloren gehen (Maffi 2000: 6). Diverse Fallstudien haben gezeigt, dass ein Biodiversitätsverlust häufig dort auftritt, wo die Übertragung von Wissen zwischen den Generationen unterbrochen wird und die Kontexte abnehmen, in denen dieses Wissen gebraucht wird (Maffi 2000; vgl. auch Kap. 3.1 und 6.2 dieser Arbeit). 7 Einen Überblick über Begriffe und Inhalte bietet Antweiler 1995: 24-25. 17 Es sollte deutlich geworden sein, dass die Beziehung zwischen biologischer und kultureller Vielfalt durch den lokalen Zusammenhang von Mensch und Natur geprägt ist und speziell im lokalen Wissen ihren Ausdruck findet. Daher werden im Folgenden die natürlichen und kulturellen Besonderheiten der Andenregion sowie die Comunidad Campesina Vicos vorgestellt, die im Zentrum der Untersuchung stehen. 2.3 Untersuchungsraum 2.3.1 Merkmale agrobiologischer und kultureller Vielfalt in den Anden 8 Die Zentralanden erstrecken sich über weite Teile Perus, Ecuadors und Boliviens. Als Kulturraum sind sie keinesfalls auf die physische Gebirgseinheit der Anden beschränkt, sondern beziehen auch Küsten- und Tieflandregionen mit ein, die schon seit Jahrtausenden in regem Austausch mit dem Hochland stehen (Gade 1999: 33-34). Heute beherbergen die Zentralanden ca. 25 Millionen Menschen (Salman und Zoomers 2003: 3). Mehr als 3 Millionen Menschen in Peru gehören der Sprachgruppe der Quechua an. Ca. 56% von ihnen werden dem ländlichen Raum zugerechnet (INEI 1993). Sie bilden den größeren Teil der Bevölkerung 9 der 5168 comunidades campesinas , die in Peru 37% der landwirtschaftlichen Nutzfläche – größtenteils Weideland – besitzen (INEI 1994). Ökologisch weisen die Anden hohe Variationen von Klima, Böden, Flora, Fauna und Relief auf, die eng mit den teilweise beträchtlichen Höhenunterschieden zusammenhängen (Brack-Egg 1989: 25-44). Nach Pulgar Vidal (1967) werden in Peru acht natürliche Regionen von der Küste (chala) über die Gebirgsstufen 8 9 Die hier aufgeführten ökologischen und kulturellen Besonderheiten entstammen überwiegend aus Literatur zu den peruanischen Anden, lassen sich jedoch auch in den benachbarten Andenländern aufzeigen. Die comunidad campesina bezeichnet einen Zusammenschluss verschiedener Produktionszonen sowie die lokale Bevölkerung, die diese Zonen gemeinschaftlich nutzt. Die Kontrolle und die Koordination von Ressourcen und Arbeitskraft erfolgt durch die Autoritäten der comunidad. (Mayer und Fonseca 1988: 10). Aufgrund von Unterschieden in der legalen Anerkennung der comunidades campesinas liegt ihre tatsächliche Zahl noch höher als angegeben. 18 (yunga, quechua, suni, puna und janca) bis zum Regenwald (rupa rupa und omagua) unterschieden. Die Ausgestaltung und Benennung der Stufen variiert auf lokaler Ebene und wird für Vicos in Kapitel 2.3.2 beschrieben. Peru gehört zu den 17 Ländern, die weltweit über die größte Artenvielfalt (mega-diversity) verfügen (UNESCO 2003: 16-17, vgl. auch Abb. 1). 1005 der 3104 lokalen Nutzpflanzenarten Perus sind Kulturpflanzen (Salas 1996: 15), die teilweise schon seit mehreren Jahrtausenden angebaut werden. Archäologische Funde von Pflanzenresten weisen die Anden als eine Wiege der Landwirtschaft aus. Zu den ältesten Funden kultivierter Nutzpflanzen gehören Reste von ají (capsicum chinense) und Bohnen (phaseolus vulgaris), die aus der Cueva de Guitarrero in Peru stammen und auf ca. 8000 v. Chr. datiert werden (Smith 1980: 110). Tab. 1 zeigt eine Auswahl der Nutzpflanzen, die aus der Andenregion stammen und auch in der untersuchten comunidad Vicos angebaut werden. Die Kartoffel ist sowohl die vielfältigste als auch die bekannteste unter ihnen. In den Anden findet man mindestens acht verschieden Kartoffelarten, die sich mit einer Ausnahme von der in Europa verbreiteten Art unterscheiden (National Research Council 1989: 96). Die weitaus größere Vielfalt findet sich allerdings auf der Sortenebene: ca. 3800 Kartoffelsorten allein aus der Andenregion sind 10 beim Centro Internacional de la Papa (CIP) in Lima registriert. 10 11 11 http://www.cipotato.org/potato/potato.htm (gesehen am 20.11.05). Zum Vergleich: Beim Bundessortenamt in Deutschland sind derzeit 210 Kartoffelsorten registriert (http://www.bundessortenamt.de/internet20/Sorteninformation/Kartoffeln/Files/ Kartoffeln.pdf, gesehen am 20.11.05). 19 Tab. 1: Vielfalt ausgewählter andiner Nutzpflanzen im Überblick Anzahl der Sorten in Nutzpflanzengruppe/-arten Knollenfrüchte Wurzeln Getreide Hülsenfrüchte wissenschaftliche Bezeichnung Perua Vicosb 5000 109 Kartoffel Solanum sp. Oca Oxalis tuberosa 610 49 Mashua Tropaeolum tuberosum 107 12 Olluco Ullucus tuberosus 118 19 Yacón Polymnia sonchifolia k. A 3 Racacha Arracaia xanthorriza k. A 2 Achira Canna edulis k. A k. A. Maisc Zea mays k. A 26 Quinoa Chenopodium quinoa 1500 6 Kiwicha Amaranthus caudatus 570 5 Frijol Phaseolus vulgaris k. A 30 Tarwi Lupinus mutabilis 1500 k. A. a Die Angaben beziehen sich auf die jeweils größte Sammlung von fünf peruanischen Saatgutbanken. Die Angaben beruhen auf bäuerlichen Unterscheidungen, eine gentechnische Klassifizierung könnte möglicherweise eine geringere Sortenzahl ergeben. c Mais stammt zwar vermutlich aus Mesoamerika, entwickelte aber schon in vorspanischer Zeit eine hohe andenspezifische Vielfalt (Zimmerer 1996: 32). b Quellen: National Research Council 1989, Urpichallay 1999: 78, Valladolid 2001: 79. Schon lange vor Ankunft der Spanier bildete sich eine andine Kultur heraus, die in vielen Elementen bis heute lebendig ist. Die für diese Arbeit wichtigsten Merkmale der andinen Kultur sollen an dieser Stelle erläutert werden. Im Mittelpunkt steht die Landwirtschaft. Typisch für die andine Landwirtschaft ist ihre Vertikalität, d.h. die Bewirtschaftung unterschiedlicher Höhenstufen. Angestrebt wird eine größtmögliche Nutzung der vorhandenen ökologischen Vielfalt, welche eine relative Selbstversorgung ermöglicht und Subsistenzrisiken verringert (Gade 1999: 36). Die Organisation des menschlichen Zusammenlebens wird durch das ayllu geprägt. Es bezeichnet eine kollektive Einheit von Menschen, die durch Verwandtschaftsbeziehungen, Rituale und Feste sowie Subsistenzwirtschaft 20 und soziale Tauschbeziehungen miteinander verbunden sind. Das ayllu hat seinen Ursprung in vorspanischer Zeit und definierte sich als Verwandtschaftsgruppe mit einem gemeinsamen Vorfahren. In seiner sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Bedeutung ist es bis heute, wenn auch in veränderter Form, in den comunidades campesinas erhalten geblieben (Estermann 1998: 203-204). Die kollektive Landwirtschaft erfolgt nach dem Prinzip der Reziprozität. Dieses drückt sich etwa in den traditionellen Arbeitstauschregelungen, die als Entlohnung die Erwiderung gleicher Arbeitsleistungen bzw. die Abgabe eines Teils der Ernte vorsehen (Estermann 1998: 205). Das Prinzip der Reziprozität durchzieht den gesamten Lebensbereich in den Anden und prägt auch die Beziehungen zwischen Mensch, Natur und Gottheiten. Zu letzteren zählen vor allem die Pachamama (Mutter Erde) und die apus (Schutzgötter der Berge). Vor diesem Hintergrund wird der Begriff des ayllu auf die drei Einheiten Mensch, Natur und Gottheiten ausgeweitet (Rengifo 2001a: 57). Die Grundlage hierfür ist ein holistisches Weltverständnis, nach welchem sich alle Begebenheiten aus der Beziehung zwischen Mensch, Natur und Gottheit ergeben. Die Wahrnehmung räumlicher Einheiten basiert in den Anden auf den Prinzipien der Korrespondenz und der Komplementarität. Korrespondenz beinhaltet qualitative, symbolische, rituelle und emotionale Beziehungen zwischen Elementen des Himmels (z.B. Sonne, Mond, Nacht, Tag) und der Erde (z.B. Frau, Mann, Pflanzen, Boden, Mutter Erde, Berge). Die Komplementarität resultiert aus der Zusammengehörigkeit des Femininen und des Maskulinen. Beide lassen sich als Attribute in sämtlichen räumlichen Elementen wieder finden (Mann-Frau, Sonne-Mond, Pflanzen-Boden). Ihre Vereinigung ist auch Bestandteil vieler ritueller Zeremonien (Estermann 1998: 155-165). Es ist notwendig, diese Auffassung vom Leben zu verstehen, da sie sehr großen Einfluss auf tägliche Handlungen und damit auch auf den Umgang mit der Natur hat und damit eben auch auf Vielfalt bzw. die Erhaltung von Vielfalt. Man darf die Anden allerdings nicht als einen homogenen Raum verstehen. Die Bezeichnung ‚andin’ wurde von außen auferlegt, während Bauern sich 21 tendenziell eher mit ihrem Dorf bzw. ayllu identifizieren (Salman und Zoomers 2003: 7). Die Ausgestaltung von Vertikalität und Reziprozität kann daher ebenso lokalen Variationen unterliegen, wie beispielsweise traditionelle Kleidung oder Feste. Ebenso wenig handelt es sich bei andinen Gesellschaften um statische Gesellschaften. So werden in der Landwirtschaft neben traditionellen Strategien auch westliche Konzepte aus Wirtschaft, Technologie und Bildung einbezogen (vgl. Kap. 6). 2.3.2 Comunidad Campesina Vicos Die Comunidad Campesina Vicos liegt im Callejón de Huaylas, dem Tal des Río Santa auf der Seite der östlichen Andenkette Cordillera Blanca. Politisch betrachtet gehört sie zum Distrikt Marcará der Provinz Carhuaz im Department Ancash. Abb. 2: Lage der Comunidad Campesina Vicos Corongo Macata Huaylas Santa Peru Huallanca Pomabamba Caraz Chimbote Yungay Carhuaz Marcará Casma Vicos Huari Huaráz Chavín ifis Lima Chiquian r che n n ea Oz ea Oz r he isc zif Pa Paz Recuay Paramonga Pativilca Quelle: nach Alers 1965: 7. Barranca 22 Im Jahr 1998 hatte Vicos 4080 Einwohner, die 680 Familien angehörten (Ministerio de Agricultura in Urpichallay 1999: 17). Die comunidad gliedert sich 12 in zehn Sektoren , von denen fünf den Status des caserío tragen. Es gibt eine gemeinsame politische Direktive (junta directiva), die von der Vollversammlung der comuneros 13 alle zwei Jahre gewählt wird. Sie vertritt die comunidad nach außen und ist unter anderem für die Verwaltung der Thermalbäder von Chancos und der Eukalyptusplantagen zuständig (Instituto de Montaña und Urpichallay 2002: 35). Zudem verfügt jeder Sektor über traditionelle Autoritäten (varayoq), die nach dem Rotationsprinzip ernannt werden. Sie sind vor allem für die Organisation gemeinschaftlicher Arbeiten und religiöser Feste zuständig 14 (Casa de los Abuelos, Vicos ). Die comunidad erstreckt sich über 18759 ha zwischen 2900 m und 5000 m. Knapp 12% lassen sich für überwiegend bewässerten Ackerbau nutzen, die restliche Fläche besteht neben natürlichem Weideland zum größten Teil aus Wald- und Gebirgszonen (Ministerio de Agricultura 1998 in Urpichallay 1999: 17). Die Landschaft ist geprägt von Bächen, Schluchten und Hügeln. Häuser verteilen sich im unteren und mittleren Teil der comunidad Siedlungsdichte in der Nähe zu 15 , wobei die Schulen, Trinkwasser und medizinischer Versorgung am größten ist (Urpichallay 1999: 12-15). Den obersten Teil der comunidad bildet die Quebrada Honda, eine lang gezogene Gebirgsschlucht, die bis zu den Gletschern der Cordillera Blanca reicht. Die landwirtschaftliche Nutzung dieser Zone erfolgt im Einvernehmen mit dem Parque Nacional del Huascarán, dem die Quebrada Honda seit seiner Gründung 1975 angehört (Urpichallay 1999: 11-15; Instituto de Montaña und Urpichallay 2002: 34-35). 12 13 14 15 Die Sektoren sind Cachipachán, Vicospachán, Cullwash, Wiyash, Tambo, Puncocorral, Paltash, Ucushpampa, Ullmay und Corioshco. Eingetragenes Mitglied der comunidad, üblicherweise das Familienoberhaupt. Das Casa de los Abuelos ist ein Informationszentrum für Besucher der comunidad, welches auf Wandtafeln Geschichte, Organisation und Lebensweisen der Vicosinos erläutert. Die Einteilung in unteren und mittleren Teil der comunidad deckt sich in etwa mit den ersten beiden Anbaustufen in Abb. 3. 23 Die Bewohner von Vicos sind fast ohne Ausnahme in der Landwirtschaft tätig. 16 Sie bauen in erster Linie für die Subsistenz an und bieten ihre Produkte teilweise auch auf lokalen Märkten an. Zusätzliche Einnahmen bringen Tierzucht und saisonale Arbeitsmigration in die Städte. Kleinbesitz dominiert, wobei die Besitzverhältnisse je nach Familie recht unterschiedlich ausfallen können. So ist in der Provinz Carhuaz Landbesitz von 0,5 bis 9,9 ha üblich, wobei sich dieser auf eine Vielzahl einzelner Felder verteilen kann (Urpichallay 1999: 16-18). Die Landverwaltung ist sowohl privat als auch gemeinschaftlich organisiert. Ein Teil der landwirtschaftlichen Anbaufläche wird von den Mitgliedern eines Sektors gemeinschaftlich bewirtschaftet. Darüber hinaus bekommt jeder comunero von seinem Sektor Parzellen in den verschiedenen Anbaustufen zugewiesen, die er mit seiner Familie bewirtschaftet. Über die Zulassung neuer comuneros entscheidet die junta directiva. Aus Gründen des zunehmenden Bevölkerungsdrucks und Landmangels kann die comunidad heute allerdings nur noch in begrenztem Maße neue comuneros aufnehmen (persönliche Mitteilung Urpichallay). Die Regenzeit (tamia tiempo) dauert in der Regel von Oktober bis März, relative Trockenheit herrscht dagegen von April bis September (usia tiempo). Während im unteren Teil der comunidad der Niederschlag im Jahresdurchschnitt bei 259 mm liegt, sind es im oberen Teil 900 mm. Ebenso variieren die jährlichen Durchschnittstemperaturen mit 14°C unten und 5°C oben (Urpichallay 1999: 1415). Aus der Verbindung von ökologischen Bedingungen und menschlichen Nutzungsmustern ergeben sich für Vicos die in Abb. 2 dargestellten agroökologischen Stufen. Der landwirtschaftliche Anbau von Nutzpflanzen erfolgt in der Quebrada Honda bis zu einer Höhe von 4000 m. Angrenzend befinden sich weite Flächen natürlichen Weidelands. 16 Einige wenige besitzen Restaurants in Chancos oder arbeiten hauptberuflich in Huaraz. 24 Abb. 3: Anbauprodukte in Vicos nach Höhenstufe Gebirgs- und Gletscherzone natürliches Weideland Anbau lokaler Knollenfrüchte Kartoffel-, Mais- und Getreideanbau bewässerter Maisund Kartoffelanbau Quelle: Urpichallay 1999: 37-38 (eigene Übersetzung). Die Herkunft der Ortsbezeichnung Vicos ist nicht geklärt. Es wird vermutet, dass sie vom Quechuawort für Wind (wicus) abgeleitet wurde (Instituto de Montaña und Urpichallay 2002: 34). Bekannt ist, dass Vicos zu einer Region gehört, deren Bewohner schon früh Tiere und Pflanzen domestizierten. Funde von Steinartifakten in der Quebrada Honda (Quishqui Puncu) zeigen eine direkte Verbindung zur bereits erwähnten Cueva de Guitarrero auf (Lynch 1980: 176). Die weiteren Entwicklungen wurden im Wesentlichen durch die nachfolgenden Kulturen von Chavín, Recuay, Huari, lokale Stämme der Huaylas und die Inka beeinflusst (Casa de los Abuelos). Von der Kolonialzeit bis weit ins 20. Jahrhundert war Vicos als Hazienda im Besitz der Beneficiencia Pública de Lima bzw. ab 1928 der Beneficiencia 17 Pública de Huaraz. Land und Bewohner wurden für mehrere Jahre jeweils an den meistbietenden patrón verpachtet und nach feudalem Vorbild ausgebeutet (Vázquez 1952: 34-37). 17 Gemeinnützige Gesellschaften zur Förderung öffentlicher Einrichtungen wie Krankenhäuser, etc. 25 Dies änderte sich, als Vicos 1951 zum Mittelpunkt eines der ersten Entwicklungsprojekte Lateinamerikas wurde. Im Rahmen des Proyecto PerúCornell pachteten Anthropologen der amerikanischen Universität Cornell sowie Wissenschaftler des Instituto Indigenista Peruano die Hazienda Vicos für zunächst fünf Jahre. Ziel war es, die als rückständig eingestufte Bevölkerung nach modernem Vorbild zu entwickeln, während man den Prozess kulturellen Wandels von innen heraus erforschte. Veränderungen wurden in drei zentralen Bereichen angestrebt: Wirtschaft und Technologie, Bildung sowie Ernährung und Gesundheit. 18 Als einer der größten Erfolge des Projektes wurde das Kartoffelsaatgutprogramm gewertet, welches durch die Einführung neuer Sorten, Techniken sowie Dünger und Pflanzenschutzmittel nicht nur zu stark erhöhten Ernteerträgen führte, sondern auch die Bildung von Kapital ermöglichte, mit dem es den Vicosinos 1968 noch vor der Durchführung der peruanischen Landreform gelang, den Haziendabesitzern ihr Land abzukaufen (Lynch 1982: 31). Auch in den Bereichen Ernährung, Gesundheit und Alphabetisierung konnten Verbesserungen erreicht werden. Negative Folgen waren dagegen die Vergrößerung sozio-ökonomischer Unterschiede, die Schwächung der Stellung der Frau in der Gesellschaft, der sinkende Einfluß älterer Generationen als Entscheidungsträger und Vermittler gemeinschaftlicher Tradionen und Werte sowie der Rückgang biologischer Vielfalt (Lynch 1982: 93-96). Die aktuelle Situation wird durch eine Reihe verschiedener Faktoren bestimmt. In der Landwirtschaft Ernterückgängen. Der führen Rückgang Verschmutzung der Gletscher und Klimawandel ermöglicht zwar zu eine Ausdehnung der Anbauflächen, gleichzeitig bedeutet er allerdings eine Bedrohung der langfristigen Wasserversorgung. Unsicherheiten entstehen auch aus den zunehmenden Parzellierungsbestrebungen durch den Wunsch nach individuellem Eigentum. Jugendliche finden schwer Arbeit und die ältere Generation beklagt immer öfter den Verlust an Respekt gegenüber Althergebrachtem. Beeinflusst werden die Entwicklungen in der comunidad 18 Siehe Dobyns et al. 1971 und Holmberg 1966 als Beschreibungen von beteiligten Forschern sowie Lynch 1982 und Stein 2001 als Bewertungen Außenstehender. 26 durch nationale und regionale Politik sowie von Seiten der Wirtschaft durch Markt und Bergbauaktivitäten Nichtregierungsorganisationen der zählen Minen. Zu den in Urpichallay und das Vicos tätigen Instituto de Montaña. Urpichallay engagiert sich vorrangig in den Bereichen Bildung und Landwirtschaft für die Stärkung lokaler Vorstellungen und Praktiken. Das Instituto de Montaña arbeitet für den Schutz der Ökosysteme in Bergregionen unter Einbindung der lokalen Bevölkerung sowie weiterer regionaler, nationaler und internationaler Akteure. 19 Durch seine Vergangenheit stellt Vicos einen besonders interessanten Untersuchungsraum dar. Obwohl es mehr als zehn Jahre im Mittelpunkt eines groß angelegten Modernisierungsprojektes stand, welches traditionelle Praktiken als entwicklungshemmend ansah, werden viele dieser Praktiken bis heute ausgeübt. Dazu zählt auch der Anbau vielfältiger lokaler Kartoffelsorten. 19 Gespräch mit Florencia Zapata (Instituto de Montaña) und Beatriz Rojas (Urpichallay), 01.06.05. 27 3 Einflussfaktoren und Projektstrategien für die Erhaltung von Nutzpflanzenvielfalt 3.1 Einflussfaktoren auf Nutzpflanzenvielfalt In diesem Kapitel werden die direkten und indirekten Einflussfaktoren dargestellt, die entscheidend für die Erhaltung von Nutzpflanzenvielfalt sind. Wie aus Abb. 4 ersichtlich wird, ergibt sich die Nutzpflanzenvielfalt aus einem komplexen System unterschiedlicher Einflüsse. Abb. 4: Einflussfaktoren auf Nutzpflanzenvielfalt Sozioökonomische und kulturelle Faktoren Ökologische und biologische Faktoren Bauern entscheiden über Saatgutquelle Herkunft Herkunft Erwerbsart Saatgutmanagement management Selektion Selektion Lagerung Sortenwahl Sortenwahl agroökologische Eigenschaften Nutzung anbaupraktische Eigenschaften Anbau Anbau Praktiken Praktiken Anbauort Anbauort PopulationsPopulationsgröße größe Nutzpflanzenvielfalt Quelle: Eigene Darstellung nach Bellon et al. 1997, Jarvis und Hodgkin 1999, Smale und Bellon 1999. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Entscheidungen der Bauern hinsichtlich Saatgutquelle, Sortenwahl und Anbau. Die Saatgutquelle beschreibt zunächst, ob das Saatgut aus eigenem Anbau oder von außen bezogen wird. Wird das Saatgut aus dem eigenem Anbau bezogen, so erfolgt der Einfluss auf die Nutzpflanzenvielfalt besonders über Saatgutselektion und Lagerungstechniken. Bei der Selektion wird darüber entschieden, welche Sorten weiter angebaut werden. Je nach Selektionskriterien können bestimmte Sorten anderen vorgezogen werden. 28 Lagerungstechniken wirken sich auf die Qualität des Saatguts und damit auch auf die Überlebensfähigkeit von Sorten aus (Bellon et al. 1997: 276-277). Zum Erwerb neuer oder verlorener Sorten von außen verfügen Bauern über verschiedene Optionen, die sich je nach Herkunft und Erwerbsart unterscheiden. So kann das Saatgut beispielsweise aus dem eigenen Dorf, der eigenen oder einer anderen Region stammen. Erworben wird es in der Regel durch Tausch, Kauf oder als Geschenk von anderen Bauern, kommerziellen Anbietern, Regierungs- oder NGO-Projekten (Bellon et al. 1997: 271). Mit der Saatgutquelle wählt ein Bauer immer auch die potentielle Nutzpflanzenvielfalt, die ihm für den Anbau zur Verfügung steht. Beispielsweise findet man auf Märkten tendenziell eher verbesserte und wenige lokale Nutzpflanzensorten, auf den Feldern der Bauern dagegen eine Vielzahl lokaler Sorten. Sortenwahl bezieht sich auf die Entscheidung eine Sorte zu behalten, neu hinzuzufügen oder wegzulassen. Die Auswahlkriterien lassen sich dabei in drei Gruppen unterteilen. Die agroökologischen Merkmale einer Sorte beschreiben ihr Wachstum unter bestimmten agroökologischen Bedingungen (z.B. unter extremen Klima- oder Bodenbedingungen). Anbaupraktische Merkmale beziehen sich dagegen auf das Wachstum in Abhängigkeit zu bestimmten Techniken, wie Düngen, Jäten oder Mischanbau. Ausschlaggebend für die Wahl einer Sorte sind immer auch nutzungsbezogene Merkmale wie Geschmack, Textur und Ertrag (Bellon et al. 1997: 272-273). Das jeweilige Wissen über die relevanten Eigenschaften einer Sorte eignen sich Bauern durch Experiment, Beobachtung und Informationsaustausch an (Bellon et al. 1997: 275). Ihre agromorphologischen Klassifizierungssysteme 20 beruhen dabei meist auf Eigenschaften von Sorten wie etwa Farbe, Höhe und Form (Jarvis und Hodgkin 1999: 270). Auch im Hinblick auf den Anbau von Nutzpflanzen lassen sich verschiedene Aspekte hervorheben, die dazu beitragen können, Vielfalt zu fördern oder zu verringern. Zu ihnen zählen zum einen Anbaupraktiken wie Landbereitung, Aussaat, Jäten, Düngen, Pflanzenschutz, Bewässerung und Ernte. Zum anderen spielt auch die Wahl des Anbauorts eine Rolle, da der Bauer seine 20 D.h. die äußere Form der Nutzpflanze betreffend. 29 Nutzpflanzen auf diese Weise der natürlichen Selektion durch eine spezifische 21 Mikroumwelt aussetzt. Von der Größe der Anbaupopulation hängt ab, wie sich ihre genetische Vielfalt mit der Zeit entwickelt. Je kleiner eine Population und damit ihre genetische Vielfalt ist, desto gefährdeter ist ihr dauerhafter Bestand (Jarvis und Hodgkin 1999: 271-272). Alle diese Entscheidungen der Bauern erfolgen stets unter bestimmten sozioökonomischen und kulturellen Rahmenbedingungen, die so indirekt ebenfalls Einfluss auf die Nutzpflanzenvielfalt nehmen. Ökologische und biologische Faktoren beeinflussen sowohl das bäuerliche Handeln als auch die Nutzpflanzenvielfalt direkt. Folgende Ebenen und Faktoren indirekten Einflusses lassen sich unterscheiden (Smale und Bellon 1999: 389): Individuelle Ebene (Alter, Geschlecht, Bildung, Wissen) Haushaltsebene (Vermögen, sozioökonomischer Status, Zugang zu Land, Arbeitskraft, Kapital) Institutionen (Arbeitstauschregelungen, Landbesitz, soziale Pflichten, ethnische Identität) Regionale/nationale Ebene (Infrastruktur, Marktentwicklung, Regierungspolitik) Biophysische Ebene (Klima, Boden, Topographie) Durch die Komplexität der Einflüsse auf Nutzpflanzenvielfalt lässt sich die spezifische Wirkung einzelner Faktoren nur schwer bestimmen. Im Rahmen dieser Arbeit können ökologische und biologische Prozesse nur am Rande erwähnt werden. Agroökosysteme mit hoher Vielfalt weisen im Allgemeinen eine lange Kontinuität landwirtschaftlicher Praxis, einen hohen Anteil an Nicht- Anbauflächen und eine Vielfalt landschaftlicher Elemente mit jeweils eigener Fauna und Flora auf. Traditionell beinhalten sie verschiedene Produktionselemente mit unterschiedlichen Funktionen, z.B. Felder und Hausgärten. Der Anbau selbst erfolgt typischerweise unter Einbeziehung 21 Eine Population ist eine Gruppe von Individuen, die auf Grund ihrer Entstehungsprozesse miteinander verbunden sind und in einem einheitlichen Areal zu finden sind (Knodel 1980: 334). 30 längerer Brachphasen, geringer Nutzung von Pestiziden sowie mäßigem Einsatz von Düngemitteln (Edwards et al. 1999: 197-200). Weitere biodiversitätsfördernde Anbaupraktiken sind der Mischanbau verschiedener Arten und Sorten, Rotation und Brache, Mulchen 22 sowie organische Düngemittel (Thurston et al. 1999: 218-219). Nutzpflanzenvielfalt wird besonders in Regionen begünstigt, die über eine heterogene Umwelt mit Höhenvariationen und vielfältigen Böden und Vegetationen verfügen. Diese Regionen gelten kulturell und wirtschaftlich meist als autonom, was unter anderem in der Dominanz lokaler Sprachen und relativer Selbstversorgung Ausdruck findet (Brush 1999: 13-14). Insgesamt lässt sich in der Welt jedoch ein Trend der Integration individueller Sozial- und Produktionssysteme in ein globales System des ökonomischen, kulturellen und technologischen Austauschs feststellen. Was andernorts als Entwicklungserfolg Nutzpflanzenvielfalt gefeiert bei, wird, wie trägt ebenso zum Bevölkerungswachstum Verlust und von moderne Technologien (Brush 1999: 6). So ist einer der Faktoren, die maßgeblich zum Rückgang an Nutzpflanzenvielfalt beigetragen haben, die Intensivierung der Landwirtschaft 23 infolge von Marktausdehnung und zunehmender Spezialisierung auf bestimmte Arten und Sorten. Diese hat wesentlich weiter reichende Folgen als etwa eine Intensivierung infolge lokaler Landknappheit. Der Wandel von einer Subsistenzwirtschaft zu einer Marktwirtschaft bedeutet, dass nicht mehr alle Bedürfnisse durch die eigene Produktion abgedeckt werden müssen. Die Spezialisierung ergibt sich aus den relativen Standortvorteilen, die von den Eigenschaften des Agroökosystems abhängen. Eine Vielfalt an Mikroumwelten kann dabei von Nachteil sein, was dazu führt, dass diese verlassen oder durch Maßnahmen der Landverbesserung stark homogenisiert werden (Edwards et al. 1999: 203). 22 23 Beim Mulchen wird der offene Boden zwischen den Pflanzen mit organischem Material bedeckt. Gesteigerter Einsatz natürlicher Ressourcen wie Licht, Wasser, Nährstoffe und Boden zur Nahrungsmittelproduktion. 31 Die Intensivierung der Landwirtschaft ist häufig verbunden mit einem schnellen Wandel landwirtschaftlicher Praktiken, welche die Existenzgrundlage vieler Arten nachhaltig verändern. The process of adjustment to new conditions has only recently begun and the numbers of species which have disappeared because they were unable to adapt to the new conditions far exceeds those which have been able to colonize the new agricultural landscape or to adapt to it by evolution. (Edwards et al. 1999: 197). 3.2 Projektstrategien zur In-situ-Erhaltung Auf internationaler Ebene hat besonders das International Plant Genetic Resource Institute (IPGRI) die Entwicklung von In-situ-Projekten vorangetrieben. Anhand verschiedener Strategien soll dem Verlust genetischer Vielfalt bei Nutzpflanzen entgegengewirkt werden. Die jeweiligen Maßnahmen basieren sowohl auf der Schaffung positiver Anreize zur Erhaltung lokaler Nutzpflanzenvielfalt als auch auf dem Abbau negativer Anreize, welche die Aufgabe lokaler Sorten begünstigen. Dabei betreffen Anreize entweder direkt die Nutzung und Erhaltung von Vielfalt durch bestimmte Interessengruppen oder wirken indirekt durch die Veränderung des agroökologischen und sozioökonomischen Umfelds (Weiskopf et al. 2002: 584-586). Im Folgenden sollen einige Strategien und Maßnahmen kurz dargestellt werden, die das Ziel haben, den Wert lokaler Sorten bei Produzenten und Nutzern zu steigern, um so zu ihrer Erhaltung beizutragen. Eine Strategie ist die Erschließung neuer Märkte für lokale Nutzpflanzen. Entsprechende Maßnahmen sind die Verbesserung von Lagerung und Transport der Produkte sowie die Einführung spezieller Zertifizierungssysteme und Gütesiegel. Darüber hinaus wird der Verkauf lokaler Sorten als genetische Ressource über Rechtsmechanismen wie contracting oder geistige Eigentumsrechte diskutiert. Allerdings sind hier die potenzielle Nachfrage nach genetischem Material durch einen weitgehend offenen Austausch, Serviceleistungen öffentlicher Sammlungen und eigene Bezugsquellen der Unternehmen eher begrenzt (Brush 1999: 17-20). 32 Neben diesen marktbezogenen Maßnahmen gibt es nicht-marktbezogene Ansätze zur Wertsteigerung lokaler Nutzpflanzenvielfalt. Dazu zählen Bildungsund Förderkampagnen, die beispielsweise über Vorteile kultureller Praktiken informieren. Ein häufig in diesem Zusammenhang angeführtes Beispiel sind die so genannten diversity fairs, Veranstaltungen zur Prämierung der Bauern mit der meisten Vielfalt, die den Austausch von Saatgut und Informationen anregen. Hier steht weniger der ökonomische Wert lokaler Nutzpflanzenvielfalt im Vordergrund, sondern vielmehr das mit ihr verbundene soziale Prestige (Brush 1999: 20). Eine weitere Strategie zielt auf die Einbindung und Verbesserung lokaler Sorten in eine formalisierte Kooperation zwischen Bauer und Züchter (partizipative Pflanzenzucht). Diese Kooperation umfasst Bedarfsfestlegung, Selektion und Auswertung der Sorten und stellt eine Alternative zu konventionellen Pflanzenzuchtansätzen dar. Da die Aufwertung lokaler Sorten hier über eine Ertragssteigerung erfolgen soll, werden leistungsstarke Sorten bevorzugt. Dies kann letztlich insgesamt zu einem Rückgang genetischer Vielfalt führen (Brush 1999: 20-21). 3.3 Alternativansatz PRATEC Das Proyecto Andino de Tecnologías Campesinas, kurz PRATEC, entstand Mitte der achtziger Jahre in Peru. Seine Begründer Grimaldo Rengifo, Eduardo Grillo und Julio Valladolid stammen aus bäuerlichem Hintergrund und hatten zunächst Positionen in verschiedenen wissenschaftlichen und entwicklungsorientierten Institutionen inne. Durch die Erfahrung zahlreicher fehlgeschlagener Entwicklungsprojekte im ländlichen Peru gelangten sie zu der Erkenntnis, dass nicht die Methodik, sondern das Konzept von Entwicklung selbst, problematisch ist. Da dieses Entwicklungskonzept mit seinen Praktiken, Ideen, Epistemologien und Ontologien dem westlichen Hintergrund entstammt, lässt es sich nicht einfach auf den Andenraum übertragen. In Reaktion auf diese Erfahrungen versucht PRATEC die andine Realität von innen heraus zu erklären. Durch die Gegenüberstellung westlicher (moderner) und andiner Wissenskonzepte wird gezeigt, wie sich die Wahrnehmung der andinen Welt je nach Perspektive unterscheidet (Apffel-Marglin 2001: 17-20). Bewusst zieht 33 PRATEC die bildhafte und emotionale Sprache der Andenwelt einem wissenschaftlich-technischen Diskurs vor. Dabei geht es ihnen nicht um die Überwindung der westlichen Modernität und ihre Ersetzung durch eine andere Modernität, sondern um deren Relativierung. (Apffel-Marglin 2001: 31-33). Sein Wissen bezieht PRATEC aus der Begleitung von Bauern in ihrem Lebensalltag durch ein Netzwerk aus lokalen Partnerorganisationen. Die Weitervermittlung dieses Wissens erfolgt über den Austausch mit nationalen und internationalen Institutionen, Publikationen sowie über den Masterstudiengang Cultura y Agricultura Campesina Andina (Salas 1996: 6869). Einige Grundmerkmale der andinen Lebenswelt werden von PRATEC besonders hervorgehoben. So wird die andine Landschaft (pacha) von ihren Bewohnern als eine lebendige Welt wahrgenommen. Berge und Flüsse sind ebenso lebendig wie Menschen, Tiere und Pflanzen. Die Bewohner der pacha lassen sich in drei Gruppen unterscheiden: Natur (sallqa), Menschen (runa) und Schutzgötter (huacas). Zusammen bilden sie das ayllu, eine Gemeinschaft, in welcher der allgemeine Verwandtschaftsbegriff der Familie über die menschliche Ebene hinausgehend verstanden wird. Sallqa, runa und huacas stehen in keinem hierarchischen Verhältnis zueinander. Sie alle sind gleichwertig und heilig, allerdings auch unvollständig und daher in der Wiedererschaffung von Leben aufeinander angewiesen. Aus diesem Verständnis ergibt sich ein System reziproker Beziehungen, welches Götter und Natur mit einschließt. PRATEC verwendet den bäuerlichen Ausdruck des gegenseitigen Aufziehens (criar y dejarse criar) als Inbegriff der andinen Lebensauffassung. Der Prozess des gegenseitigen Aufziehens manifestiert sich in der Landwirtschaft. Die chacra ist nicht nur als ein Feld zu verstehen, sondern auch als der Mittelpunkt des Dialogs zwischen Natur, Schutzgöttern und Menschen (Rengifo 2001a: 55-57). PRATECs Vision beinhaltet drei Aspekte: das ökologische Argument zur Verteidigung der andinen Landwirtschaft, die Stärkung von bäuerlicher Kultur und Wissen (afirmación cultural) und die Vitalisierung der Interkulturalität zur Bereicherung der peruanischen Gesellschaft (Salas 1996: 72). 34 Ihre Kritik an den herkömmlichen In-situ-Ansätzen zielt auf den mangelnden Respekt für die eigentlichen Erhalter von Nutzpflanzenvielfalt. Die Bauern werden nicht als Experten behandelt, sondern eher wie Informanten, deren Wissen je nach wissenschaftlicher Relevanz herangezogen werden kann oder auch nicht. Diese Einstellung führt dazu, dass Projekte von professioneller Seite geplant und gelenkt werden. Partizipation beinhaltet oft nur die Ausbildung der Bauern in Techniken und Verfahren zur Überwachung von Vielfalt, deren Herleitung auf Vorstellungen beruht, die den Bauern fremd sind (Rengifo 2000: 367). Dies lässt sich schon an den Begriffen ‚Biodiversität’ und ‚Erhaltung’ verdeutlichen, die ihren Ursprung in der westlichen Erhaltungsbiologie haben und außerhalb des Gebrauchskontextes der meisten Bauern liegen. Aus Sicht vieler Bauern ist biologische Vielfalt Inbegriff der Pachamama. Unter Erhaltung verstehen sie weniger eine speziell ausgeführte Tätigkeit, sondern vielmehr die Pflege der Pachamama als Teil ihrer bäuerlichen Lebensweise (Gonzales 2000: 195-196). Ebenso zeigt Machaca (1998 in Ishizawa o.J.: 1-2) die Schwierigkeiten auf, die sich bei der Suche nach Bedeutungsequivalenten für den Begriff ‚Planung’ ergeben können, weil Bauern und Projektkoordinatoren über ein unterschiedliches Verständnis von Zeit verfügen. Wenn man die Unterschiede der Weltanschauungen nicht beachtet und die Bauern nicht als Experten anerkennt, werden die Gründe für Erhaltung möglicherweise nicht verstanden. Von außen entwickelte Projekte laufen dann Gefahr sich nach Ende des Finanzierungszeitraums als nicht nachhaltig zu erweisen (Ishizawa 2004: 5). Daher wählt PRATEC die Strategie der Erhaltung biologischer Vielfalt im Rahmen einer afirmación cultural, ausgehend von der Annahme, dass In-Situ Erhaltung equivalent ist zur andinen Landwirtschaft. Dabei liegen die Schwerpunkte auf (1) der Regeneration der lokalen pacha in einem Prozess des gegenseitigen Aufziehens, (2) der Stärkung des ayllu als Gemeinschaft aller Bewohner der pacha durch die Stärkung der traditionellen Autoritäten, (3) der Regeneration von Ritualen und Festen als Ausdruck der sorgfältigen Pflege von Pflanzen und Saatgut und 35 (4) der Regeneration der traditionellen Netzwerke zum Austausch von Saatgut und Wissen (caminos de la semilla). Die Bauern stehen im Zentrum dieser Aktivitäten und werden dabei von den lokalen Partnerorganisationen PRATECs unterstützt. Letztere sammeln und verbreiten Saatgut und Informationen über traditionelle Praktiken, organisieren Workshops zum Austausch von Saatgut und Wissen unter den comunidades und begleiten die Bauern bei Test und Integration neuer Sorten. PRATEC selbst koordiniert, trainiert und begleitet die Partner in ihrer Arbeit, fördert den Erfahrungsaustausch zwischen verschiedenen Institutionen und veröffentlicht die Ergebnisse (Ishizawa 2004: 7-9). Langfristig strebt PRATEC nach der Schaffung eines Raumes für die Verständigung unterschiedlicher Weltanschauungen. Als Voraussetzung postulieren sie den gleichberechtigten Dialog zwischen Wissenschaft und lokalem Wissen. Nach technisch-wissenschaftlichem Verständnis resultiert Erkenntnis aus der Trennung von Mensch und Natur. Die Realität wird objektiviert, indem sich der Mensch als Beobachter über sie stellt, um so zu einer neutralen Wahrheit zu gelangen. Der Prozess des Erkennens läuft im Wesentlichen über geistige Abstraktionsprozesse, während den körperlichen Sinnen eine geringere Bedeutung zukommt. Subjektive Faktoren wie Emotionen und Empfindungen werden ausgeklammert. In analytischer Herangehensweise wird die Welt als ein System begriffen, welches durch die Untersuchung seiner Einzelteile erklärt werden kann. Dazu wird das jeweilige Untersuchungsobjekt herausgelöst aus seinem Kontext betrachtet. Quantitative Aussagen werden den qualitativen vorgezogen. Das aus der Erkenntnis resultierende Wissen soll zu einem Tatbestand werden, der universell, d.h. überall und jederzeit gültig ist (Rengifo 2001b: 124-126). In den Andenkulturen 24 ergibt sich Wissen weniger aus geistigen Vorgängen wie Abstraktion oder Analyse, sondern vielmehr aus dem Dialog mit der Natur. Dies bedeutet, dass Wissen kein rein menschliches Attribut ist und auch der Natur 36 zugesprochen wird. Es handelt sich nicht um ein theoretisches, sondern um ein von Erlebnissen geprägtes Wissen, das gleichermaßen von Geist, Empfindungen und Emotionen bestimmt wird (Rengifo 2001b: 129-130). Die geographischen, klimatischen und kulturellen Unterschiede des Andenraums lassen die Formulierung einheitlicher Normen nur begrenzt zu. Vielmehr steht Wissen stets in einem lokalen und zeitlichen Zusammenhang (Rengifo 2001b: 132-133). Vergleicht man die in Kapitel 3.2 genannten Maßnahmen mit denjenigen, die PRATEC vorschlägt, so zeigen sich Überschneidungen, besonders im Hinblick auf Registrierung und Austausch von lokalem Saatgut und Wissen. Allerdings unterscheiden sie sich hinsichtlich ihres Ausgangspunkts. Die meisten der allgemeinen Ansätze berücksichtigen Kultur im Zusammenhang mit der Erhaltung von Biodiversität als eine Komponente von vielen, wobei ökonomische Einflüsse verstärkte Beachtung genießen. Bei PRATEC steht dagegen die andine Kultur im Vordergrund. Da sie diejenige ist, die Vielfalt hervorbringt, kann eine erfolgreiche Erhaltung nur aus ihr heraus erfolgen. 24 Rengifo schließt in seine Betrachtung die Amazonasregion mit ein. 37 4 Methode Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht die Beziehung zwischen biologischer und kultureller Vielfalt, die als gegeben betrachtet wird und in ihrer Ausgestaltung näher beleuchtet werden soll. Dazu sollte in einer einmonatigen Feldforschung der Kartoffelanbau mit Schwerpunkt auf lokalen Sorten in der Comunidad Campesina Vicos untersucht werden. Die Frage ist, welche kulturellen Faktoren zur Erhaltung von lokaler Kartoffelsortenvielfalt in Vicos beitragen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei neben dem Verhalten der Bauern (wie erfolgen Saatguterwerb, Anbau, etc...) vor allem die jeweiligen Vorstellungen oder im Sinne Geertz’ das Bedeutungsgewebe, die diesem Verhalten zugrunde liegen. Beides drückt sich in dem lokalen Wissen einer Gruppe aus. Für die Erhebung wurden zwei Methoden der qualitativen Sozialforschung gewählt: teilnehmende Beobachtung und episodische Interviews. Allgemein zeichnen sich qualitative Methoden durch Offenheit und Kommunikation aus. Offenheit bedeutet, dass der Forschungsgegenstand nicht von Anfang an theoretisch festgelegt wird, sondern die Hypothesen während der Erhebung modifiziert und erweitert werden können. Dies geschieht in einem Prozess der Kommunikation zwischen Forscher und der zu erforschenden Gruppe. Diese Kommunikation findet idealerweise in der natürlichen Umgebung des Alltagslebens statt (Girtler 1992: 38-39). Im Gegensatz zur quantitativen Forschung geht es nicht darum, zuvor aufgestellten Hypothesen an der empirischen Wirklichkeit zu testen, sondern die empirische Wirklichkeit zuerst zu erfassen, um sie anschließend zu interpretieren und theoretisch einzuordnen (Girtler 1992: 149). Unter teilnehmender Beobachtung versteht man die Erfassung sinnlich wahrnehmbaren Handelns, wobei der Forscher in die alltäglichen Aktivitäten der von ihm beobachteten Gruppe eingebunden ist. Es gibt eine Reihe von Abstufungen zwischen den zwei Extremen der vollständigen Teilnahme auf der einen Seite und der zurückhaltenden Beobachtung auf der anderen. Trotz seiner eher passiv angelegten Rolle sollte sich der teilnehmende Beobachter stets seines Einflusses auf den Untersuchungskontext bewusst sein (Girtler 38 1992: 43-49). Idealerweise wird mit der Zeit ein Vertrauensverhältnis zwischen Forscher und Gruppe aufgebaut, welches den Einfluss des Forschers auf das Verhalten der Gruppe möglichst gering hält (Bernard 1995: 137). Die Interviews sollen sowohl narrativ als auch leitfadenorientiert erfolgen. Narrative Interviews bieten sich in Kombination mit der teilnehmenden Beobachtung an, da sie durch ihre offene Form den erforschten Personen – anders als etwa standardisierte Fragebögen – den Freiraum lassen, die für sie wesentlichen Aspekte der Wirklichkeit hervorzuheben (Girtler 1992: 155). In Anbetracht Orientierung der kurzen zusätzlich Dauer ein des Forschungsaufenthaltes Interviewleitfaden vorbereitet, wurde zur der im anschließenden Kapitel erläutert wird. Für die Kombination von narrativem Interview und Leitfadeninterview prägte Flick (1995) den Begriff des episodischen Interviews. Es zeichnet sich dadurch aus, dass man die Befragten einerseits erzählen lässt, andererseits aber auch zielgerichtete Fragen stellt. Im Gegensatz zum narrativen Interview kommt es beim episodischen Interview weniger auf die abgeschlossene Erzählung von Erfahrungen an, als vielmehr auf die freie Kombination von einzelnen Erfahrungsberichten mit der generalisierenden und abstrahierenden Beschreibung von Zusammenhängen. Die Entscheidung, ob erzählt oder beschrieben wird, liegt dabei ebenso bei dem Befragten selbst, wie die Auswahl der von ihm geschilderten Episoden. Ein Vorteil des episodischen Interviews liegt in seiner Form des offenen Dialogs, die es in die Nähe der Alltagskommunikation rückt (Lamnek 2005: 362-363). Der Leitfaden soll allerdings nur zur groben Orientierung und Anregung der Unterhaltung dienen, um der Gefahr vorzubeugen, dass durch eine Art Tunnelblick wichtige Informationen übergangen werden, weil sie nicht in das Schema des Leitfadens passen (Girtler 1992: 154-155). Insgesamt bieten sich die gewählten Methoden an, da sie sich an die natürliche Alltagssituation anpassen, d.h. sie halten den zeitlichen und arbeitstechnischen Aufwand für die Bauern so gering wie möglich. 39 4.1 Vorbereitung Durch ein Praktikum hatte ich den Ort meiner Untersuchung im Jahr 2004 kennen gelernt. Bei verschiedenen Besuchen in Vicos hatte ich bereits ein Gefühl für den Umgang mit den Menschen entwickeln können. Zudem konnte ich von den Mitarbeitern Urpichallays profitieren, die zur Hälfte selbst Bauern aus der comunidad bzw. Region sind und so als Kontaktpersonen in Frage kamen. Beatriz Rojas, Geschäftsführerin der Organisation, sicherte mir in dieser Hinsicht volle Unterstützung zu, was mir den Zugang zu der comunidad erheblich vereinfachte. Die inhaltliche Vorbereitung der Interviews erfolgte durch die Erstellung eines Leitfadens (Anhang A). Dieser wurde in Anlehnung an das Modell der Einflussfaktoren auf Nutzpflanzenvielfalt erstellt (Abb. 1, Kap. 2). Darüber hinaus sollten die Fragen, wenn möglich, einen praktischen Bezug zur laufenden Kartoffelernte herstellen, um die Kommunikation mit Hilfe konkreter Beispiele zu vereinfachen. Zunächst sollte erfragt werden, wie die Bauern lokale Sorten unterscheiden und benennen, aber auch wie sie diese im Vergleich mit verbesserten Sorten wahrnehmen. Von besonderem Interesse waren in diesem Zusammenhang auch die unterschiedlichen Nutzungsformen. Weitere Fragen betrafen Herkunft und Erwerbsart des Saatguts sowie die Verfahren bei Selektion und Lagerung. Im Hinblick auf den Anbau wurden neben den jeweiligen Techniken besonders die Organisation der Arbeit erfragt, d.h. wer übernimmt welche Aufgaben und wie erfolgt die Entlohnung. Der Leitfaden ist sehr allgemein gehalten. Idealerweise sollte im Gespräch mit den Bauern eine Spezialisierung auf bestimmte Aspekte angestrebt werden, abhängig davon, zu welchen der Themen die Bauern mehr erzählen wollten. Aufgrund des kurzen Aufenthalts konnte diese Spezialisierung jedoch nicht realisiert werden. Es wurde keine bestimmte Anzahl der zu Befragenden festgelegt, vielmehr ging es darum, verschiedene Typen einzubeziehen. Diese Typen sollten Vertreter unterschiedlicher Geschlechts- und Altersgruppen sein, um einerseits der gesellschaftlichen Heterogenität zu entsprechen, andererseits eventuelle 40 Unterschiede in ihren Aussagen aufzuzeigen. Aus gleichem Grund sollten der Gruppe der Befragten ebenso Bauern mit hoher Sortenvielfalt, wie Bauern mit geringer Sortenvielfalt angehören. Zur Aufzeichnung der Informationen wurden Feldnotizen und Gedächtnisprotokolle angefertigt. 4.2 Durchführung Die Feldforschung erfolgte in drei Phasen. Die erste Woche verbrachte ich mit der Vorbereitung meiner Besuche in der comunidad. Dazu stellte ich den Mitarbeitern von Urpichallay mein Forschungsvorhaben vor und testete mit ihnen meinen Fragebogen. Vier von ihnen – Santiago Reyes Tafur, Luis Armas Sánchez, Luis Loli Sánchez und Valeriano Mendoza Machaca – erklärten sich bereit, mich an verschiedenen Tagen in die comunidad zu begleiten. Santiago ist selbst comunero in Vicos, Luis Armas und Luis Loli stammen aus den Nachbargemeinden Recuayhuanca und Marcará. Alle drei sind gelernte Agrartechniker und seit mehreren Jahren für Urpichallay tätig. Durch ihre Herkunft kennen sie Vicos und seine Bewohner sehr gut. Zudem sind sie aufgrund ihrer Arbeit in der Organisation mit den Methoden der Feldforschung vertraut. Valeriano kommt ursprünglich aus einer comunidad bei Ayacucho und hat Anthropologie studiert. Die Tatsache, dass alle vier Quechuasprecher sind und als Bauern aufwuchsen, zeichnet sie als Kontaktpersonen und Übersetzer aus. Mit ihrer Hilfe konnte ich schnell herausfinden, wer wann und wo ernten würde und die Feldbesuche danach ausrichten. Auch im direkten Umgang mit den Bauern profitierte ich von der Erfahrung meiner Begleiter. Wenn ich bei den Interviews ins Stocken kam oder längere Notizen machte, stellten sie weitere Fragen oder lockerten die Situation durch Smalltalk auf, so dass die künstlichen Aspekte der Gesprächssituationen überspielt wurden. Die Tatsache, dass ich stets zusammen mit Mitarbeitern von Urpichallay auftrat, führte sicherlich dazu, dass auch ich mit der Organisation in Verbindung gebracht wurde und die Bauern möglicherweise ihre Antworten danach ausrichteten. Bernard (1995: 229-231) spricht in diesem Zusammenhang von den sogenannten „response effects“, wonach die Eigenschaften von Forscher, 41 Informant und Umfeld wesentlichen Einfluss auf den Interviewverlauf nehmen. Im vorliegenden Fall wäre vorstellbar, dass die Bauern durch das Interesse Urpichallays an der Stärkung traditioneller Praktiken und Anschauungen eher geneigt waren, über diese Auskunft zu geben. Die Interviews und die teilnehmenden Beobachtungen fanden in der zweiten 25 und dritten Woche statt. Insgesamt ergaben sich 22 Interviewsituationen , von denen neun im Zusammenhang mit Kartoffelernten in der Quebrada Honda entstanden. Die restlichen Interviews erfolgten überwiegend bei den Bauern zu Hause, einige Kurzinterviews wurden spontan am Wegesrand durchgeführt. Die Anzahl der pro Interview befragten Bauern variierte zwischen einer und fünf Personen. Hinzu kamen teilnehmende Beobachtungen bei zwei gemeinschaftlichen Ernten mit jeweils 11 und 72 Bauern. Tab. 2: Altersstruktur und Geschlecht der Befragten (ohne Gemeinschaftsernten) Alter a -20 20-30 30-40 40-50 50-60 60+ total männlich 4 2 3 2 5 3 19 weiblich 2 2 2 3 4 3 16 total 6 4 5 5 9 6 35 Geschlecht a Angaben beruhen teilweise auf Schätzungen. In Tab. 2 kann man erkennen, dass bei den Befragungen sämtliche Altersgruppen beiden Geschlechts vertreten waren, wobei der tatsächliche Gesprächsanteil der Frauen und Jugendlichen etwas geringer ausfiel, da sie sich eher zurückhaltend verhielten und nicht immer durch gezielte Fragen einbezogen werden konnten. Die Kommunikation mit den Frauen wurde durch mangelnde Quechuakenntnisse meinerseits erschwert. Zwei Drittel der Interviews erfolgten ganz oder teilweise mit Hilfe der Übersetzung durch meine Begleiter. Daher ist zu beachten, dass ein Teil der Informationen vorgefiltert wurde und nicht mehr aus erster Hand stammt. In einzelnen Fällen war es 25 Anhang B enthält eine Übersicht über die verschiedenen Interviewsituationen mit Angaben zu Personen, Ort, Dauer und Themen der Befragung. 42 durch Übersetzung und Gegenwart von mehreren Befragten nicht möglich nachzuvollziehen, von wem eine Information stammte. 26 Die Dauer der Interviews war recht unterschiedlich und lag zwischen zehn Minuten und sieben Stunden, je nachdem in welcher Situation die Bauern angetroffen wurden und ob sie uns einluden, eine Weile zu bleiben. Als Zeichen der Höflichkeit nahmen wir stets Gastgeschenke in Form von Kokablättern, Broten, Obst oder Zucker mit. Im Gegenzug erhielten wir Essen und frisch geerntete Kartoffeln. Die letzte Woche nutze ich, um das gesammelte Material zu sichten und offene Fragen und Zweifel mit meinen Begleitern abzuklären. 4.3 Auswertung Für die Auswertung wurden die Feldnotizen und Gedächntisprotokolle der einzelnen Interviewsituationen thematisch kodiert (siehe letzte Tabellenspalte in Anhang B). Oberkategorien Danach wurden Almacenamiento, die Informationen Asemillamiento, den thematischen Costumbres, Historia, Organización, Otro, Seleccionamiento, Señas, Técnicas, Uso und Variedades zugeordnet, die in Kombination mit den Fragenkategorien des Leitfadens die Struktur der Analyse in Kapitel 5 vorgeben. Da sich Jugendliche und Frauen weniger an den Gesprächen beteiligten und die in den Interviews behandelten Themen insgesamt stark variieren, konnte keine Typenbildung vorgenommen werden. Die aus den Interviews gewonnenen Aussagen werden durch den Namen des Interviewpartners und die Interviewnummer aus Anhang B gekennzeichnet. 27 Zur Auswertung der Daten wurden die Ergebnisse weiterer Studien hinzugezogen. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Perspektive der Bauern liegt, wurden an verschiedenen Stellen zusätzliche Zitate von Vicosinos 26 27 Aufgrund dieser Tatsachen ist meines Erachtens für eine gute Feldforschung die Beherrschung der lokalen Sprache unerlässlich. Aus Rücksicht gegenüber den Befragten werden lediglich Vornamen verwendet. Die Bauern wurden vor den Interviews über den Zweck der vorliegenden Arbeit aufgeklärt. 43 einbezogen. Sie stammen zum einen von Urpichallay und wurden von den Mitarbeitern im Rahmen ihrer Projekte bei der Begleitung ausgewählter Bauern gesammelt. Diese Bauern verfügten in der Regel über eine hohe Sortenvielfalt und wurden sowohl bei den alltäglichen Aufgaben der Landwirtschaft als auch zu besonderen Festivitäten begleitet. Zum anderen werden Zitate angeführt, die 1954 im Rahmen des Proyecto PerúCornell von drei peruanischen Studenten und ihren Übersetzern gesammelt wurden. Das Hauptinteresse ihrer Untersuchung lag darin herauszufinden, wie die verbesserten Kartoffeln durch die Vicosinos aufgenommen wurden. Stein verweist auf die unterschiedlichen Diskurse zwischen Forschern und Bauern, welche die Interviews beeinflussten. Während erstere die Kartoffel vor dem Hintergrund von Entwicklung und Fortschritt in erster Linie als Ware betrachteten, sahen die Bauern in ihr vor allem ein Nahrungsmittel (Stein 2000: 170). Die Interpretation der Daten erfolgt unter Einbezug weiterer Literatur zu Landwirtschaft und speziell Kartoffelanbau in den Anden. 44 5 Ausgewählte Aspekte des Kartoffelanbaus in Vicos 5.1 Sorten Im Folgenden wird zunächst gezeigt, welche Kartoffelsorten in Vicos bekannt sind und wie sie klassifiziert werden. Dabei richtet sich diese Arbeit ausschließlich nach den bäuerlichen Klassifizierungen, welche in der Regel jedoch eine hohe Übereinstimmung mit Genotypen aufweisen (Brush 2000: 288). Anschließend werden Bewertung und Nutzung lokaler und verbesserter Sorten beschrieben und die Aspekte Verlust und Erhaltung aus Sicht der Vicosinos beleuchtet. 5.1.1 Klassifizierung durch die Bauern Abb. 5 und Anhang C zeigen einige der lokalen Sorten, die in Vicos angebaut werden. Sie sind den verbesserten Sorten zahlenmäßig weit überlegen. Ihre Anbaufläche ist dagegen weitaus geringer. Die Vicosinos bezeichnen lokale 28 Sorten zusammenfassend als papa nativa oder lluta papa . Die Bezeichnung lluta papa spiegelt die traditionelle Praktik wieder, lokale Sorten als eine Gruppe zu handhaben, so dass Lagerung, Anbau und Selektion gemeinsam erfolgen und die einzelne Sorte nicht gesondert behandelt wird. Dieses Verfahren erweist sich für die Bauern als einfacher und zeitsparender. Die geringere Beachtung einzelner Sorten stellt in der Regel kein Risiko für den Bestand ihrer Vielfalt dar (Zimmerer 1996: 176). Dennoch wissen die Bauern genau zwischen den einzelnen Sorten zu unterscheiden, deren Namen ebenso vielfältig sind wie ihre Erscheinung (Abb. 5). 28 Lluta ist ein Wort aus dem Quechua und bedeutet ‚durcheinander’. 45 Abb. 5: Sortenvielfalt in Vicos 1 2 4 3 7 6 5 9 8 14 12 10 17 13 11 15 16 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 nina mancha wakapa kallun buen cholo hallka warmi isku puru yana mashkapa pakllish puka huayro yolak waclli araspa pachan choloqui puka wichus hallku punu kikaq kondor warmi soku chincus lazapa soku suproq 18 19 20 21 22 23 24 chaucha amarilla waklli wachukus llumchi probanan eliminita/pachako josé winka puka huayro huayro peruanita 25 26 27 28 29 30 31 mono senkan puka chukula buen cholo chinkus ukush kondor warmi milagro yana mashkapa 19 20 18 21 23 22 24 25 28 26 27 29 30 31 Quelle: Eigene Aufnahmen 2005. 46 Wie aus Anhang C ersichtlich wird, beziehen sich viele der Namen auf äußere Merkmale. So beschreiben puka, yolak und yana die jeweils rote, weiße oder schwarze Färbung der Schale. Waklli bezeichnet die gebogene Form einer Kartoffel, die von den Bauern häufig auch mit einem schlafenden Hund oder einer Mondsichel verglichen wird. Derartige Analogien zu den Phänomenen des Alltags und der Umwelt finden sich in zahlreichen Sortennamen wieder. Die Bezeichnung colegiale etwa spielt auf die farbliche Ähnlichkeit mit der Uniform der Schulkinder an, peruanita wiederum auf die Farben der peruanischen Flagge. Beispiele für Bezüge zur Tierwelt sind wakapa kallun (Kuhzunge), mono senkan (Affennase), torupa rurun (Stierhoden) und araspa pachan (Eidechsenbauch). Einige Namen spiegeln die Verbindung von Saatgut und Frau wider, auf die in Kapitel 5.2.2 näher eingegangen wird. Zu ihnen zählen etwa hallka warmi (Frau der oberen Höhenstufe), kondor warmi (Kondorfrau) und puka china (rotes Mädchen). Die Vicosinos konnten alle erfragten Sorten benennen, wobei sie ihre Antworten teils ohne Zögern, teils nach Absprache mit anderen Anwesenden gaben. Ein Interviewpartner vergewisserte sich mehrfach bei seiner Frau, die sich offensichtlich besser auszukennen schien. Oft entstanden angeregte Diskussionen über die Bedeutung des Namens und die Eigenschaften einer Sorte. Zimmerer (1996: 203) weist darauf hin, dass die Benennung der Kartoffeln nach lokaler Natur, Orten und sozialen Phänomenen Ausdruck einer kulturellen und sozial-geographischen Identität ist. Gleichzeitig erhält die Kartoffel durch ihren Namen eine Identität, sie wird zum lebendigen Gegenüber in einer Welt, in der alle Bewohner in einem reziproken Beziehungsverhältnis stehen (Zimmerer 1996: 189-190). Eine besondere Gruppe der lokalen Sorten bildet die papa koro. Bei ihr handelt es sich um eine halbwilde Kartoffel, die bevorzugt in Maisfeldern wächst und offiziell als Unkraut gilt. Die Vicosinos pflegen ihre papa koro in gleicher Weise wie die gesäten Kartoffeln und nutzen sie, wie das folgende Beispiel zeigt, auch zum Verzehr (Urpichallay 1999: 123). 47 Desde muy antiguo mis abuelos en Allpamama habían criado el coro papa, de eso nos alimentaba mi abuela cuando teníamos hambre, lo sacaba del maíz, iba con su chuso y su canasta y de un rato traía bastante coro, después lo lavaba y echaba a la olla. Facílmente se cocina, mientras jugaba ya se cocinaba, al poco rato me servía con su ajicito, era muy rico nuestro coro (Gaudencio Loli in Urpichallay 1999: 94). Wilde Kartoffeln werden von den Vicosinos als solche identifiziert und atoqpan papa 29 genannt. Ihre Blätter werden zur Linderung von Kopfschmerzen verwendet. Zwar gibt es einzelne Hinweise auf Anbauexperimente, jedoch ist die Domestizierung wilder Kartoffeln keine allgemein übliche Praxis (Urpichallay 1999: 121-122). Vielmehr wird die Aufzucht der atoqpan papa dem Fuchs (atoq), teilweise auch den apus selbst zugeschrieben: Así como nosotros tenemos nuestras papas, también nuestros abuelos o las deidades, tienen sus plantas aquí en la Quebrada Honda, pues encontramos al lado de los quenuales y entre las piedras su atocpan papan (papa silvestre) y su papa coro de los abuelos, que mucho de nuestros abuelos dicen que son de la siembra del zorro (Manuel Meza Evaristo in Urpichallay 2001). Die Wahrnehmung und Nutzung wilder und halbwilder Verwandter von Nutzpflanzen ist ein wichtiger Bestandteil der In-situ-Erhaltung, da bereits durch ihre Nähe zum Kartoffelanbau die Möglichkeit der genetischen Auffrischung durch Introgression gegeben ist. Die verbesserten Sorten werden allgemein papa mejorada oder papa blanca genannt. Die ersten verbesserten Sorten tarma und paltaq kamen 1952 mit dem Proyecto Perú-Cornell nach Vicos. Viele der älteren verbesserten Sorten sind mit der Zeit in den typischen Mischanbau lokaler Sorten integriert worden. Zu ihnen zählen etwa tarma, paltaq und mariba. Gegenwärtig wird der Kartoffelanbau in Vicos von den verbesserten Marktsorten yungay und canchán dominiert. 29 Atoq bedeutet Fuchs und ist eine gängige Bezeichnung wilder Verwandter von Nutzpflanzen. 48 5.1.2 Bewertung und Nutzung Wie auch in anderen Andenregionen bewerten und nutzen die Vicosinos lokale und verbesserte Sorten zum Teil recht unterschiedlich. Folgende Aussagen aus dem Jahr 1954 zeigen, wie die ersten verbesserten Kartoffeln von den Vicosinos aufgenommen wurden. Sé que hace un año la Hacienda trajo la semilla de papas llamado „paltaq“ en castellano. Nosotros le llamamos „marcos“. Esa misma nosotros ya teníamos desde la época de nuestros abuelos. [...] Como repito es la misma semilla „paltaq“, pero sí madura más rápido. Parece que es mejor que la nuestra. Produce mayor cantidad de papas y son más desarrolladas. Además el gusano no come como hace con las nuestras. (Ambrosio Evaristo in Stein 2000: 203) Casi son iguales las dos clases de papas. Sin embargo la papa paltaq parece mejor que la blanca porque es arenosa, de mejor gusto. En cambio la papa blanca es toqtu, es decir que tiene un hueco en el corazón, pero sí son más grandes que las papas marcos y producen bastante. Y comparando con nuestras propias papas le diré que también son iguales. Nuestras papas son también agradables y arenosas, sólo que no tenemos remedios para curar. (Marcelino Cruz in Stein 2000: 210). Während die paltaq aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit der bekannten lokalen Sorte marcos schnell Anklang fand, oftmals sogar mit ihr gleichgesetzt wurde, betrachteten die Bauern die tarma (hier papa blanca) eher kritisch. Zum einen verfügte sie nicht über den bevorzugten mehligen Geschmack, zum anderen entsprach ihre Form nicht den ästhetischen Ansprüchen der Bauern. Wenn auch die geschmackliche und ästhetische Qualität der eigenen Sorten nicht übertroffen werden konnte, so wurde doch die Widerstandsfähigkeit der neuen Sorten in Zeiten schwerer Kartoffelplagen als allgemeine Verbesserung angesehen (Stein 2000: 202-205). Einige Eindrücke zur Bewertung und Nutzung lokaler und verbesserter Sorten in der Gegenwart, rund fünfzig Jahre nach Einführung der ersten verbesserten Kartoffeln, lassen sich Tab. 3 entnehmen. 49 Tab. 3: Nutzung und Bewertung lokaler und verbesserter Kartoffelsorten papa nativa 30 papa mejorada Eigenkonsum - es harinosa, sancocha rápido - no tiene sabor, demora en sancochar (Gruppe INT1) (Gruppe INT1) - tiene buen sabor, se prepara más - se usa poco para consumo porque tiene rápido (Don Juan R. INT5) mal sabor, canchán peor que yungay (Don Juan R. INT5) - se puede comer así nomás (Don Pablo R. INT9) - solo se guarda tres meses (Don Octavio INT4) - aguanta más, se puede tener en el almacén durante seis meses (Don Octavio INT4) - cosecha de papa mejorada y nativa del sector es más para consumo porque el precio en el mercado es muy bajo (Gruppe INT19) Verkauf - no vendemos lluta papa porque es para consumo (Don Pablo T. INT17) - vendemos papa nativa porque tiene un precio mayor en los mercados de Carhuaz y Huaraz (Don Octavio INT4) - es más grande y de mejor calidad (Gruppe INT10) - vendemos papa mejorada en el mercado de Huaraz (Don Pablo T. INT17) - vendemos yungay y canchán en el mercado (Don Juan C. INT16) Feste - antes usaban papa nativa (Don Octavio INT4) - se usa más en las fiestas porque se pela más rápido (Don Octavio INT4) Geschenk - se usa papas como regalo cuando llega visita (Don Manuel INT7) Medizin - yana kondor warmi sirve como medicinal cuando uno está mal de viento, se pone las rajas encima del estómago (Don Juan R. INT5) Brauch - la papa llumtzhi probanan se usaba para probar a la nueva nuera que tenía que pelarla sin cambiar la forma (Don Julio INT2) Quelle: Eigene Erhebung 2005. 30 Die in diesem Kapitel aufgeführten Aussagen der Interviewpartner stammen aus eigenen Feldnotizen und Gedächtnisprotokollen und sind daher teilweise sprachlich verändert bzw. abgekürzt. 50 So verwenden die Vicosinos beide Sortengruppen, papa nativa und papa mejorada sowohl zum Verzehr als auch zum Verkauf. Dies geschieht allerdings aus unterschiedlichen Motivationen. Die Präferenz lokaler Sorten für den Eigenkonsum wird von den Bauern mit Vorlieben und Praktikabilität begründet. Sie schätzen die mehlige Konsistenz lokaler Sorten und deren besonderen Geschmack. Von weiterem Vorteil ist, dass die Kartoffeln länger haltbar sind und eine geringere Garzeit benötigen. Der Verzehr verbesserter Sorten wurde dagegen durch eher praktische Gründe erklärt, wie die leichtere Schälbarkeit für Festspeisenzubereitung und zu niedrige Marktpreise. Was den Verkauf betrifft, so findet man auf den Märkten in Carhuaz und Huaraz neben den marktdominierenden Sorten yungay und canchán in kleineren Mengen auch bestimmte lokale Sorten, welche in der Regel höhere Preise erzielen. Im Untersuchungszeitraum kosteten lokale Sorten wie colegiale und huayro 50-75 cént./kg, während der Preis für yungay und canchán bei 30-40 cént./kg lag. 31 Im Andenraum dienen lokale Kartoffeln häufig als Geschenk zur Aufnahme und Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen und werden als papa regalo bezeichnet (Zimmerer 1996: 103, Brush 2000: 300). In Vicos werden diese Kartoffeln kare genannt. Zudem gibt es den Ausdruck llamitzinaki für den Brauch sich gegenseitig von den Ernteerträgen probieren zu lassen (persönliche Mitteilung Urpichallay). Beobachtungen während der Ernte zeigten, dass Besuchern sowohl verbesserte als auch lokale Sorten geschenkt werden. Dass lokale Sorten als Geschenk jedoch auch in Vicos einen größeren Wert besitzen, ist schon aufgrund der geschmacklichen Präferenz vorstellbar und lässt sich anhand des folgenden Zitats nachvollziehen. Nosotros siempre nos preparamos nuestra comida en la mañana y en la noche a mediodía solo calentamos de la mañana, pero cuando llegan nuestras familias nosotros buscamos las mejores papas para que ellos prueben y se vayan muy felices, ya que ellos donde viven no prueban estas papas, ya que estas papas es solo para la familia, esta papa no 31 Die Frage, warum trotz höherer Preise nicht mehr lokale Sorten speziell für den Markt angebaut werden, lässt sich durch die höhere Arbeitsintensivität und die Erfordernisse langer Brachzeiten beantworten. 51 vendemos a nadie, solo invitamos o regalamos con cariño (Niña Luzmi Luzmila Reyes in Urpichallay 2001) Die Rolle der Kartoffel als Geschenk wird im anschließenden Kapitel 5.1.2 genauer erläutert. Des Weiteren gibt es traditionelle Nutzungsformen, die an bestimmte lokale Sorten gebunden sind. So werden die Kartoffelschalen der Sorte hallka warmi beispielsweise als Heilmittel gegen das mal de viento 32 verwendet. Über die stark gewölbten Kartoffeln der Sorte llumchi provanan (Abb. 5) ist der Brauch überliefert, dass sie von der Familie eines Mannes genutzt wurde, um die Fertigkeiten der neuen Schwiegertochter (in Quechua llumchi) auf die Probe zu stellen. Dabei musste diese die rohe Kartoffel so schälen, dass die ursprüngliche Form erhalten bleibt. Heute wird dieser Brauch, der auch in anderen Regionen der Anden verbreitet ist (Tapia und de la Torre 1998: 24), vor allem zur Erheiterung in Erinnerung gerufen. Es lässt sich feststellen, dass die Bauern lokale und verbesserte Sorten durchaus unterschiedlich bewerten und ihre Nutzung daran orientieren. Allerdings erweisen sich bei Betrachtung der verschiedenen Nutzungsweisen die Übergänge zwischen beiden Kategorien als fließend. So werden auf der einen Seite lokale Sorten zum Teil in Monokulturen für den Markt produziert und auf der anderen Seite verbesserte Sorten in den traditionellen Mischanbau übernommen. 5.1.3 Verlust und Erhaltung In den Interviews wurde der Verlust alter Sorten oft in direktem Zusammenhang mit dem eigenen Leben erklärt: 32 - perdí mi semilla nativa con mi accidente (Don Juan C. INT16). - muru kaqhqa desapareció cuando se creó la comunidad (Señora mayor INT12). - cuando falleció mi esposo su lluta papa desapareció, tenía buena mano de criar con cariño, cuando falleció, la semilla sufrió (Señora mayor INT13). Mal de viento ist eine Krankheit, die durch den Wind hervorgerufen wird und sich in steifen Gliedmaßen und Ohrendruck äußert. 52 Das Schicksal der Kartoffel zeigt sich hier eng mit dem des Menschen verbunden. Diese Verbindung äußert sich besonders in einer Beziehung gegenseitiger Pflichten und Emotionen. Die Kartoffel kann dabei nicht nur leiden und verärgert sein wie ein Mensch, sondern auch dementsprechend handeln. Ihr Verschwinden wird dann, wie im folgenden Beispiel, als Reaktion auf mangelnde Pflege verstanden: Son casi 2 años que me ha abandonado. Estoy buscándola, voy a conseguirla. A esta papa lo quiero mucho, sin embargo me ha abandonado a pesar que le converso, por algo se ha resentido, tendré que suplicarlo para que vuelva (María Lázaro über die Sorte yana waclli in Urpichallay 1999: 25). Zimmerer weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der Sprache hin, die zahlreiche lebendige Ausdrucksformen des Dialogs zwischen Bauer und Kartoffel bereithält: Language for handling the floury potatoes and other diverse crops was salted with metaphors that gave life to the myriad pacts of personal reciprocity between a care-giving and willful cultivator and a crop plant that could be capricious (Zimmerer 1996: 189). Der allgemeine Fortbestand lokaler Kartoffeln wird von den Bauern nicht angezweifelt. Als Erbe vergangener Generationen werden sie an zukünftige Generationen weitergegeben: - siempre habrá papa nativa, la tenemos de los abuelos y la vamos a pasar a nuestros hijos (Don Felipe INT20). Die Bauern von Vicos messen dem Bezug zwischen lokalen Sorten und ihren Vorfahren eine große Bedeutung zu (Urpichallay 1999: 121). Beide sind wichtiger Bestandteil ihrer kulturellen Identität oder wie es Salas (1996: 142) ausdrückt: „La población campesina de hoy reconoce en la agricultura de la papa su pasado cultural“. 5.2 Saatgutquelle Woher ein Bauer sein Saatgut bezieht, hat wesentlichen Einfluss auf die Vielfalt der von ihm angebauten Sorten sowie den Grad ihrer Auffrischung. Im Folgenden wird zunächst dargestellt, welche Quellen die Vicosinos nutzen, um 53 an Saatgut zu gelangen. Anschließend werden die Aspekte der Selektion und Lagerung von Saatgut näher beleuchtet. 5.2.1 Wege der Saatgutbeschaffung In Folge von Ernteverlusten, zur Auffrischung ihres Bestandes oder einfach aus Neugier beziehen die Vicosinos ihr Saatgut auf den unterschiedlichsten Wegen. Die Aussagen der Vicosinos zu den häufigsten Wegen der Beschaffung sind in Tab. 4 aufgeführt. Sie betreffen Tausch, Geschenk und Kauf. Tab. 4: Häufigste Wege der Saatgutbeschaffung - si pierdo mi papa a la rancha, me voy a ayudar en la cosecha para llevarme mi pellé y llevo azúcar para trueque (Gruppe INT1) - cuando me falta semilla, hago trueque o compro, más compro papa mejorada (Don Pedro INT6) - tengo mi lluta papa de los abuelos, si me falta papa nativa, hago cambio, compro o digo ‚regálame’ (Don Juan R. INT5) - para probar nueva variedad hago trueque o compro, primero lo pruebo en una chacra (Don Julio INT2) - si veo una nueva variedad que florece de cierto color, voy a preguntar para hacer cambio (Don Octavio INT4) - tengo chaucha desde el año pasado cuando fui a trabajar en la chacra de mi cuñado y me la llevé como jornal (Doña Juana INT3) - esas papas colegialas tengo de una visita a la Cordillera Negra con Urpichallay, no conocía así me llevé tres papitas, mi amigo que me regaló me invitó varias veces después, pero no he tenido tiempo para ir otra vez (Don Manuel INT11) - cuando antes había enfermedad de papas, llevaba maíz y humita a Catac para trueque de papa nativa, donde tenía familiares y amigos, hoy llevo semilla como pellé o regalo cuando ayudo a familiares, hoy de Quebrada Honda, ya no de Catac (Gruppe INT1) - un vecino fue para trueque a Tinca donde tiene amigos, iba de jornada a trabajar en la chacra (Don Julio INT2) - la gente viene a hacer trueque o comprar de Pariahuanca, Pampamarca, Pashpa y Huapra porque no tienen QH (piso alto) (Octavia INT15) - antes venían de Marcará y Carhuáz a buscar papa nativa, traían fruta como Lucuma, después del Proyecto Perú-Cornell ya no subían porque conseguieron su propia papa (Don Manuel INT7) - antes Huapra no tenía papa, vinieron a Vicos con calabazas a hacer trueque (Don Julio INT2) Quelle: Eigene Erhebung 2005. 54 Tauschhandel ist in Vicos, wie in weiten Teilen der Anden, bis heute weit verbreitet. Dabei gibt es zwei Formen. Zum einen kann Saatgut im Tausch gegen Waren (trueque, cambio) erworben werden. Die Vicosinos bieten im Gegenzug zum Beispiel Zucker, Mais oder humitas. Die andere Möglichkeit ist die Bereitstellung der eigenen Arbeitskraft im Tausch für einen Teil der Ernte. Dieser Ernteteil heisst pellé, er entspricht traditionell dem Ertrag einer Ackerfurche und wird heute meist mit einem Korb bemessen (Urpichallay 1999: 20). Manchmal verwenden die Bauern in diesem Zusammenhang auch den Begriff jornal, der in seiner ursprünglichen Bedeutung ein als Tageslohn festgelegter Geldbetrag ist. Nicht immer muss eine Gegenleistung direkt erbracht werden. Geschenke sind üblich und werden in der Regel bei anderer Gelegenheit erwidert. Der Übergang zwischen Geschenk und Tausch ist fließend, wie auch die folgenden Beispiele von früher und heute belegen. Acá no compran. La costumbre acá es regalar. Por plata no te dan nada. Uno si necesita oca hace comprar pan, azúcar, sal, ají y lo lleva de regalo a un amigo o una amiga. Eso lleva mi hermana o mi mamá a una persona. Entonces ésta dice, ‚¿Para qué es?’ ‚Es regalo, es para ocas,’ dice. Entonces da una, dos, tres canastitas (Alejo Valerio in Stein 2000: 185186). En la comunidad campesina de Vicos todos practicamos hacer este tipo de regalo, a veces a mí me apoyan en mi trabajo, pero en la cosecha yo regalo por el trabajo brindado, cuando me ayudan en la cosecha también les doy su pellé. [...] La cantidad de pellé se mide con una canasta hecha de chacpa que cotiza una arroba. Los que hacen esta canasta la saben hacer especialmente para el pellé. Si no hay canasta, se regala con una mantada de costal de lana, así nos acostumbramos regalar en mi comunidad, pero este regalo hacemos de corazón, porque si eres pesimista (tacaño) el próximo año no vas tener cosecha, por eso nos acostumbramos este tipo de regalo con todo cariño y amor (Víctor Mata Tadeo in Urpichallay 1999: 20-21). Obwohl der Tausch manchmal erst durch einen vorangegangenen Kauf ermöglicht wird, ist er höher angesehen als der einfache Erwerb mit Hilfe von Geld. Es existiert eine Art kollektiver Moral nach dem Motto ‚wer gibt, der wird bekommen’, die auch in diversen überlieferten Erzählungen der Vicosinos vermittelt wird (Urpichallay 1999: 28-29). Tauschregelungen sind ein wichtiger Bestandteil des reziproken Beziehungsnetzwerks, welches die andine Welt zusammenhält. 55 Zwei Vicosinos erklärten den Tauschhandel vor einem eher marktorientierten Hintergrund. Die Betonung lag dabei auf dem finanziellen Nutzen des Tauschhandels. - ya no hacemos tanto trueque, es más barato comprar que hacer trueque (Don Julio INT2) - la gente hace trueque porque no tiene plata (Don Agostín INT22) Abgesehen von Kauf, Tausch und Geschenk verfügen die Vicosinos über verschiedene andere Formen der Saatgutbeschaffung. Eine bildet das üblicherweise von Frauen ausgeführte Absuchen abgeernteter Felder nach zurückgebliebenen Kartoffeln (rastrojeo). Diese Kartoffeln heißen papa wachka (verwaiste Kartoffel) oder papa hiwa und werden auf die Launen der Pachamama zurückgeführt. - la pachamama siempre esconde su cría, por eso encontramos hiwa (Don Victor S. INT21). Eine durchaus übliche Praxis zur Aneignung neuer Sorten ist das heimliche Entwenden von Kartoffeln aus einem fremden Feld. - cuando veo un color de una papa florecer, pongo una señal, para volver cuando esté madura y llevarme uno o dos papas a mi chacra (Gruppe INT1). Während der gemeinschaftlichen Ernte des Sektors Cachipachán steckte ein Bauer eines anderen Sektors während seines Besuchs drei frisch geerntete Kartoffeln in seine Tasche und begründete dies damit, dass er sie noch nicht besaß. Ein Zeuge bekräftigte diese Handlung, indem er erklärend hinzufügte: „se enamoró de la semilla“ (Gruppe INT19). Damit war ein Verhältnis zwischen dem neuen Besitzer und der Kartoffel hergestellt und die Handlung legitimiert. Auch das Auflesen von Saatgut, das auf dem Weg gefunden wird, beruht auf einer Interaktion zwischen Bauer und Knolle bzw. Samen, wie die folgenden Beispiele zeigen. - cuando encuentro semilla en el camino que se había caído, me la llevo a mi almacén para que no sufra [Señora mayor] (Gruppe INT1) Siempre mi padre me decía, que cuando encuentras semilla de maíz botado en el camino recógelo, y yo decía: ¿para qué voy a recoger? si yo tengo mi maíz blanco. Entonces me contestaba: ¿no sabes? la semilla que encuentras en el camino es tu fortuna porque esa semilla por el maltrato 56 que tiene de su dueño se va alejando a otro lugar donde puedan criarla mejor. Entonces, un día cuando yo bajaba al pueblo me encuentro con la semilla de maíz, ya me había pasado, pero me acordé de lo que me dijo mi padre, entonces regresé y me lo recogí. Esto había sido cierto porque a esa semilla la cuide mucho y también me produjo buena cosecha (Cipriano Armas in Urpichallay 1999: 27). Indem der Bauer die Kartoffel in seine chacra aufnimmt, trägt er dazu bei ihr Leid zu lindern, im Gegenzug beschert sie ihm eine gute Ernte. Auch hier handelt es sich um eine Form der Saatgutbeschaffung. Abb. 6: Feria de semillas in Vicos Quelle: Urpichallay. Auch Urpichallay fungierte, wie die folgenden Aussagen zeigen, in verschiedenen Momenten als Saatgutquelle. Im Rahmen einer feria de semillas (Abb. 6) wurde 1998 interessierten Bauern Zugang zu lokalen Sorten verschafft. Außerdem erhielten verschiedenen Sektoren, u.a. Wiyash, lokale Sorten als Saatgut für den gemeinschaftlichen Anbau. Nach der Aufteilung des Ernteertrags auf alle comuneros des Sektors übernahmen die Bauern die lokalen Sorten in ihre chacras. A partir de la feria de semillas, es que hemos recogido en 1998 semillas nuevas, que ya habíamos perdido muchos en nuestras familias, esta feria organizó Urpichallay, ahora la mayoría de personas ya comenzó hacer volver de nuevo las semillas a su chacra, antes solo algunos de los sectores conservaban su semilla, pero ahora ya todos tienen siquiera 57 alguito para probar en la casa, y para que también nuestros hijos conozcan y no se olviden de estas semillas (Margarita Lliuya in Urpichallay 2001). - el año pasado Urpichallay nos dio semilla de papa nativa al sector de Wiyash, en la cosecha comunal fue distribuido a todos, ahora todos tienen en sus chacras (Gruppe INT1). Betrachtet man die weiteren Bezugsquellen für Saatgut, so wird aus Tab. 4 ersichtlich, dass im Falle von Tausch und Geschenk häufig der Familien- und Freundeskreis konsultiert wird. Jeder kennt Orte, die bekannt sind für die gute Qualität ihres Saatguts. Oft handelt es sich um höher gelegene Anbauzonen. Diese können sowohl innerhalb der comunidad (Quebrada Honda), als auch außerhalb (Catac, Tinca) liegen. Vicos zählt selbst zu den comunidades, die bis heute von Bewohnern der benachbarten comunidades (Pariahuanca, Pampamarca, Pashpa, Huapra) zum Saatguterwerb aufgesucht werden. Allerdings hat die Nachfrage von außen im Vergleich zu früher nachgelassen, wie einige ältere Bauern bemerken. Es bestehen keine festgelegten Saatgutverbindungen zwischen Bauern und bestimmten Zentren der Vielfalt. Jedes Feld kann aufgrund von Familienbindungen, ökologischen Bedingungen oder Arbeitsangebot zur Bezugsquelle werden. 33 Allerdings findet bis heute ein traditioneller Austausch von Kartoffeln der Cordillera Negra und Mais der Cordillera Blanca statt (Urpichallay 1999: 134). Wichtige Quellen für den käuflichen Erwerb von Saatgut sind für die Vicosinos die Märkte (ferias) in Carhuaz (mittwochs und sonntags) und Huaraz (montags und donnerstags). Nach Huaraz kommen Knollen aus Cajamarca, Huancayo, Huánuco und Lima, nach Carhuaz v.a. aus der Region und dem benachbarten Callejón de Conchucos (Urpichallay 1999: 136). Da lokale Sorten nur zu einem kleineren Anteil auf den Märkten vertreten sind, kommt den auf sozialen Netzwerken beruhenden Tauschbeziehungen eine erhöhte Bedeutung als Saatgutquelle zu. 33 Zimmerer (2003: 594) betont die Bedeutung von Netzwerken mehrerer comunidades für die Saatgutbeschaffung im Gegensatz zu bilateralen Tauschbeziehungen. 58 5.2.2 Eigene Saatgutproduktion, Selektion und Lagerung Einen Großteil ihres Saatguts gewinnen die Vicosinos durch die eigene Ernte. Dabei wissen sie genau, wie sie es durch die Rotation zwischen verschiedenen Höhenstufen auffrischen können. En esta parte poco ya da esta papa nativa pero siempre sembramos, de aquí ya saco mi semilla para sembrar en la quebrada y buen resultado ya me da, con mayor cantidad de tubérculos y de buena calidad y más harinoso. Ya es pues así que lo tengo mi semilla nativa de la parte alta lo bajo y de la parte baja ya lo llevo en la parte alta (German Tafur in Urpichallay 1999: 135). Auch Selektion und Lagerung entscheiden über die Vielfalt der Saatkartoffeln. Mit der Wahl des Saatguts bestimmen die Bauern, welche Sorten weiterhin angebaut werden. Die Technik der Lagerung beeinflusst Qualität und Lebensfähigkeit der ausgewählten Saatkartoffeln. Werden die Kartoffeln im Anschluss an die Ernte aufgeteilt, wie etwa bei gemeinschaftlichen Ernten des Sektors, so kann die Selektion des Saatguts noch auf der chacra erfolgen, ansonsten wird sie im Haus des Bauern vorgenommen. Die Vicosinos beschreiben ihre Vorgehensweise bei der Selektion der Kartoffeln folgendermaßen: - las papas grandes son para el mercado, las chicas para semilla, el resto y las papas muy grandes para consumo (Don Julio INT2). - si la papa huayro sale muy grande ya no se usa para semilla sino para consumo (Doña Juana INT3). - la primera es la selección de papa grande para el mercado, en la segunda escogemos la papa mediana para el mercado, en la tercera papa chica y sana para semilla (Doña Fana INT18). Hauptkriterium der Auslese ist die Größe der Kartoffeln. Große Knollen sind für den Markt, mittlere und einzelne, besonders große Knollen für den Konsum bestimmt. Als Saatgut bevorzugen die Bauern kleine gesunde Kartoffeln mit möglichst vielen Augen. Lokale Kartoffeln werden als Mischung selektiert, d.h. einzelne Sorten werden nicht hervorgehoben oder gesondert behandelt. Allerdings achten die Bauern darauf, dass ein paar Knollen jeder Sorte für die 59 nächste Saat aussortiert werden. 34 Für die Entwicklung der Sortenvielfalt bedeutet dies, dass sich die ertragreichen lokalen Sorten natürlich durchsetzen. Die Bauern erhalten auf diese Weise eine höhere Vielfalt, als es der Fall wäre, wenn sie bestimmte Sorten nach Kriterien der Resistenz und Risikominimierung als Saatgut bevorzugen würden (Zimmerer 1996: 200). Abb. 7: Selektion nach der Familienernte Quelle: Eigene Aufnahme 2005. Abb. 8: Selektion der faena comunal des Sektors Cachipachán Quelle: Eigene Aufnahme 2005. 34 Diese Informationen stützen sich auch auf die Beobachtung und Teilnahme bei vier teils individuellen, teils gemeinschaftlichen Ernten von verbesserten und lokalen Kartoffeln in der Quebrada Honda. 60 Wie folgende zwei Zitate andeuten, ist die Saatgutselektion in Vicos traditionell Aufgabe der Frau (Abb. 7). - semilla madre se dice porque las mujeres somos encargadas en seleccionar las semillas (Gruppe INT1). - las mujeres escogen más las papas nativas, para el mercado escogen todos, antes un varón que escogía era visto como mujer (Don Pablo T. INT17). Zwar wird die Auslese heute teilweise auch von Männern ausgeführt – dies konnte etwa bei der gemeinschaftlichen Ernte des Sektors Cachipachán beobachtet werden (Abb. 8) – darauf angesprochen betonten die Bauern jedoch stets die besondere Rolle der Frau und ihr ausführliches Wissen im Umgang mit Saatgut innerhalb der Familie (I19). Die Einheit von Frau und Erde durch das Leben, das beide hervorbringen, ist in den Anden weit verbreitet und äußert sich einerseits in Begriffen wie Pachamama, mama acshu (Mutter Kartoffel) und mama sara (Mutter Mais), andererseits in einer Arbeitsteilung, nach der die Frau für die Verwaltung und Pflege des Saatguts verantwortlich ist (Tapia und de la Torre 1998: 9; Salas 1996: 145). Für die Lagerung der Saatkartoffeln kennen die Vicosinos verschiedene Techniken: - preparamos el almacén con eucalipto y muña, el piku hacemos con okosh e ichu (Don Octavio INT4). - almacenabamos en puku, hecho de barro, como un hueco en una esquina, las paredes hacíamos con adobe, piedritas o palos, al fondo ponía muña, después del año 75 también poníamos eucalipto (Señora mayor INT12). - uchpa es ceniza de la cocina que se echa para prevenir polilla en el almacén, Cullhuash no tiene polilla porque es pampa y más alto (Don Pablo T. INT17). - se conserva con ichu, a veces se conserva junto semilla y papa para consumo, antes lo guardaban en una cueva en la Quebrada Honda, quedaba fresquita la papa, será por la altura (Don Agostin INT22). - ya no se hace el almacenamiento con eucalyptus, es costumbre de antes (Don Julio INT2). Nach der Ernte werden die Saatkartoffeln zunächst in die Sonne gelegt, damit sie grün werden (Urpichallay 1999: 50). Je nach Klimaverhältnissen sind 61 bestimmte Lagertechniken erforderlich, um das Saatgut frisch zu halten und vor Schädlingen (z.B. Motten und Larven) zu schützen. Positiv wirkt sich besonders das kühle Klima der oberen Höhenstufen (Cullhuash, Quebrada Honda) aus, allerdings ist die Aufbewahrung des Saatguts in Höhlen nahe der chacra nicht mehr üblich. Vielmehr erfolgt die Lagerung in einer Mulde oder Ecke innerhalb des Hauses, manchmal in speziellen Lagern aus Stöcken, adobe oder Steinen. Der Boden des Lagers wird mit Eukalyptus und muña 35 ausgelegt. Nach Aufhäufen der Kartoffeln werden diese mit Asche bestreut und anschließend mit 36 Eukalyptus, muña oder ichu abgedeckt. Wie das letzte Zitat und das in diesem Zusammenhang entstandene Foto in Abb. 9 zeigen, wird diese traditionelle Technik nicht mehr von allen Vicosinos angewandt. Abb. 9: Lagerung der Kartoffeln Quelle: Eigene Aufnahme 2005. 5.3 Anbau Im kontinuierlichen Anbau verschiedener Kartoffelsorten durch die Bauern erfolgt die eigentliche Erhaltung biologischer Vielfalt. Hier vollzieht sich der 35 36 Minzpflanze. Heu, Gras der obersten Höhenstufe. 62 Reproduktionsprozess, der ebenso Grundlage menschlichen, wie pflanzlichen Lebens ist. Die folgende Abbildung zeigt, wie sich die verschiedenen Phasen des Kartoffelanbaus auf den drei Anbaustufen in Vicos über das Jahr verteilen. Abb. 10: Agroökologischer Kalender des Kartoffelanbaus in Vicos Sep Aug Okt Jul Jun Nov Mai Dez <4000 <3700m Apr Jan <3200m Feb März Landbereitung Saat Pflege Ernte Trockenzeit Regenzeit Quelle: Eigene Darstellung nach Urpichallay 1999: 41, 51 und 57. Während der Trockenzeit beginnt auf der untersten Stufe der bewässerte 37 Anbau der papa miska , deren Aussaat von Mai bis Juli stattfindet und überwiegend aus den Sorten yungay und canchán besteht. Der Kartoffelanbau auf den beiden höheren Stufen beginnt kurz vor Einsetzen der Regenzeit, die Aussaat erfolgt zwischen September und Dezember. So ergibt es sich, dass fast das ganze Jahr hindurch Kartoffeln geerntet werden. 37 Frühe Kartoffelaussaat in chacras, die nicht vorbereitet werden müssen, da die Aussaat direkt auf die Ernte folgt. 63 Im Folgenden werden die verschiedenen Anbauphasen von Landbereitung bis Ernte in Vicos dargestellt. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Anbau in der höher gelegenen Quebrada Honda, wo traditionell die meisten lokalen Kartoffelsorten angebaut werden. 38 Nach einem verbreiteten Rotationsmuster säen die Bauern dort im ersten Jahr Kartoffeln, im zweiten Jahr oca, olluco und mashua, anschließend wird das Feld fünf bis sieben Jahre – teilweise sogar länger – brachliegen gelassen (Urpichallay 1998: 8). Die jeweiligen Praktiken und Aufgabenteilungen sollen nun unter besonderer Berücksichtigung des bäuerlichen Wissens erläutert werden. Zudem werden einige typische Arbeitstauschregelungen beleuchtet, mit denen die Vicosinos den Anbau organisieren. 5.3.1 Landbereitung und Saat Bevor sie die Kartoffeln aussäen, führen die Bauern eine Reihe von Aktivitäten zur Vorbereitung der chacra aus. Das erste Aufbrechen der chacra – der chakmeo – erfolgt je nach Bodenbeschaffenheit mit barreta oder yunta (Abb. 11/12). Aus den Felsbrocken und dem Geäst auf den chacras errichten die Bauern Steinwälle (pircas), welche dem Schutz vor Schäden durch frei weidende Tiere dienen. Bis zur Ernte wird der Boden mehrmals gepflügt (barbecho), zuletzt werden größere Erdklumpen mit einer Hacke (pico oder chuzo) zerschlagen (Urpichallay 1998: 2). 38 Es ist allerdings zu beachten, dass auch die Quebrada Honda keine einheitliche Anbauzone ist. Die im Flusstal gelegenen chacras sind in der Regel ebener und großflächiger als die chacras der Berghänge. 64 Abb. 11: Pflügen mit barreta Abb. 12: Pflügen mit yunta Quelle: Florencia Zapata. Quelle: Florencia Zapata. Die folgenden zwei Aussagen zeigen weitere Aspekte, die bei der Landbereitung eine Rolle spielen. Die Vicosinos und – wie das erste der folgenden Zitate zeigt – auch die lokalen Kartoffeln bevorzugen chacras, die mehrere Jahre brach lagen. Über ihre Vegetation teilt die chacra dem Bauern mit, wann sie sich hinreichend erholt hat. Esta mi chacra ha descansado ya 5 años, ahora ya le toca entrar a trabajar, aquí en la Quebrada Honda, a estas mis papas nativas les gusta terreno descansado, ya la misma chacra nos avisa cuando debemos entrar a trabajar, a la vista si crece champa (kikuyo), ya debemos entrar, pero si crece puka ccora, aun no ya que la chacra pide descanso, aquí trabajamos con barreta por que la chacra es fuerte después que descansa y todo lo hacemos en minka, ayudándonos unos a otros (Juan Reyes Mendoza in Urpichallay 2001). La yunta también nos ayuda a trabajar la chacra, con ella aramos el suelo cuando esta húmedo y cuando no hay mucha champa (kikuyo), si no esta champa no deja avanzar hasta puede romper el arado, para esto antes de nada pedimos a San Isidro Labrador para que nos ayude a arar la chacra ya que son sus animales, y así solo con su permiso podemos hacer el trabajo en la chacra (Víctor Quinto in Urpichallay 2001). Die Arbeit des chakmeo ist hart, weshalb die Vicosinos ihn oft in gegenseitiger Hilfe (z.B. minka) verrichteten. 39 Darüber hinaus bitten sie den heiligen San Isidro Labrador als Herrn der (Pflug-)Tiere um seine Unterstützung. Auch in anderen Momenten des Anbaus werden Heilige durch Opfergaben, Messen 39 Eine detaillierte Beschreibung der Arbeitsregelungen folgt in Kap. 5.3.4. 65 und Prozessionen um ihren Segen gebeten, so z.B. der heilige San Juan oder die mama meche, Schutzpatronin von Vicos und lokale Variante der heiligen Virgen Mercedes (persönliche Mitteilung Urpichallay). An der Saat ist die ganze Familie beteiligt. Der Mann öffnet die Furchen oder Saatlöcher mit yunta oder chuzo, während die Frau die Knollen in die Erde gibt. Weitere Personen, oft auch die Kinder, fügen Dünger hinzu. Wie bei der Selektion ist auch bei der Ernte der direkte Kontakt mit dem Saatgut der Frau vorbehalten. Indem sie die Knolle mit dem nackten Fuss in der Erde festigt, erweist sie ihr Respekt (Urpichallay 1998: 7). Die Aussaat erweist sich als ein heiliger Akt, den die Bauern mit Ehrfurcht begehen. Dazu suchen sie, wie die folgenden Zitate zeigen, den Dialog mit den Heiligen und Seelen, den Schutzbergen, der Pachamama und Gott. Cuando comienzo a abrir el primer surco lo primerito que hago es persignarme en nombre de los santos chacareros, las almas, los abuelos (cerros), la pachamama y también el señor Dios, le digo: en este día pachamama en tu pacha, en tu corazón, dejo mi semilla y tú ya cuidarás hasta que llegue la cosecha, ya sabes cómo vas a tener a tu hijo, y criame para que todo el año no me falte nada (Domingo Colonia Huaman in Urpichallay 2002: 221). Todos los años como de costumbre vengo a sembrar papas nativas, aquí a la Quebrada Honda y como siempre, antes de comenzar la siembra de papa primero hago mi pago a la Allpamama y a los abuelos quienes después de la siembra lo van a cuidar, luego todavía comienzo a hacer el primer surco y de la misma manera mi señora también hace antes de votar la primera semilla a la Allpamama (Marino Quinto Apeña in Urpichallay 2001). Durch Opfergaben (pagos) werden die Gottheiten um ihre Unterstützung bei der Aufzucht der Kartoffeln gebeten. Ein typischer pago an die apus besteht aus verschiedenen Getreidesorten und soll Kraft für die Arbeit bringen. - si no estuvieran los cerros no nos cansaríamos, hay que darles su paguito, su machcay, es harina de 7 o también pueden ser 2-3 cereales, por ejemplo maíz, habas y cebada (Don Victor S. INT21). Bei der Festlegung des Zeitpunkts der Aussaat orientieren sich die Vicosinos an verschiedenen Faktoren, zu denen auch die Mondphase zählt. An Neumond wird es beispielsweise vermieden zu säen, da sonst die Pflanzen zwar hoch wachsen, jedoch keine Knollen tragen. Die Saat bei Vollmond verspricht dagegen eine gute Ernte (Vázquez 1952: 71; Urpichallay 1998: 4). Des 66 Weiteren lassen sich die Bauern in ihren Aktivitäten durch diverse Zeichen in der Natur leiten, die z.B. die Regenwahrscheinlichkeit vorhersagen. Graue Wolken über den Lagunen Llacshac und Legia deuten ebenso wie die Anwesenheit von Glühwürmchen (nina kuro) auf bevorstehende Niederschläge und eine gute Ernte hin. Taucht dagegen der Käfer toro kuro in den chacras auf oder hört man die Lagune Warancayoc heulen, dann werden sich die Niederschläge zurückziehen (Urpichallay 1998: 9). Die Vicosinos praktizieren verschiedene Formen des kombinierten Anbaus. So pflanzen sie verbesserte und lokale Sorten in unterschiedlichen Abschnitten innerhalb einer chacra an (Abb. 13). Während sie erstere in geraden Furchen säen, werden die lokalen Sorten in geringeren Abständen auch durcheinander angepflanzt (Urpichallay 1999: 57). Den Vorteil des gemeinsamen Anbaus verbesserter und lokaler Sorten in einem Feld sehen die Bauern in dem Wettbewerb, der zwischen beiden entsteht und zu höheren Erträgen führt. Después de preparar bien el terreno empiezo a surcar para sembrar la papa nativa mezclado con toda variedad y en la parte baja la papa yungaina. Lo que siembro de papas nativas son las variedades: condor warmi, huayro, wilcu, chincus, racta frazada, así varias papas combinando lo siembro para ver cual de ellos me rinde mejor, pero estas papas tienen celos con la papa mejorada, resulta pues que ambas tienen buena cosecha y de competencia producen de cuatro a cinco kilos por mata (Cipriano Armas Urpichallay 1999: 53). Abb. 13: Chacra mit lluta papa Quelle: Urpichallay. 67 Einen weiteren Vorteil der Zuweisung lokaler Sorten auf kleine Abschnitte in verschiedenen chacras erläuterte Don José (INT8), dessen chacra von weidenden Tieren, Frost und Schädlingen heimgesucht worden war. Da er auch an anderer Stelle lluta papa angebaut hatte, zeigte er sich zuversichtlich, dort bessere Erträge zu erreichen. Die Vicosinos verfügen über eine Vielzahl risikominimierender Praktiken. So werden Kartoffelfelder oft mit einer Reihe chocho umgeben, um den Schädlingswurm gorgojo fernzuhalten. Häufig werden Kartoffeln auch zusammen mit oca, olluco, mashua und quinoa angepflanzt (Urpichallay 1998:7). Dies kann sich als Vorteil für die Kartoffeln erweisen, da olluco und mashua weitaus weniger anfällig für Schädlinge und Pilzkrankheiten sind (Gade 1975: 49). 5.3.2 Pflege In ihrer Wachstumsphase ist die Kartoffel besonders anfällig für Schäden durch extreme Wetterlagen, Pflanzenkrankheiten und Plagen. Die Vicosinos verfügen über verschiedene Strategien, um mit dieser Bedrohung umzugehen. Ca. zwei Monate nach der Aussaat beginnt der erste aporque (Anhäufeln), bei dem die Kartoffelpflanzen mit Erde aufgehäuft werden, um die Knollenentwicklung anzuregen. Bei dieser Gelegenheit entfernen die Bauern Unkraut und wenden, falls nötig und möglich, Dünger und Pflanzenschutzmittel an. Einen Monat später wird der Vorgang wiederholt (Urpichallay 1999: 58): El primer aporque se hace en los meses de enero y febrero, también utilizo un poco de abono químico para hacer reforzamiento de mis cultivos, esto lo hago cuando tengo plata si no así nomás lo aporco, así mismo hago el control fitosanitario contra la enfermedad de la rancha, compro Furadán con adherente. El segundo aporque lo practico a los fines de enero, o febrero, depende cómo he puesto mis semillitas, nuevemente hecho el Furadán junto con abono foliar más adherente, cuando hay mucha lluvia hago el control 5 a 6 veces. De esta manera evito la enfermedad. Así mismo tengo que cuidar de los daños de los animales (Francisco Evaristo Cruz in Urpichallay 1999: 58). Die Anwendung von chemischen Düngemitteln fällt in der Quebrada insgesamt geringer aus als in den unteren Stufen. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass die Böden der höheren Lagen durch lange Brachzeiten weniger 68 beansprucht sind. Oft sind auch die finanziellen Möglichkeiten der Bauern ausschlaggebend für die verwendeten Mittel. Allgemeine Praxis ist die Verwendung organischen Düngers aus verwesendem Pflanzenmaterial (abono foliar) oder Tierdung (guano de corral). In den unteren Stufen halten die Bauern nach alter Tradition ihre Tiere einige Zeit in beweglichen Gehegen auf ihren Feldern (majadeo). Zudem verwenden heute viele vermehrt den an der Küste produzierten Vogeldung (guano de la isla, guano de gallina). - antes no curaban la papa nativa, daba bien, hoy ya no, después de Vázquez empezó el abono con guano de la isla (Don Julio INT2). - para buena cosecha antes usaba majadeo, hoy el 50% es abono sintético, hasta los años 65-70 se usaba puro guano de la isla, hoy venden este guano mezclado con tierra, los Peruanos estamos malogrados con la plata, ahora se usa más guano de gallina de la costa (Don Manuel INT7). Die natürlichen Gefahren für die chacras werden von den Vicosinos teilweise auf menschliches Fehlverhalten zurückgeführt. Das folgende Zitat beschreibt die Entstehung des gorgojo-Wurms als Folge mangelnden Respekts eines Vicosinos gegenüber seiner Mutter: Mis abuelos cuentan sobre la plaga de gorgojo de los Andes. Dice un señor de Vicos se fue de yerno a la comunidad Túpac Yupanqui. Se acostumbró y se dedicó a sembrar papa y logró una buena cosecha. Su mamá – luego de un largo tiempo – se recordó de su hijo quién no se acordaba de ella. Cuando su hijo estaba cosechando papa, ella dijo: voy a hacer cambio con mi trigo estaquilla de 8 kilos. Se fue la señora y cuando se acercaba a la chacra de cosecha de papa, su hijo se dió cuenta que su mamá estaba entrando, y le dijo a su esposa: tápame con la hoja de papa para que mi mamá no me vea. Su esposa lo tapó cumpliendo el mandato de su esposo. Su mamá llegó a la chacra de cosecha de papa y encontró solamente a los familiares de su nuera, al no ver a su hijo se regresó con pena llorando. Al ver que su suegra regresaba, la esposa recién descubrió a su esposo de las hojas de papa, cuando hizo ésto encontró solamente papa curu, gorgojo de los Andenes. Desde ese momento el gorgojo empezó a incrementar, a malograr a las papas (Juan in Urpichallay 1999: 29). Ähnlich werden auch klimatische Ereignisse gedeutet. So kann Hagel mit der heimlichen Abtreibung eines Kindes in Verbindung gebracht werden, Wirbelwinde wiederum deuten auf einen Fall von Inzest hin (Urpichallay 1998: 9). Um Ernteschäden abzuwenden und die Harmonie in der Gemeinschaft von Mensch und Natur wieder herzustellen, waren früher die traditionellen Auroritäten (varayoq) dafür verantwortlich, einem Vergehen nachzugehen und 69 es gegebenenfalls zu bestrafen (Stein 2000: 170-171). Bis heute organisieren sie Messen, um für Regen zu beten oder achten darauf, dass in der comunidad keine Frau abtreibt (persönliche Mitteilung Urpichallay). Durch genaue Beobachtung der Natur lassen sich bestimmte Gefahren vorhersagen. So haben die Bauern die Möglichkeit, Schutzmaßnahmen zu treffen: - si en las estrellas se ve una barreta que se cae significa helada (Don Victor S. INT21). Don Agostín (INT22) beschreibt verschiedene Praktiken zur Vorbeugung von Frostschäden, indem man zum Beispiel Salz auf der chacra verteilt oder ein Feuer errichtet. Früher pflegten die varas den Frost auch durch Schläge mit einer Peitsche von den Feldern zu vertreiben. Auch Träume werden als Zeichen gedeutet, beispielsweise wenn die chacra in menschlicher Gestalt auf ihre Bedrohung durch weidende Tiere hinweist: - cuando sueño con que yo o un niño está llorando, es mi chacra en la Quebrada Honda deciendome los animales se me están comiendo (Gruppe INT1). All die vorangegangenen Beispiele zeugen von einem Dialog mit der Natur, der es ermöglicht, Gefahren zu erkennen und abzuwehren. 5.3.3 Ernte Die Reifezeit der Kartoffel beträgt ca. sechs Monate. Einige Wochen vor der Ernte werden bei Kurzbesuchen in der Quebrada die Blätter der Kartoffelpflanzen abgeschnitten und als Tierfutter verwendet (Urpichallay 1999: 58). Außerdem werden einige Kartoffeln zur Probe geerntet. Daran können die Vicosinos absehen, wann der beste Zeitpunkt für die Ernte ist und so die entsprechenden Vorbereitungen treffen. Außerdem werden die Kartoffeln durch die Probe veranlasst, ihren Reifeprozess in einer Art Wettbewerb zu beschleunigen. - Ahora están probando a la chacra cuando será listo para cosechar, cuando madura las hojas empiezan a amarillarse, éste es el momento para probar los primeros tubérculos, después de la primera prueba empieza a madurar más rápido para ganar a las chacras que no están 70 probadas, las papas que no han sido probadas no quieren quedarse en la chacra, quieren irse al almacén (Gruppe INT1). In der Quebrada Honda beginnt die Ernte im Mai, wobei die Hauptphase – die cosecha grande – in die Monate Juni und Juli fällt. Zu diesem Anlass ziehen die Bauern mit ihren Familien für mehrere Tage in Höhlen und Hütten in die Nähe ihrer chacras. Es gibt zwei Arten der Ernte, die Familienernte (cosecha familiar) und die gemeinschaftliche Ernte des Sektors (cosecha del sector). An erster sind überwiegend Familienangehörige beteiligt, an zweiter die Mitglieder des jeweiligen Sektors. Geerntet wird je nach Größe der chacra mit chuzo und/oder Pflug. Abb. 14 zeigt Vater und Sohn bei der Ernte mit chuzo. Oft werden bereits die neuen chacras für die folgende Anbausaison geöffnet. Das folgende Zitat beschreibt den typischen Handlungsablauf der cosecha familiar : - en Junio hay dos actividades en la cosecha familiar: uno, los varones abren una nueva chacra que anterioramente estaba en descanso y dos, las mujeres y hijos pequeños cosechan con chuzos, como son chacras pequeñas no se necesita buye, despues varones llegan para cargar, siempre tenemos ayuda de familiares como sobrinos, hermanos... (Gruppe INT1). Abb. 14: Don José mit seinem Sohn bei der Ernte Quelle: Eigene Aufnahme 2005. 71 Abb. 15: Ernte in faena comunal in der Quebrada Honda Quelle: Eigene Aufnahme 2005. Während bei der Familienernte auch Frauen und Kinder ernten, werden die großflächigen chacras der Sektoren unter Einsatz des Ochsenpflugs und überwiegend von männlichen comuneros abgeerntet (Abb. 15). Die Frauen sind für die Zubereitung des Essens zuständig, darüber hinaus hüten sie Pferde, Stiere und Esel. Häufig lassen sie diese auf den abgeernteten Feldern weiden, während sie selbst mit den Kindern beim rastrojeo nach Kartoffeln suchen, die bei der Ernte übersehen wurden (Abb. 15). Die Männer kümmern sich schließlich um den Transport der Kartoffelsäcke auf Pferden oder Lastwagen. Bei der gemeinschaftlichen Ernte wird zuvor das Saatgut für das nächste Jahr aussortiert und der übrige Ertrag mit Hilfe einer Waage gleichmäßig auf alle comuneros aufgeteilt. Bei der cosecha familiar erhalten ebenfalls alle Helfer einen Teil der Ernte (pellé). Eine genauere Erläuterung der traditionellen Arbeitsregelungen minka und faena comunal erfolgt im anschließenden Kapitel 5.3.4. Das folgende Zitat zeigt, dass die Ernte mehr beinhaltet als das Einholen der Kartoffelerträge. Sie ist ein soziales Ereignis, zu dem auch festliche Speisen und eine ausgelassene Stimmung gehören: Para la cosecha siempre acostumbramos reunir a nuestras familias para que vengan en la cosecha y junto con ellos cosechamos con yunta; [...] Todos en la cosecha sacan su cuwe (papa grande de la cual el cosechador se enamora) y se llevan como recuerdo de la cosecha. Las señoras se encargan de cocinar para medio día, hacen papa yanu, tambíen ese día 72 preparan su papa cashqui con su cuy y también su pachamanca que denominamos huatia, en esta huatia lo ponemos de todo, echamos habas, choclo, papa. En la cosecha no falta el ismu ó papa podrida, con esa papa jugamos todos, niños y adultos, los varones, y así pues cosechamos alegremente nuestras papitas y las papas también están contentas y más todavía aumenta la cosecha cuando jugamos así. Luego casi para terminar se le da su pellé a cada uno (Cipriano Armas in Urpichallay 1999: 49). Die Kartoffeln sind nicht nur Nahrungsmittel, sondern tragen vielmehr als Teil der Familie zur allgemeinen Geselligkeit bei. Im Hinblick auf die Kommunikation unter den Bauern spielt die Ernte eine wichtige Rolle. Aktuelle Erträge werden im Vergleich mit den Vorjahren ausgewertet, Darlehen werden verrechnet und Verkauf und Transport mit verschiedenen Bauern abgestimmt. Anekdoten von vergangenen Ernten werden in Erinnerung gerufen und verschiedene Nutzungsmöglichkeiten bestimmter Sorten diskutiert (Salas 1996: 172). 5.3.4 Organisation der Arbeit In manchen Momenten des Anbaus reicht die Arbeitskraft der Familie nicht aus, weshalb die Vicosinos sich in Solidaritätsgruppen zur gegenseitigen Unterstützung zusammenschließen. Bei der minka erfolgt die Arbeitsleistung im Austausch gegen Verpflegung sowie einen festgelegten Teil der Ernte (pellé). Wie bereits im Zusammenhang des Saatguterwerbs dargestellt wurde, ist das pellé vor dem Hintergrund traditioneller Tauschbeziehungen sowohl Geschenk als auch Bezahlung. Beim rantín wird eine Arbeitsleistung zu einem anderen Zeitpunkt erwidert. Die Vicosinos pflegen in diesem Zusammenhang den Leitspruch „ware qampata, waratin nokapata" oder „hoy por ti, otro día por mi". Auch hier erfolgt die Verpflegung der Helfer durch den Besitzer der chacra. Der aporque wird meist mit Hilfe des rantín erledigt, da er sehr arbeitsaufwendig ist und noch keine Ernte zu verteilen ist (Gruppe INT10; Don Manuel INT11). Minka und rantín werden heute noch überwiegend zwischen Familienmitgliedern und engen Freunden ausgeübt. Wie man den Aussagen der Bauern entnehmen kann, hat die minka im Vergleich zu früher an 73 Popularität verloren. Viele bevorzugen es nach jornales, das bedeutet mit 10 soles pro Arbeitstag, entlohnt zu werden. Teilweise hat mit der Verkleinerung der chacras auch der Bedarf an Hilfskräften abgenommen: - ya no trabajan tanto con minka, más con sueldo (Don Pablo R. INT9). - ya no practican minka, peones son pagados con jornal porque el gobierno lo decidió (Gruppe INT10). - hoy vienen a pedir jornal que son 10 soles, ya no quieren pellé porque el precio de papa está muy bajo, pero hay que dar comida al medio día (Don Manuel INT7) - antes se trabajaba en minka, hoy poco porque los terrenos son cada vez más chicitos y hay cada vez más gente (Don Agostín INT22). Der Anbau auf den chacras der Sektoren erfolgt in der gemeinschaftlichen Arbeit aller comuneros (faena comunal). 40 Der Ertrag wird nach Abzug des Saatguts für das nächste Jahr auf alle verteilt. Die jeweilige Führung des Sektors ist für die Organisation und Überwachung der Arbeit zuständig. Die Teilnahme ist für die comuneros verpflichtend. Bei Mißachtung werden Strafen verteilt in Form eines Tageslohns (jornal oder trimestre), wobei auch von Ausnahmen berichtet wird: - no participo en la faena comunal, mando trimestres (Don Agostín INT22). - no voy a participar en la faena comunal de Cachipachan, pero no me ponen multa, solo te ponen multa si faltas después de participar desde el principio (Don José INT8). Im Rahmen aller drei Arbeitsregelungen spielt die Bereitstellung von Essen, Kokablättern, Zigaretten und Alkohol eine wichtige Rolle. Kommt der Besitzer der chacra seiner Verpflichtung nicht nach, wird die Arbeit als wertlos angesehen, wie dieses Zitat aus der Zeit der Hazienda zeigt: Cuando uno tiene que regar de noche porque el agua no alcanza, la Hacienda no nos da nada. Nosotros tenemos que amanecer sin alcohol, sin cigarros y coca. Así no hay valor... (Eugenio Leiva in Stein 2000: 205). Die folgenden Aussagen geben Hinweise auf die verschiedenen Funktionen der Koka und ihre Bedeutung für die Arbeit. 40 Zu den weiteren Arbeiten, die in faena comunal erledigt werden, gehören all diejenigen, die dem Gemeinwohl der Vicosinos dienen, z.B. Wegeausbesserung, Brückenbau, Kanalreinigung, u.a.. 74 - en la faena comunal tenemos el costumbre del boleo donde nos sentamos a chacchar, tomar y conversar entre las 10 y 11 de la mañana (Gruppe INT19). - chacchar coca es para devolver a los apus y la chacra, da ánimo se dice, los jovenes ya no chacchan, solo en la Quebrada Honda chacchan, abajo no (Don Octavio INT4). - la forma de como sale la coca de la boca le dice si va a avanzar en su trabajo, media hora antes de empezar a trabajar chaccha coca para perdir ayuda de la pachamama, su primo ya no chaccha, sus abuelos sí y el también (Don Manuel INT7). - cuando llegamos a la chacra chacchamos coca, siempre dejamos un poco bajo una gran piedra para los apus, jircas y la pachamama (Don Manuel INT11). En la tarde ya cuando estamos cansados de cosechar nos ponemos a catipar o chacchar (masticar coca) en nombre de los abuelos de ambas cordilleras que tenemos en nuestra Quebrada Honda, lo invocamos siempre Hatún Senca y cerro Virgen Asunciona, frente a ellos siempre pedimos a que nos cuide, para que no nos pase nada durante toda la semana que nos quedamos, solo así dormimos tranquilos (Juan Reyes Mendoza in Urpichallay 2001). Der Akt des Kokakauens (chacchar) erfolgt in bestimmten Momenten der Arbeit (boleo), zum Beispiel eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn, zwischen zehn und elf Uhr vormittags und nach der Arbeit (Abb. 16). In diesen Momenten wendet 41 sich der Bauer zunächst an die apus, jircas und die Pachamama und bittet sie um ihre Unterstützung. Üblicherweise werden ihnen auch einige Kokablätter überlassen, die der Bauer zum Beispiel unter einem Stein auf der chacra plaziert. Die Koka dient den Vicosinos auch als eine Art Orakel. Je nachdem mit welchem Ende zuerst ein Kokablatt aus dem Mund kommt, kann der Bauer erkennen, ob seine Bestrebungen von Erfolg gekrönt sein werden, oder nicht. Durch das Kokakauen sehen sich die Bauern in einer Linie mit ihren Vorfahren. Allerdings praktizieren jüngere Vicosinos diesen Brauch nur noch teilweise, am ehesten in der Quebrada Honda, was sicherlich damit zusammen hängt, dass dort der Anbau in unmittelbarer Nähe zu den apus und mit eher traditionellen Praktiken stattfindet. 41 Jircas sind Gottheiten in Felsen. 75 Abb. 16: Vicosinos beim boleo Quelle: Florencia Zapata. Wagner beschreibt das Kokakauen treffend als Routine und Ritual (1976: 196), mit deren Hilfe sich die Bauern zeitlich (Strukturierung des Arbeitstages), räumlich (Bezug zur lokalen Umwelt) und religiös (Verehrung der lebendigen Umwelt) orientieren (Wagner 1976: 202-203). Dabei dient Koka nicht nur zur Festigung der Beziehung zwischen Mensch und Gottheiten, sondern ebenso zur Besiegelung reziproker Arbeitsregelungen unter den Menschen. „La coca (junto con el alcohol) es el vehículo cultural adecuado de expresión de dar y recibir, obligación y contra-obligación, que une la sociedad andina“ (Wagner 1976: 213). Es existiert eine Etikette, wonach festgelegt ist, wer Koka wann und wie anzubieten hat. In gleicher Weise ist die Verteilung von Essen und Alkohol von einer Reihe ritualisierter Handlungsschritte geregelt. Eine Einladung zum Trinken wird stets dankend angenommen und vor Leeren des Bechers mit den Worten „te invito“ an den nächsten weitergegeben. Das Servieren des Essens erfolgt durch die Frauen, wobei die angesehensten Personen zuerst bedient werden. Anschließend laden die Männer ihre Frauen und Kinder ein, indem sie ihnen einen Teller servieren. Dies kann erklären, weshalb Eugenio Leiva die Arbeit ohne Koka, Alkohol und Zigaretten als wertlos bezeichnete. Zum einen können Pachamama und apus nicht angemessen um Unterstützung gebeten werden, zum anderen bringt eine Verletzung der Etikette das Gleichgewicht sozialer Beziehungen durcheinander. 76 6 Kontinuität und Wandel Nachdem im vorherigen Kapitel gezeigt wurde, wie die Vicosinos Vielfalt, Saatgut und Anbau handhaben, geht es nun darum, die kulturellen Aspekte hervorzuheben, die dem Umgang mit Kartoffelvielfalt zugrunde liegen. 6.1 Kulturelle Faktoren der Erhaltung Aus den Aussagen der Bauern und den Beobachtungen vor Ort lassen sich verschiedene kulturelle Faktoren erkennen, welche die Erhaltung von Kartoffelsortenvielfalt fördern. Zunächst kann festgestellt werden, dass die Kartoffelsortenvielfalt an sich für die Vicosinos einen Wert besitzt. So zeigen die Bauern ein großes Interesse für die Verschiedenheit von Kartoffeln, zum Beispiel in angeregten Diskussionen über Form, Farbe u.a. Die Erscheinung der Pflanzen wird genau wahrgenommen. Entdecken sie eine ihnen unbekannte Blüte, bemühen sie sich neugierig darum, diese Kartoffel in den eigenen Anbau zu integrieren. Zudem herrscht bei den Bauern eine allgemeine geschmackliche Vorliebe für lokale Kartoffelnsorten. Die besondere Wertschätzung der lokalen Sorten äußert sich darin, dass die Bauern sie gerne mit Familie und Verwandten teilen, gerade wenn diese nicht über die jeweiligen Sorten verfügen. Der Anbau der Kartoffel erfolgt in mehrfacher Hinsicht gemeinschaftlich. Zum einen sind alle Mitglieder einer Familie durch jeweils unterschiedliche Aufgaben eingebunden. Männer übernehmen eher körperlich schwere Arbeiten wie Pflügen, Transport der Ernte. Die geschlechterspezifische Arbeitsteilung spiegelt das Weltbild wider, in dem Frauen eine lebensspendende Rolle innehaben. Dadurch werden sie mit der Pachamama verbunden, was sie für den Umgang und die Pflege des Saatguts ‚prädestiniert’. Auch die Kinder sind von klein auf in die Arbeiten auf dem Feld eingebunden. In gleicher Weise erfolgt der Anbau auf den gemeinschaftlichen chacras in Zusammenarbeit aller Mitglieder eines Sektors. 77 Die Erhaltung der Vielfalt ist ein Prozess, an dem nicht nur menschliche Akteure, sondern auch übernatürliche Wesen 42 beteiligt sind. Letztere reichen von den apus und der Pachamama über die Heiligen der chacra bis hin zur Kartoffel selbst. Während apus, Pachamama und die Heiligen durch pagos, misas und andere Rituale dazu bewegt werden den Anbauprozess zu unterstützen, ist es bei der Kartoffel die liebevolle Pflege, die mitbestimmt, ob die Ernte gut oder schlecht verläuft. Hinzu kommen diverse Elemente der Natur wie Sterne, Mond, wild wachsende Pflanzen und Tiere, die die Anbauphasen durch ihre Zeichen lenken. Der Dialog mit der Natur ist ebenso wichtig, wie die einzelnen technischen Anbauschritte. Besonders in der Sprache der Bauern lässt sich die tiefe persönliche Beziehung zwischen Bauer und chacra erkennen. Die persönliche Beziehung spiegelt sich auch in zahlreichen Kartoffelnamen wieder, die oft teils humorvoll, teils liebevoll Bezug auf verschiedene Aspekte des alltäglichen Lebens nehmen. Bestimmte Sorten werden auch mit konkreten Ereignissen des eigenen Lebens in Verbindung gebracht. Allgemein werden die lokalen Sorten als das Erbe der Großväter wahrgenommen. Schließlich ist die Rolle der Kartoffel im sozialen Gefüge menschlicher Beziehungen zu nennen, welches bis heute stark von Reziprozität geprägt ist. In den ritualisierten Formen Kartoffeln gerne des Tauschens und Schenkens werden lokale empfangen und weitergegeben. Auf diese Weise zirkulierendes Saatgut führt einerseits zur weiteren Verbreitung von Vielfalt, andererseits zur Festigung sozialer Beziehungen. Die genannten Faktoren (geschmackliche Vorliebe, Anbau als gemeinschaftliche Aktivität, persönliche Beziehung zwischen Bauern und chacra, reziproke Struktur sozialer Beziehungen) tragen wesentlich dazu bei, die Vielfalt der lokalen Kartoffelsorten zu erhalten. Sie lassen sich als Ausdrücke eines eigenen Wohlstandskonzeptes verstehen, welches Bauern in verschiedenen Teilen Perus als allin kawsay (gutes Leben) oder vivir a gusto, vivir tranquilo oder vida dulce auf ähnliche Weise beschreiben. Im Mittelpunkt 42 Die Vicosinos selbst nehmen diese Wesen nicht als ‚übernatürlich’ wahr, sondern als aktiven Teil der realen Welt. 78 steht auch hier die Ackerpflege als gemeinschaftliche Aufgabe von Natur, Mensch und Göttern in einem Dialog gegenseitigen Respekts (PRATEC 2002). Zimmerer (1996: 60) betont die Rolle des kawsay als ein Lebenskonzept, dessen Wurzeln auf die vorspanische Zeit zurückgehen und welches bestimmte Ernährungsgewohnheiten beinhaltet, die zu einem Großteil auf der Vielfalt lokaler Nutzpflanzen basieren. Allerdings ist es nicht statisch, sondern seit jeher offen für Neuerungen. 6.2 Wandel In den Aussagen einiger Bauern lassen sich Veränderungen erkennen, die aus Vergleichen der heutigen Situation mit der Vergangenheit abgeleitet werden. Sie betreffen die Abkehr von traditionellen Lagerungs- und Düngepraktiken, die Monetarisierung von Arbeits- und Handelbeziehungen und die Abnahme des Kokakonsums unter Kartoffelproduktion den wurde jüngeren ein Vicosinos. Rückgang der Im Hinblick Produktivität auf die sowie die Verdrängung lokaler Sorten durch verbesserte Sorten in höhere Anbauzonen bemerkt. Diese Entwicklungen sind Hinweise auf die bereits in Kapitel 3 geschilderten Gründe für Rückgang von Nutzpflanzenvielfalt. Vicos bietet allerdings auch Beispiele für eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte. Zum einen berichteten Bauern von der Wiederaufnahme lokaler Sorten angeregt durch Maßnahmen von Urpichallay (siehe Kap. 5.2.1). Ein anderer Bauer berichtete von der Aufwertung der Rolle traditioneller Autoritäten im Sektor Wiyash, verbunden mit der Begehung diverser Festakte zu Feiertagen (Don Agostín INT22). An dieser Stelle sollen einige entscheidende Faktoren näher beleuchtet werden, welche eine Abkehr vom traditionellen Anbausystem bewirken. Es geht darum aufzuzeigen, inwiefern sie kulturelle Muster verändern und/oder zum Rückgang von Nutzpflanzenvielfalt beitragen. 79 6.2.1 Schule Bildung wird in der modernen Gesellschaft als einer der Grundpfeiler von Entwicklung betrachtet. Die von außen eingefügte ‚Entwicklung’ verändert die traditionelle Anbauweise und die damit verbundenen Vorstellungen. Dass diese Veränderungen für die biologische und kulturelle Vielfalt eine Gefahr darstellen können, soll im Folgenden aufgezeigt werden. In der Regel wird Bildung durch die Schule schon an Kinder weitergegeben. Die Schule ist in erster Linie eine Einrichtung zur Vermittlung technischwissenschaftlichen Wissens. Lokales Wissen wird entweder gar nicht oder nur als minderwertig wahrgenommen. Dies liegt in den epistemologischen Unterschieden beider Wissensformen begründet, die nur selten reflektiert werden (Rengifo 2001b: 121). Die Kinder in Vicos lernen in der Praxis des alltäglichen Lebens. Sie beobachten und hören zu, helfen mit und imitieren dabei die Handlungen ihrer Eltern (Costilla 2000: 140). Die Eltern fördern dies, indem sie den Kindern schon früh Verantwortungen übertragen, z. B. durch die Zuteilung kleiner Feldabschnitte zur selbstständigen Bepflanzung oder der Pflege von Tieren, die später für den Erwerb der Schulkleidung verkauft werden (Costilla 2000: 137139). Die Kinder verfügen so bereits in jungen Jahren über ein breit angelegtes Wissen über die Natur, das innerhalb der Schule allerdings keinen Ausdruck findet, da diese außerhalb seines Anwendungskontextes liegt (Rengifo 2001b: 139). Die Kinder beginnen ihre formelle Bildung in Vicos im Alter von ca. drei Jahren mit dem Besuch der Vorschule (PRONOI). Der Unterricht erfolgt auf Quechua. Da die Lehrer oft nur wenig ausgebildet sind, handelt es sich jedoch mehr um eine Art der Kinderbetreuung. Viele Eltern schicken ihre Kinder nur wegen der staatlich geförderten Mahlzeit dorthin (Costilla 2000: 145). Die Educación Primaria für Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren erfährt die höchste Beteiligung. Das Verhältnis zwischen Lehrern und Eltern ist allerdings von gegenseitigen Vorwürfen der mangelnden Unterstützung und des fehlenden Verständnisses geprägt (Costilla 2000: 146-147). 80 Für die Bauern stellt die Schule eine Ergänzung, nicht die Grundlage der Wissensbildung dar. Dies äußert sich darin, dass Kinder, die lernen wollen, von ihren Eltern nach Kräften unterstützt werden. Letztere sehen in der Schule die Möglichkeit, elementare Regeln des Stadtlebens zu erlernen. Allerdings wird der Wunsch eines Kindes, die Schule nicht weiter besuchen zu wollen, ebenso akzeptiert (Costilla 2000: 149-150). Die fehlende Verbindung zwischen Schule und comunidad, gepaart mit unzureichenden Kapazitäten (niedriges Lehrergehalt, Materialmangel, u.a.) können als ein wesentlicher Faktor dafür angesehen werden, dass sich die Fundamente der andinen Kultur, trotz einer jahrzehntelangen Schultradition und ihrem erklärten Ziel moderner Bildung, durchsetzen konnten (Costilla 2000: 151-152). Etwas anders verhält es sich mit der Educación Secundaria, der weiterführenden Schule, die außerhalb der comunidad liegt. Von 30 Absolventen der Primaria gehen zehn weiter auf die Secundaria, wobei aber nur zwei einen Abschluss erreichen. Moderne Lerninhalte und der Einfluss des Stadtlebens fördern Individualismus und Wettbewerb, was dazu führt, dass sich junge Vicosinos von ihrem familiären Leben in der comunidad entfremden, oft geringschätzig über die eigene Kultur urteilen und häufig in die Städte migrieren (Costilla 2000: 152). Den Kontrast zwischen Schule und comunidad beschreibt auch einer der befragten Vicosinos. Er wurde von seinem Vater auf die Secundaria nach Huaraz geschickt, konnte sich jedoch nicht an das dortige Leben gewöhnen: „Me chocó, lloré, no quería volver“. Seine Entscheidung, die Schule nicht weiter zu besuchen, sieht er heute als Fehler: „Fue mi culpa que no haya podido avanzar“. Um seinen Söhnen diese Erfahrung zu ersparen und ihnen dennoch eine gute Schulbildung zu ermöglichen, zog er mit seiner Familie nach Huaraz. Dort arbeitet er als Gärtner, pflegt aber auch weiterhin seine chacras in der comunidad. Dabei ist es ihm wichtig, dass auch seine Söhne an den Wochenenden an der Pflege der chacras und dem Leben in der comunidad teilnehmen. 81 Die Schule wird von den Bauern im Allgemeinen positiv bewertet, da sie die Möglichkeit bietet die Regeln der städtischen Industriezivilisation zu verstehen, die mit hegemonialem Anspruch in das bäuerliche Leben einbricht. Dabei suchen die Bauern den Austausch, nicht die Vermischung lokalen und fremden Wissens. Sie kennen die Grenzen der Schule und bewegen sich innerhalb dieser, ohne sich selbst zu entfremden (Rengifo 2001b: 136-137). 6.2.2 Intensivierung der Landwirtschaft Wie in Kapitel 3 und Kapitel 5 gezeigt, begünstigen traditionelle Anbausweisen in verschiedener Hinsicht eine hohe agrobiologische Vielfalt. Veränderungen dieser Anbauweisen durch eine zunehmende Marktintegration und Intensivierung der Landwirtschaft stellen folglich eine Gefahr für die Vielfalt dar. Diese Problematik soll im Folgenden näher beleuchtet werden. Moderne Intensivierungsmaßnahmen beruhen in der Regel auf dem in Kapitel 3.3 beschriebenen technisch-wissenschaftlichen Wissen, nach welchem die Natur in erster Linie als Ressource betrachtet wird, die zum Nutzen des Menschen ausgebeutet werden kann. Gerade der Markt betont den materiellen Wert von Anbauprodukten. Die Kartoffel wird zur Ware, rituelle und soziale Bedeutungen treten in diesem Zusammenhang in den Hintergrund (Kessel 1992: 202). Dies lässt sich am Beispiel der Entwicklung neuer Kartoffelsorten durch Wissenschaft und Unternehmen verdeutlichen. Dabei wird zunächst ein Idealtyp festgelegt, der den Sorten der traditionellen Landwirtschaft überlegen sein soll. Ein Hauptkriterium ist dabei häufig der Ertrag. Im zweiten Schritt wird ein Gentyp geschaffen, der dem gewünschten Ideal weitestgehend entspricht. Zuletzt werden die phenotypischen Bedingungen abgeleitet und getestet, unter denen die Vorteile des neuen Gentyps zur Wirkung kommen. Die Folge ist, dass nicht mehr, wie im traditionellen System, die heterogene Umwelt den Ausgang aller gentypischen Entwicklungen bildet, sondern der Gentyp die anzustrebenden phenotypischen Bedingungen vorgibt. Mit der Einführung einer neuen Kartoffelsorte hängen daher eine ganze Reihe begleitender Maßnahmen zusammen. Um die idealen Anbaubedingungen zu schaffen, müssen von den 82 Bauern beispielsweise zeitlich klar festgelegte Dünge- und Wässerungsperioden eingehalten werden. Oft resultieren daraus grundlegende Veränderungen des traditionellen Anbaurhythmusses (Ploeg 1993: 217-219). Die Einführung verbesserter Kartoffeln ist mit neuen Produktionsmitteln und -techniken, der verstärkten Beteiligung an verschiedenen Märkten und dem Erwerb technisch-wissenschaftlichen Wissens verbunden. Dies führt zu einem System verstärkter Abhängigkeiten, da die erforderlichen Mittel (Kredit, Düngemittel, technisches know-how, etc.) nicht von den Bauern selbst entwickelt oder kontrolliert werden (Ploeg 1993: 220-221). Brush untersuchte die Auswirkungen von landwirtschaftlicher Intensivierung und der Einführung verbesserter Sorten in zwei Tälern (Tulumayo und Paucartambo) im zentralen und südlichen Peru. Dabei zeigte sich, dass die Bauern Tulumayos mit ihrer längeren Modernisierungserfahrung eine geringere Fläche für den Anbau lokaler Sorten nutzte, die Sortenvielfalt gemessen an der durchschnittlichen Sortenzahl pro Haushalt jedoch höher lag als in Paucartambo. Die Hypothese ‚Grüne Revolution’ führe zu genetischer Erosion, konnte damit nicht bestätigt werden. Was allerdings festgestellt wurde, war eine Änderung in der Populationsstruktur. Zum einen etablierten sich verbesserte Sorten überwiegend in den unteren Anbaustufen, was zu einer Verdrängung lokaler Sorten nach oben führte. Zum anderen wurden auch einzelne lokale Sorten für den Verkauf vermehrt angebaut. Die Tatsache, dass der kommerzielle Anbau an sich kein neues Phänomen ist, lässt vermuten, dass eine ausgeglichene Verteilung lokaler Sorten auch früher nicht gegeben war (Brush 1992:156-159). Die Verdrängung lokaler durch verbesserte Sorten hat auch in Vicos stattgefunden und wird von den Bauern durchaus kritisch wahrgenommen. Gleichzeitig zeigen sie sich kreativ in der Erschließung höherer Anbaugebiete, um ihre lokalen Sorten nicht zu verlieren. 43 Las papas nativas aquí nomás daban antes, pero ahora están subiendo poco a poco al pie de los cerros, como es Ishpanca, Jallkacancha, Llamapampa, Ruripaccha, en estas partes nomas ya da estas papas llutas, porque ellas también se resienten, no ves que todos comenzamos a sembrar papa mejorada, es por ello que se han ido a partes mas altas, 43 Die Ausdehnung des Kartoffelanbaus nach oben wird auch durch den Klimawandel begünstigt. 83 pero mi esposo sabe donde da esas papas el siempre busca chacras que le gusta a esta papa nativa, para que no se alejen de mi casa (Maria Chilena in Urpichallay 2001). Brush weist darauf hin, dass sich in Handhabung, Selektion und Gebrauch verbesserter und lokaler Sorten keine einfachen Dichotomien aufzeigen lassen. Jedes Feld kann Elemente traditioneller und exogener Technologien aufweisen. Beide Sortentypen werden sowohl zum Eigenkonsum als auch zum Verkauf verwendet. Die Selektion wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, zu ihnen zählen kulturelle Identität, Geschmack, Risiko, Ertrag und kommerzielle Nachfrage (Brush 2000: 297-299). Wie aus Kapitel 5 ersichtlich wurde, lassen sich in Vicos ähnliche Tendenzen feststellen. Einige Studien ergaben, dass es nicht unbedingt die reicheren Bauern sind, die ihren Anbau komplett auf verbesserte Sorten umstellen, sondern eher Bauern mittleren Wohlstands, denen die Produktionsmittel fehlen, um neben dem kommerziellen Anbau ihre alten Sorten zu behalten. Während die wohlhabenden Bauern lokale Sorten bewusst zur Pflege sozialer Beziehungen und im Rahmen traditioneller Feste einsetzen, erfolgt der Anbau lokaler Sorten bei ärmeren Bauern oft aus Mangel an Alternativen (Ploeg 1993: 223, Zimmerer 1996: 93). Derartige Zusammenhänge konnten für Vicos nicht untersucht werden. 6.2.3 Konsumwandel Wandel im Konsumverhalten ist kein neues Phänomen. Schon in vorspanischer Zeit wurden viele Nutzpflanzen aus anderen Teilen des amerikanischen Kontinents in den Anden eingeführt, beispielsweise Mais aus Mesoamerika. Bereits kurz nach der Eroberung forcierten die Spanier den Anbau vieler Produkte aus Europa und seinen Kolonien. Zunächst bevorzugten die Andenbewohner allerdings ihre eigenen Anbautechniken und -produkte. Die Übernahme neuer Nutzpflanzen in den eigenen Konsum erfolgte nach genauer Abwägung der Vor- und Nachteile und dauerte teilweise mehr als 100 Jahre (Gade 1975: 62-65). Um 1800 wurden Weizen und Gerste in den andinen Speiseplan aufgenommen, nach 1826 kamen Ackerbohnen und Erbsen hinzu 84 (Zimmerer 1996: 60). 44 Auch in Vicos bilden Weizen und Gerste die Basis zahlreicher traditioneller Mahlzeiten. The willingness of Quechua farmers to adopt the valuable new crops signals their readiness to test worthy additions. They definitely preferred, however, that the adoptions serve to complement existing crops rather than replace them (Zimmerer 1996: 60). Heute sind es vor allem Marktwaren, wie Nudeln und Reis, die einen Wandel der Ernährungsgewohnheiten hervorrufen. Tapia und de la Torre (1998: 40) sehen darin eine Gefahr, da durch den zunehmenden Konsum nährwertarmer und fremder Nahrungsmittel gerade in armen Haushalten das Wissen über traditionelle Zubereitungspraktiken und lokale Sorten weniger Anwendung findet bzw. verschwindet. Eine Gewöhnung an den Konsum teurer und fremder Nahrungsmittel ist zudem schwierig umzukehren und kann zu einer dauerhaften Verschlechterung der Ernährungssituation führen. Ein allgemeiner Konsumwandel hat auch Einfluss auf den Kartoffelkonsum. Es gibt allerdings Beispiele die belegen, dass neue Konsummuster die lokalen Kartoffelsorten nicht komplett vom Speiseplan verdrängen konnten. Dies lässt sich sicherlich auf die von den Bauern geäußerte geschmackliche Überlegenheit gegenüber den verbesserten Sorten zurückführen. Im Bezug auf lokale Sorten der Kartoffel und andere andinen Nutzpflanzen ist sogar eine steigende Wertschätzung festzustellen. Während ihr Anteil am bäuerlichen Speiseplan abnimmt, steigt ihr Status als Prestige- und Luxusobjekt gerade bei reicheren Bauern (Zimmerer 1996: 95-96). Ein weiterer Impuls zur Aufwertung lokaler Sorten geht von den Städten aus, in denen die neue andine Küche (novoandina) als Gegenbewegung zum Fastfood eine Rückbesinnung auf den Nährwert andiner Produkte propagiert (Fries 2000: 325). 44 Diese Angaben beziehen sich auf das Paucartambotal im Hochland Südperus. Regionale Unterschiede in Dauer und Intensität der Verbreitung neuer Konsummuster sind wahrscheinlich. 85 6.2.4 Protestantismus Der Einfluss religiöser, insbesondere protestantischer Gruppen wird in der Literatur über die Anden sowie von lokalen Experten in Vicos als ein weiterer Faktor dafür angesehen, dass Bauern traditionelle Anbauweisen und damit auch lokale Sorten aufgeben. Protestantische Missionare untersagen den Glauben an Naturgottheiten wie Pachamama und apus und boykottieren religiöse Ämter und Pflichten. So wird beispielsweise die Ausrichtung von Patronatsfesten abgelehnt, welche von den traditionellen Autoritäten ausgerichtet werden und in enger Verbindung zum calendario agrofestivo stehen. Die persönliche Entwicklung durch Arbeit und Disziplin steht für die protestantischen Gruppen im Vordergrund. Zeremonielle Ausgaben etwa für Alkohol und die Verpflichtung von Musikgruppen, die bei Festen eine wichtige Rolle spielen, sind mit der protestantischen Philosophie nur schwer vereinbar. Oftmals kommt es zu Spannungen zwischen den Mitgliedern einer Familie oder comunidad, wenn Bauern in Folge des Übertritts zum Protestantismus ihre reziproken Pflichten in der comunidad vernachlässigen (Zimmerer 1996: 215216; persönliche Mitteilung Beatriz Rojas). Isbell (1978: 240) stellte Anfang der siebziger Jahre fest, dass vor allem die reichsten und die ärmsten unter den Bauern empfänglich waren für die Übernahme der protestantischen Religionszugehörigkeit. Dass Konvertieren jedoch nicht unbedingt zur Aufgabe sämtlicher traditioneller Bräuche und Gewohnheiten führen muss, zeigt sich daran, dass in einigen Fällen Vielfalt, traditionelles Essen, rituelle Segnungen und Orientierung an Kalenderheiligen dennoch beibehalten werden (Zimmerer 1996: 216). 86 7 Schlussbetrachtung Das Thema dieser Arbeit war ‚In-situ-Erhaltung von Nutzpflanzenvielfalt am Beispiel andiner Bauern in Vicos, Peru’. Ziel der Arbeit war es, die kulturellen Faktoren zu untersuchen, die eine Erhaltung von Nutzpflanzenvielfalt begünstigen. Dies geschah am Beispiel des Kartoffelanbaus durch die Bauern in Vicos. Im Mittelpunkt der Untersuchung standen die Entscheidungen der Bauern hinsichtlich der ‚Unterscheidung’, ‚Nutzung’, ‚Saatgutquelle’, ‚Anbaupraktiken’ und ‚Organisation’ der Kartoffeln. Durch die Betrachtung dieser direkten Einflussfaktoren auf die Vielfalt von Kartoffelsorten konnten folgende Ergebnisse gezeigt werden: Unterscheidung: Lokale Sorten (lluta papa) werden als Gruppe gehandhabt, d.h. Lagerung, Anbau und Selektion erfolgen gemeinsam und die einzelne Sorte wird nicht gesondert behandelt. Gleichzeitig äußern die Bauern ein großes Interesse an der Unterschiedlichkeit von Form, Farbe und Geschmack der Kartoffeln. Nutzung und Bewertung der verschiedenen Kartoffeln zeigen, dass lokale Sorten im Vergleich zu verbesserten Sorten keineswegs als minderwertig betrachtet werden. Beide Kartoffeltypen werden für ihre Vorzüge in bestimmten Momenten geschätzt, können sich in ihren Nutzungsbereichen – z.B. Marktverkauf – aber durchaus überschneiden. Saatgutquelle: Der Bezug lokaler Sorten erfolgt überwiegend marktunabhängig aus eigenem Anbau und über soziale Tauschnetzwerke. Anbaupraktiken: Brachphasen, Traditionelle Rotation, Techniken organische Düngung wie Mischanbau, und spezielle Lagerungsverfahren begünstigen den Erhalt von Nutzpflanzenvielfalt. Organisation: Die gemeinschaftliche Organisation des Anbaus in Familie und comunidad trägt mit zur Verbreitung der lokalen Sorten und des mit ihnen verbundenen Wissens bei. 87 Diese Arbeit hat gezeigt, dass die oben beschriebenen biodiversitätsfördernden Merkmale des Kartoffelanbaus in Vicos in einen größeren kulturellen Zusammenhang eingebettet sind. Landwirtschaft bildet den Mittelpunkt des andinen Lebens. Alle Mitglieder einer comunidad sind von klein auf in die Feldarbeit eingebunden. Aus den Aussagen der Bauern lässt sich eine Vielzahl von Analogien des menschlichen und pflanzlichen Lebens aufzeigen. So weisen bereits die Bezeichnungen der lokalen Kartoffelsorten auf eine persönliche Beziehung zwischen Bauer und Kartoffel hin. Ebenso persönlich sind auch die Beziehungen zu den anderen Elementen der lokalen Lebenswelt wie Pachamama, apus, Tiere, Sterne, Vorfahren, etc. Sie finden ihren Ausdruck in einem intensiven Dialog mit der Natur, der grundlegend ist für die als gemeinsame Aufgabe empfundene Aufzucht der chacra. Neben dieser holistischen Perspektive wirkt sich auch das Prinzip der Reziprozität auf das Verhalten der Bauern im Umgang mit Nutzpflanzenvielfalt aus. Es drückt sich in den moralischen Pflichten hinsichtlich der kollektiven Arbeitsregelungen, Tausch und Geschenk aus. Lokale Kartoffelsorten sind in diesem Zusammenhang häufig ein Mittel zur Festigung sozialer Beziehungen. Allerdings wurden im letzten Kapitel auch Veränderungen in den Handlungsund Bedeutungsmustern der Bauern aufgezeigt. Dieser Wandel kann eine Gefahr für die Erhaltung von Nutzpflanzenvielfalt bedeuten. Dies zeigt sich zum Beispiel an der Verdrängung lokaler Sorten in kleinere Felder der oberen Anbaustufen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Wandel ein natürlicher Prozess ist und das Konservieren von Kultur weder wünschenswert noch realisierbar ist. Es ist wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie sich die Veränderungen durch Intensivierung, Markteinbindung und einseitige Schulbildung auf die Wahrnehmung der Natur, die lokalen Praktiken und schließlich die agrobiologische Vielfalt auswirken. Gerade in diesem Bereich kann die ethnologische Forschung einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie den Blick auf lokale Bedeutungszusammenhänge lenkt. Weiterer Forschungsbedarf besteht, weil sich bislang erst wenige Ethnologen diesem interdisziplinären Themengebiet geöffnet haben. Auch wäre es von besonderem Interesse, die 88 aktuellen Veränderungen im Hinblick auf die Sortenvielfalt weiter zu untersuchen. Die Bauern in Vicos und in den Anden haben gezeigt, dass es durchaus möglich ist, neue Elemente wie verbesserte Kartoffeln in den Anbau zu integrieren, ohne in der Folge lokale Sorten aufzugeben. Dies kann sicherlich auf eine Vielzahl von Gründen zurückgeführt werden. Zu ihnen zählen auch die in dieser Arbeit weniger berücksichtigten ökologischen und ökonomischen Faktoren, wie schwierige Umweltbedingungen und Risikominimierung. Als zentrales Ergebnis dieser Arbeit wurde jedoch gezeigt, dass kulturelle Einflüsse die Erhaltung von Nutzpflanzenvielfalt maßgeblich mitbestimmen. Der Wert lokaler Kartoffelsorten lässt sich dabei nicht auf eine rein materielle Dimension reduzieren, sondern basiert ebenso auf den spirituellen Vorstellungen, die den Alltag der Bauern mitgestalten. Rein ökonomische Ansätze zur In-situ-Erhaltung sind vor diesem Hintergrund nicht angebracht. Ebenso wenig reicht die oberflächliche Anerkennung von Kultur als Einflussfaktor auf biologische Vielfalt. Das Verständnis kultureller Zusammenhänge sollte die Basis jeglicher Maßnahmen zur Unterstützung von Bauern in der Erhaltung ihrer lokalen Nutzpflanzen bilden. Hierfür sind Projekte nach dem Vorbild PRATECs notwendig, welche die Bauern nicht nur als Akteure, sondern auch als Experten ernst nehmen, um so einen Dialog ‚auf Augenhöhe’ zu ermöglichen. Der Dialog des Bauern der mit Natur ist sehr persönlich, aber er ist sichtbar in vielen Einzelheiten der chacras. Wer ohne Respekt und Gefühl auftritt, wird ihn nicht wahrnehmen. 89 8 Literatur Alers, J. Oscar 1965 Población y desarollo en una comunidad peruana (Folleto N° 4). Lima: Proyecto Perú-Cornell. Antweiler, Christoph 1995 Lokales Wissen – Grundlagen, Probleme, Bibliographie, in: Susan Honerla und Peter Schröder (Hrsg.): Lokales Wissen und Entwicklung: Zur Relevanz kulturspezifischen Wissens für Entwicklungsprozesse, Saarbrücken, 19-52. Apffel-Marglin, Frederique 2001 Wissen und Leben wiederentdecken, in: Albrecht Recknagel, Bäuerliches Wissen und Pflege der Lebensvielfalt in den Anden, Frankfurt, 17-42. Bellon, Mauricio R., Jean-Louis Pham und Michael T. Jackson 1997 Genetic conservation: a role for rice farmers, in: Nigel Maxted, Brian Ford-Lloyd und Jack Hawkes, Plant genetic conservation: the in-situ approach, London, 263-289. Berkes, Fikret 1993 Traditional ecological knowledge in perspective, in: Julian T. Inglis (Hrsg.), Traditional ecological knowledge: concepts and cases, Ontario, 1-9. Bernard, Russell 1995 Research methods in anthropology: qualitative and quantitative approaches. London: Sage. Brack-Egg, Antonio 1989 Ecología, recursos naturales y desarollo en la sierra del Perú, in: Hermann J. Tillmann (Hrsg.), Ecología, agricultura y autonomía en los Andes: desarollo rural y uso cuidadoso de los recursos naturales en la sierra del Perú, Feldafing, Lima und Hohenheim, 23-71. Brush, Stephen B. 1992 Reconsidering the green revolution: diversity and stability in cradle areas of crop domestication. Human Ecology 20(2): 145-167. Brush, Stephen B. 1999 The issues of in situ conservation of crop genetic resources, in: Stephen B. Brush (Hrsg.), Genes in the field: on-farm conservation of crop diversity, Boca Raton, 3-26. 90 Brush, Stephen B. 2000 Ethnoecology, biodiversity, and modernization in Andean potato agriculture, in: Paul E. Minnis (Hrsg.), Ethnobotany: a reader, Norman, 283-306. Brush, Stephen B. und Benjamin S. Orlove 1996 Anthropology and the conservation of biodiversity. Annual Review of Anthropology 25: 329-352. Carranza Romero, Francisco 2003 Diccionario Quechua Ancashino-Castellano. Frankfurt am Main: Vervuert. CBD – Convention on Biological Diversity 1992 http://www.biodiv.org/doc/legal/cbd-un-en.pdf (gesehen am 20.02.05). http://www.biodiv-chm.de/konvention/F1052472545/HTML_Page1049896418 Costilla, Karina 2000 Expresiones del aprendizaje del niño campesino y escuela en Vicos, in: Urpichallay (Hrsg.), Niños y aprendizaje en los Andes, MarcaráHuaraz, 137-153. Cromwell, Elizabeth 1999 Agriculture, biodiversity and livelihoods: issues and entry points. London: Overseas Development Institute, http://www.ukabc.org/odi_ agbiod.pdf (gesehen am 12.02.05). Dobyns, Henry, Paul L. Doughty und Harold D. Laswell 1971 Peasants, power and applied social change: Vicos as a model, Beverly Hills, CA: Sage Publ. Edwards, Peter J., Johannes Kollmann und David Wood 1999 Determinants of agrobiodiversity in the agricultural landscape, in: David Wood und Jill Lenné (Hrsg.), Agrobiodiversity: characterization, utilization and management, Wallingford, 183-210. Estermann, Josef 1998 Filosofía andina: estudio intercultural de la sabiduría autóctona andina. Quito: Abya-Yala. FAO 1997 The state of the world’s plant genetic resources for food and agriculture. Rome: Food and Agriculture Organization of the United Nations, http://www.fao.org/ag/AGP/AGPS/Pgrfa/pdf/swrfull.pdf (gesehen am 22.07.05). Flick, Uwe 1995 Qualitative Forschung: Theorie, Methoden, Anwendung in Psychologie und Sozialwissenschaften. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 91 Fonseca, César und Enrique Mayer 1988 Comunidad y producción FOMCIENCIAS. en la agricultura andina. Lima: Fries, Ana María 2000 Conserving culture (food habits) and biodiversity (Andean crops) among traditional groups of the South American Andes, in: Xu Jianchu (Hrsg.), Links between cultures and biodiversity: proceedings of the Cultures and Biodiversity Conference 2000, 320-326, http://www.cbik. org/cbik-en/cbik/resource/download/Proceedings2000.pdf (gesehen am 17.07.05) Gade, Daniel W. 1975 Plants, man and land in the Vilcanota Valley of Peru. Den Haag: Dr. W. Junk B.V. Publishers. Gade, Daniel W. 1999 Nature and culture in the Andes. Madison: University of Wisconsin. Geertz, Clifford 1987 Dichte Beschreibung: Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt: Suhrkamp. Girtler, Roland 1992 Methoden der qualitativen Sozialforschung: Anleitung zur Feldarbeit. Wien: Böhlau. Gonzales, Tirso 1999 The culture of the seed in the Peruvian Andes, in: Stephen Brush (Hrsg.), Genes in the field: on-farm conservation of crop diversity, Boca Raton: 193-216. Hobart, Mark 1993 Introduction: the growth of ignorance?, in: Mark Hobart (Hrsg.), An anthropological critique of development: the growth of ignorance. London, 1-30. Holmberg, Allan 1966 Vicos: Metodo y Prácticade la Antropología Aplicada (Monografías Andinas No. 5). Lima: Editorial Estudios Andinos. INEI – Instituto Nacional de Estadística e Información del Perú 1993 Censo de Población y de Vivienda, http://www.inei.gob.pe (gesehen am 14.10.05). INEI – Instituto Nacional de Estadística e Información del Perú 1994 Censo Nacional Agropecuario, http://www.inei.gob.pe (gesehen am 14.10.05). 92 Instituto de Montaña und Urpichallay 2002 Agua para siempre: Sistemas campesinos de monitoreo de calidad de agua. Lima: CONAM. Isbell, Billie Jean 1978 To defend ourselves: ecology and ritual in an Andean village (Latin American Monographs 47). Austin: University of Texas. ISE – International Society for Ethnobiology 1988 Declaration of Belèm, http://ise.arts.ubc.ca/documents/Declarationof Belem.doc (gesehen am 06.08.05). Ishizawa, Jorge 2004 Cosmovisions and environmental governance: the case of in situ conservation of native cultivated plants and their wild relatives in Peru, Paper presented at the International Conference “Bridging scales and epistemologies: linking local knowledge with global science in multiscale assessments” in Alexandria, Egypt, http://www.millennium assessment.org/documents/bridging/papers/ishizawa.jorge.pdf (gesehen am 20.02.05). Ishizawa, Jorge o.J. Notes for an epistemology for cultural affirmation in the Central Andes, http://www.pratec.org.pe/articulos/posicion/p16.pdf (gesehen am 04.07. 05). Jarvis, Devra et al. 2000 A training guide for in situ conservation on-farm. International Plant Genetic Resources Institute, Rome, Italy, http://www.ipgri.cgiar.org/ publications/pdf/611.pdf (gesehen am 05.02.05). Jarvis, Devra und Toby Hodgkin 1999 Farmer decision making and genetic diversity, in: Stephen B. Brush (Hrsg.), Genes in the field: on-farm conservation of crop diversity, Boca Raton, 261-278. Kessel, Juan van 1992 El pago a la tierra: porque el desarollo lo exige. Allpanchis 40: 201217. Knodel, Hans 1980 Lindner Biologie: Lehrbuch für die Oberstufe. Stuttgart: Carl-Ernst Poeschel. Lamnek, Siegfried 2005 Qualitative Sozialforschung. Basel: Beltz. Long, Joanne, Elizabeth Cromwell and Kate Gold 2000 On-farm management of crop diversity: an introductory bibliography. London: Overseas Development, http://www.ukabc.org/abc_bibliog.pdf (gesehen am 22.03.05). 93 Lynch, Barbara 1982 The Vicos experiment: a study of the impacts of the Cornell-Peru Project in a highland community (A.I.D. Evaluation Special Study No. 7). Washington: U.S. Agency for International Development. Lynch, Thomas 1980 Guitarrero Cave: early man in the Andes. New York: Academic Press. Maffi, Luisa 2000 Introduction: On the interdependence of biological and cultural diversity, in: Luisa Maffi (Hrsg.), On biocultural diversity: linking language, knowledge and the environment, Washington und London, 1-50. Maxted, Nigel, Brian Ford-Lloyd und Jack Hawkes 1997a Complementary conservation strategies, in: Nigel Maxted, Brian FordLloyd und Jack Hawkes (Hrsg.), Plant genetic conservation: the in-situ approach, London, 15-39. Maxted, Nigel, Brian Ford-Lloyd, Jack Hawkes und J.T. Williams 1997b A practical model for in-situ genetic conservation, in: Nigel Maxted, Brian Ford-Lloyd und Jack Hawkes (Hrsg.), Plant genetic conservation: the in-situ approach, London, 339-367. National Research Council 1989 Lost crops of the Incas: little-known plants of the Andes with promise for worldwide cultivation. Washington, D.C.: National Academy Press. Parker, Gary J. und Amancio Chávez 1976 Diccionario Quechua Ancash-Huailas. Lima: Ministerio de Educación Pierotti, Raymond und Daniel R. Wildcat 1999 Traditional knowledge, culturally-based world views and western science, in: Darrell Posey (Hrsg.), Cultural and spiritual values of biodiversity: a complementary contribution to the global biodiversity assessment, London, 192-199. Ploeg, Jan Douve van der 1993 Potatoes and knowledge, in: Mark Hobart (Hrsg.), An anthropological critique of development: the growth of ignorance, London, 209-227. Posey, Darrell (Hrsg.) 1999 Cultural and spiritual values of biodiversity - a complementary contribution to the global biodiversity assessment, London: Intermediate Tech. Publ., http://www.unep.org/Biodiversity/unep.pdf (gesehen am 17.04.05). PRATEC 2002 Allin kawsay: concepciones de bienestar en el mundo andino amazónico. Lima: PRATEC. 94 Pulgar Vidal, Javier 1967 Geografía del Perú: las ocho regiones naturales del Perú. Lima: Editorial Universo S.A. Recknagel, Albert (Hrsg.) 2001 Bäuerliches Wissen und Pflege der Lebensvielfalt in den Anden. Frankfurt a.M.: Verlag für Interkulturelle Kommunikation. Redford, K.H. 1991 The ecologically noble savage. Cultural Survival Quarterly 13(1): 4648. Rengifo Vásquez, Grimaldo 2000 Nurturing cultural diversity: an Andean perspective, in: Xu Jianchu (Hrsg.), Proceedings of the Cultures and Biodiversity Conference, 362371, http://www.cbik.org/cbik-en/cbik/resource/download/Proceedings 2000.pdf (gesehen am 05.03.05). Rengifo Vásquez, Grimaldo 2001a Die Entwicklung verlernen, um die andine Kultur zu erlernen, in: Albrecht Recknagel, Bäuerliches Wissen und Pflege der Lebensvielfalt in den Anden, Frankfurt, 45-61. Rengifo Vásquez, Grimaldo 2001b Schule, andines-amazonisches Wissen und interkulturelles Lernen, in: Albrecht Recknagel, Bäuerliches Wissen und Pflege der Lebensvielfalt in den Anden, Frankfurt, 121-142. Salas, María Angélica 1996 Papa y cultura: acerca de la interacción de sistemas de conocimiento en los Andes del Perú. Nijmegen : Derde Wereld Centrum/Katholieke Universiteit. Salman, Ton und Annelies Zoomers 2003 Straying Andean ways: reflecting on Andean-ness in a globalizing world, in: Annelies Zoomers und Ton Salman (Hrsg.), Imaging the Andes. Shifting Margins of a Marginal World, Amsterdam, 3-14. Smale, Melinda und Mauricio R. Bellon 1999 A conceptual framework for valuing on-farm genetic resources, in: David. Wood, und J. Lenné, (Hrsg.) Agrobiodiversity: characterization, utilization and management, Wallingford, 387-408. Smith, C. Earle Jr. 1980 Plant remains in Guitarrero Cave, in: Thomas Lynch, Guitarrero Cave: Early man in the Andes, New York, 87-119. Stein, William 2000 Vicisitudes del discurso del desarrollo en el Perú: una etnografía sobre la modernidad del Proyecto Vicos. Lima: Sur Casa de Estudios del Socialismo. 95 Tapia, Mario E. und Ana De la Torre 1998 Women farmers and Andean seeds. Rome: FAO/IPGRI, http://www.fao.org/sd/nrm/WomenFarmers.pdf (gesehen am 17.07.05). Thurston, H. David et al. 1999 Traditional management of agrobiodiversity, in: David Wood und Jill Lenné (Hrsg.), Agrobiodiversity: characterization, utlization and management, Wallingford, 211-244. UNESCO 2002 Universal Declaration on Cultural Diversity, http://unesdoc.unesco.org/ images/0012/001271/127160m.pdf (gesehen am 06.08.05). UNESCO, World Wide Fund und Terralingua 2003 Sharing a world of difference: the earth's linguistic, cultural and biological diversity. Paris: United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, http://www.terralingua.org/UNESCO%20 publication.pdf (gesehen am 12.06.05). Urpichallay 1998 Sistematización de una experiencia. Marcará-Huaraz (unveröffentlicht). Urpichallay 1999 Así converso con mis semillas – la agribiodiversidad en la Cuenca del Marcará: una perspectiva campesina. Marcará-Huaraz. Urpichallay 2001 Crianza de la agrobiodiversidad en la microcuenca de Marcará. Präsentation in Power Point (unveröffentlicht). Urpichallay 2002 „Estoy tranquilo, vivo tranquilo“: calidad de vida el las comunidades campesinas de la microcuenca del Marcará, in: PRATEC, Allin kawsay: concepciones de bienestar en el mundo andino amazónico, Lima, 215230. Valladolid Rivera, Julio 2001 Andine kleinbäuerliche Landwirtschaft: Die Pflege der Lebensvielfalt auf dem Acker, in: Albrecht Recknagel, Bäuerliches Wissen und Pflege der Lebensvielfalt in den Anden, Frankfurt, 63-93. Vázquez, Mario C. 1952 La antropología cultural y nuestro problema del indio. Peru Indígena 2 (5/6): 7-157. Wagner, Catherine Allen 1976 Coca y estructura cultural en los Andes. Allpanchis 9: 193-233. 96 Weiskopf, Beate, Conny Almekinders und Annette von Lossau 2003 Incentive measures for on-farm conservation, in: CIP-UPWARD, Conservation and sustainable use of agricultural biodiversity: a sourcebook, 578-589, http://www.eseap.cipotato.org/upward/Abstract/ Agrobio-sourcebook.htm (gesehen am 22.02.05). Zimmerer, Karl S. 1996 Changing fortunes – biodiversity and peasant livelihood in the Peruvian Andes, Berkeley, Los Angeles und London: University of California Press. Zimmerer, Karl S. 2003 Geographies of seed networks for food plants (potato, olluco) and approaches to agrobiodiversity conservation in Andean countries. Society and Natural Resources 16: 583-601. 97 Anhang A Interviewleitfaden 1. Sorten/ Nutzung ¿Qué variedades tiene? ¿Cómo se llaman? ¿Qué significa el nombre? ¿Qué es su papa preferida? ¿Por qué? ¿Cuál le gusta más, papa nativa o papa mejorada? ¿Por qué? ¿Siente que la papa nativa va desapareciendo? ¿Por qué? ¿Qué hace con la cosecha? ¿Es para vender, comer, regalar...? 2. Saatgutquelle ¿De dónde tiene su semilla? ¿Qué hace si falta para sembrar? ¿Dónde se encuentra buena semilla? 3. Saatgutmanagement ¿Cómo se guarda? ¿Cómo se selecciona? 4. Anbau ¿Cómo ha sido la temporada? ¿Qué hacen para tener una buena cosecha? ¿Cómo trabajan en la cosecha? ¿Qué trabajo hay? ¿Quién ayuda? ¿Cómo se paga? Casa Casa Casa Casa Casa Chacra en Wiyash, cosechando maíz Don Julio (65) Su señora (60) Sus hijos (18,21,22) Doña Juana (44) Don Octavio (32) Don Juan R. (54) Su señora (52) Su hijo (16) Don Pedro (55) Su señora (54) Don Manuel (62) 2 3 4 5 6 7 45 min 45 min 40 min 30 min 15 min 2 horas 1 hora Dauer Kursive Altersangaben sind geschätzt, QH = Quebrada Honda. Escuela de Wiyash, pelando maíz con ceniza para preparar pollada Doña Rosa (42) Doña Blanca (23) Doña Nancy (27) Doña Maria (36) Señora mayor (62) 1 Ort Name INT castellano castellano más castellano que quechua castellano quechua más castellano que quechua quechua Sprache 17.05.05 18.05.05 18.05.05 18.05.05 Variedades Uso (comparar blanca y nativa) Costumbre (probar a nuera) Asemillamiento Variedades Asemillamiento Seleccionamiento Costumbres (coca, comida, fiesta) Uso (venta, regalo) Organización de cosecha Técnicas (abono) 17.05.05 17.05.05 17.05.05 Datum Costumbres (coca) Uso (comparar blanca y nativa) Asemillamiento Almacenamiento Almacenamiento Técnicas (suelo) Asemillamiento Costumbres (fiesta, matrimonio) Variedades Uso (comparar blanca y nativa) Seleccionamiento Variedades Asemillamiento Seleccionamiento Asemillamiento Uso (comparar blanca y nativa) Organización de cosecha Señas (sueño) Aspekte 98 B Interviewsituationen 20 min 2,5 horas 10 min 10 min 5 min 15 min QH, cosecha de papa blanca QH, cosecha de papa nativa Wiyash, carretera Wiyash, carretera Wiyash, carretera Wiyash, carretera Faena Comunal (11 personas) Don Manuel (62) Su hijo (12) Señora mayor (80) Señora mayor (80) Don Victor R. (53) Octavia (17) Norma (19) 10 11 12 13 14 15 Kursive Altersangaben sind geschätzt, QH = Quebrada Honda. 45 min QH, almorzando después de cosecha de papa blanca? y habas Don Pablo R. (37) Su señora (32) 9 Dauer 30 min Don José (51) 8 Ort QH, cosechando papa blanca y nativa Name INT castellano castellano quechua quechua quechua castellano castellano quechua Sprache 19.05.05 20.05.05 24.05.05 24.05.05 24.05.05 24.05.05 Historia (hacienda) Organización de trabajo Variedades Asemillamiento Costumbres (coca) Variedades Almacenamiento Variedades Variedades Variedades Asemillamiento 19.05.05 19.05.05 Datum Organización de trabajo Uso (comparación blanca y nativa) Técnicas (abono) Asemillamiento Organización de trabajo Uso Variedades Técnicas (siembra) Aspekte 99 B Interviewsituationen (fortgesetzt) Chacra en Cullhuash Chacra en Cullhuash QH Faena de Cachipacha en QH Cueva en QH Oficina de Urpichallay Don Pablo T. (43) Su señora (43) y Su hijo (15) Doña Fana (58) Faena Comunal (72 personas) Don Felipe (57) Don Victor S. (63) Don Agostín (40) 17 18 19 20 21 22 45 min 2 horas 5 min 7 horas 30 min 1 hora 15 min Dauer Kursive Altersangaben sind geschätzt, QH = Quebrada Honda. Chancos Don Juan C. (46) 16 Ort Name INT castellano quechua castellano más castellano que quechua quechua más quechua que castellano más quechua que castellano Sprache 24.05.05 24.05.05 25.05.05 25.05.05 25.05.05 27.05.05 Seleccionamiento Variedades Organización de trabajo Uso Uso Historia (hacienda/PPC) Señas (estrellas) Costumbres (pago) Animales de cerros Variedades Almacenamiento Organización de trabajo Uso Costumbres (fiestas) Técnicas (suelo) Señas (sueño) 24.05.05 Datum Uso Almacenamiento Asemillamiento Variedades Seña (planta) Organización de trabajo Variedades Seña (sueño) Uso Aspekte 100 B Interviewsituationen (fortgesetzt) 101 C Kartoffelsorten in Vicos (verbesserte Sorten grau markiert) Sorte amarilla Bedeutung des Namens Beschreibung De color amarillo de forma redonda con ojos semi profundos alegres, arenosa Semi seco Barriga de lagartija araspa pachan Condor papa Semi seco blanco wichu suktoq buen cholo Un niño buen alegre y buen mozo Arenosa, de color azulado con ojos de color blanco Mejorada, color rojo de forma redonda semi canchán aplanada, papa precoz De color amarillo de forma semi cilindrica con ojos carhuash semi profundos, arenosa Madura en 3 meses, cocina rapido, papa antigua chaucha de los gentiles, tambien hay de color negro y rojo amarilla Ratoncito Semi seco chinkus ukush Redondo como chote Arenoso choloki papa Uniforme escolar Mejorada, papa semi aplanada colegiale La papa nativa representa a una Bueno para dolor de cabeza, poner laminas en la kondor ave rapaz que da vida a la semilla cabeza warmi (mujer) Papa de los gentiles domesticado por los koro campesinos de montes, siempre está, pertenece a la chacra, nunca se termina, entra la chacra con maíz Limeña con cariño/ papa mediana, Agradable con ojos azulados de color amarillo eliminita/ los que no crecen alto, como entero y ojos terminales llorosas, de sabor pachako enano agradable con cascarà delgada, muy rico, cuando uno come con la sopita no nesecita rocoto o picante, de facil cocción Como un perro dormido, de color blanco entero, hallku punu con ojos superficiales de color azuado tamaño kikaq regular, produce grande en forma de o’s huachona Es de acá, pero viene de huacho Arenosa, de color blanco como cinturón en bandas en la costa Es de dos colores de color Precoz, rica y arenosa con apenas de coccionar huayro amarilla y roja, como color de la ya esta lista para comer, se siembra en cualquier peruanita bandera peruana tiempo del año De color rojo con ojos superficiales el tiempo de la huayro cosecha es casi siete meses, se enferma más fácil, yolak suceptible a la enfermedad y a humedad shonku Es arenosa con ojos semi profundos de tamaño ichi hallka Una mujer tierna con crias medianas de color rojo como la pequeño pero produce más papas. warmi flor de rima rima, flor silvestre, que vive junto con la papa en la Quebrada Honda Es de color rojo, redonda, semi aplanada, arenosa ichik chokoli Se denomina asi porque esta papa es mediana a chico facil de cocinar tienen miedo a el agua caliente, cuando ya esta hirviendo pocos minutos ya esta reventando su cáscara. Recipiente de coca Amarilla isku puru 102 C Kartoffelsorten in Vicos (fortgesetzt) (verbesserte Sorten grau markiert) Sorte Bedeutung des Namens Beschreibung Pecho de hakakapa Tiene el color de pecho de un ave hakakapa kashkun hallka warmi Mujer de altura que vive sólo en la gustosa, en una mata da bastante y es arenosa Quebrada con ojos brillosas casi llorando De color azulado de forma alargada con ojos josé winka superfoiciales de tamaño grande, su sabor es media amarga de corazón blanca y es aguachenta Tiene peso Antigua nativa, es arenosa de color morado lazapa plomiso Probar a la nuera Parece semilla de pino llumchi provanan Mejorada, llegó primero, continua pero poco. es marcos arenosa, color blanco de ojos superficiales, de (paltaq) cascarà gruesa y corazón blanco Mejorada de antes, de color azulado y forma semi mariba aplanada con ojos superfiales como de un animal recien naido negro, arenosa Que hace aumentar la cosecha Harinosa, de corazón de dos colores blanco milagro "hace bendición" combinado con rojo indio Nariz del mono porque tienen forma de papa similar carateristica mono su de nariz del mono. Es de color negro con ojos senkan semi profundos de forma casi redondo pero termina en corvado los ojos de la papa mula kompa Es porque tiene la papa de color Es arenosa de periodo vegetativo de siete meses de la mula shocu y la papa es con ojos superficiales redonda colores combinados de rojo y blanco por partes, muru desapareció cuando se creó la comunidad, era kaqhqa arenosa y muy rica nina mancha Fuego que va en grupo, cortando Arenosa que apeñas cuando comienza hervir el hacía arriba y produciendo otro agua ya esta como rosas por eso dicen que "tiene fuego en otro lado es similar por miedo a la candela" eso dicen nina mancha Color combinado entre rojo y Es arenoso de forma alargado como semi circulo pakllish blanco por eso le dicen pacllish Es de color amarilla como yema de huevo de la papa gallina y es precoz, se cocina facilmente amarilla agradable, se puede hacer pure de papas, sancochado se come más en campo con sopita de alverja y habas. Mejorada, se siembra mayormente en tiempo de perricholi seca en la parte baja como miska y es arenosa, dulce cuando comen. Esta papa se denomina peruanita Es arenosa, precoz, de sólo cuatro a cinco meses peruanita porque tiene dos colores de periodo vegetativo, se come en pure de papas, resaltantes en su cascará, que sancochado también vemos en la bandera peruana Es una papa semi arenosa, que solamente se puka china Por lo general esta papa las mujeres le llaman así porque esta siembra en la parte media y alta su cascará es papa es como una mujer joven grueza con ojos superficiales como alegres lleno de alegría, bonita cariñosa. 103 C Kartoffelsorten in Vicos (fortgesetzt) (verbesserte Sorten grau markiert) Sorte Bedeutung des Namens puka chukula puka huayro renacimiento suko chinkus Color de la papa es medio plomiso como la cana de los abuelitas o abuelitos por eso como respeto y cariño a los abuelos y jirkas han puesto este nombre suproq Beschreibung Arenosa, de color blanco, con periodo vegetativo de siete meses, solo produce en la parte alta y media Rojo, de corazón con presencia de alos en circunferencia de color rojo amarillento Su periodo vegetativo es de 7 meses con flores de color a la cascara rojiza Papa mejorada, casi la primera papa hibrida que vino a Vicos primera que llegó, crecía muy alto, y con buenos rendimientos en esa epoca de los años 1950 a 1960 con proyecto cornell, Es de color blanco entero media aplanada Ecotipo con ojos profundos, es una papa como una flor de rosa o una yerba medicinal que lo llaman rosas Una papa de color blanco entero hay de diferentes caracteristicas, unos con ojos rojos, ojos, medio asulinos, y otros blancos, se caracteriza porque tiene cascará doble gruesita su sabor es dulce agradable es semi seco rico cuando se come, cuando se abre por uno lado ya salta de su cascará Una papa que viajó de tarma de Esta papa llego con semillas hibridas hace tarma un departamento de perú, y que muchos años, pero ya quedo como una papa por eso le han puesto su nombre nativa en esta microcuenca de Vicos, a pesar que tarmeña es un hibrido. torupa rurun Todas las papas son nombres que Por lo general esta papa en algunas familias de han puesto los abuelos, porque Vicos se ha desparecido, pero en algunas si cada uno con cariño y respeto de persiste todavía aún después de reemplamiento sus crianzas han dado su nombre con hibridas, siempre hay personas curiosas que como que eran muy parecidos crian la papa nativa. como de huevo de toro Cinturón para amarar pantalón de waklli bayeta, una vestimenta tipica de wachukus esta zona de vicos Lengua de vaca wakapa kallun wanki suproq Esta papa se entrecrusan entre en Tiene doble cascara igual que papa suproc es de forma de envolver alguna comida color blanco, se come en sancochado, frituras y o fiambra para comer por eso le papa picante su color de la flor es blanco a ponen nombre de wanquish rosadito conocido en la chacra cuando uno Tiene diferentes colores como Es una papa colorida que se cocina rápido wichus vestimienta típica de Vicosinas arenoso se puede comer sin ají muy agradable 104 C Kartoffelsorten in Vicos (fortgesetzt) (verbesserte Sorten grau markiert) Sorte Bedeutung des Namens Beschreibung De color negro entero alargado con ojos superficiales en forma de espinas, cascarà brillosa como espejo, se caracteriza porque es una papa agradable de corazón blanca en alos asulados pequeños hilos, se cocina rapido apenas cuando hierba unos minutos el agua Es puro color negro de forma enroscado como yana waklli perro dormido, harinosa Papa de color negro entero como Es arenosa apenas cuando se hierve ya esta listo yana gancho de colgar ropa, y su para comer y si hierve mucho tiempo se vuelve wiklush cascará es delgada suave. como pure de papas. kapia yana winkus De color negro como pantalón de Es arenosa su color de flor es morado asulado, vestimenta tipica de vicos wichu crece regular tamaño en las tierars de color negro wara yolac waklli Porque es como una luna en creciente de dos díaz Papa de color blanco similar a Es arenosa su cascará es delgada por lo general, yolak cucharón es agradable cuando se come con sopita de habas winkush Es de color blanco, por lo general Mejorada, papa miska, introducido 1980 por el yungay esta papa fue mejorado en la Banco Agrario y generalizada en la zona de provincia de yungay por los ancash, arrinconando a los cultivos de papa investigadores de genetica en nativa, de fácil perdida de peso cuando se guarda papa en almacen yana machkapa Quellen: Erhebung 2005; persönliche Mitteilung Luis Armas Sánchez.