SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Mit dem Handkarren durch die

Transcripción

SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Mit dem Handkarren durch die
SWR2 Tandem - Manuskriptdienst
Mit dem Handkarren durch die Stadt
Müllsammler in Buenos Aires
Autoren:
Marika Gantz und Ruth Krause
Redaktion:
Ellinor Krogmann
Regie:
Maria Ohmer
Sendung:
Montag, 30.05.16 um 10.05 Uhr in SWR2
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MANUSKRIPT
Erzählerin:
Es ist fünf Uhr nachmittags im Stadtviertel Liniers am Rande der Millionenmetropole
Buenos Aires. Luciano steht mit seiner Frau Martina vor ihrer Hütte. Sie trinken MateTee, das Nationalgetränk in Argentinien. Die kleine Hütte mit dem Wellblechdach hat der
38-Jährige selbst vor vier Jahren gebaut. Auf den ersten Blick könnte man meinen, man
sei mitten auf einer Müllhalde. Überall türmen sich Pappkartons, Plastikreste, Unrat - in
einer Ecke stehen riesige Plastiksäcke bis oben hin vollgepackt. Luciano und seine
Familie leben vom Müll, sie verkaufen ihn an Recyclinghöfe weiter. Die Hütte ist schon
eine große Verbesserung für die Familie, denn vorher hatte sie noch nicht einmal ein
Wellblechdach über dem Kopf. Aber Luciano will mehr.
Atmo 0 vor dem Haus
OT 1 (Luciano Diaz)
Quiero dejar de vivir en rancho. Lo unico que quiero es una vision es por lo menos da
un techo a mi familia y dale un porvenir para que dejemos sufriendo así. Ese es mi
vision.
Übersetzung
Ich möchte nicht mehr in einer Hütte leben. Mein größter Wunsch ist es, meiner Familie
ein richtiges Dach über dem Kopf zu geben, damit wir nicht mehr leiden.
Atmo 2 Karren
Erzählerin
Nach dem Mate-Tee beginnt Lucianos hauptsächliche Arbeit: der schmächtige
Argentinier holt seinen mannshohen Handkarren, der neben der Hütte steht. Der Karren
ist aus Stahlteilen zusammengeschweißt, mit zwei Rädern bestückt und hat zwei Griffe.
Vorne hängt ein kleines Glöckchen, das bei jeder Bewegung klingelt - Lucianos
Glücksbringer. Seine beiden Töchter - Milagro Soledad und Silvana - helfen ihm. Im Müll
suchen die drei nach Materialien, die sie weiterverkaufen können. Vor allem
Pappkartons, aber auch Glas- und Plastikflaschen, Kunststoffe oder Metallreste
interessieren sie. Gerade bleiben die drei vor einem großen grünen Müllcontainer am
Straßenrand stehen und schauen hinein.
OT 3 (Luciano Diaz)
Todo eso lo que es reciclable podemos llevar. Es poquito lo que hay. Es poquito lo que
hay. Vamos.
Übersetzung
Alles was man recyceln kann, nehmen wir mit. Aber hier ist nur wenig, wirklich wenig.
Gehen wir!
2
Erzählerin
Der Handkarren ist so breit, dass Luciano damit auf der Straße gehen muss, neben ihm
fahren rücksichtslos die Autofahrer vorbei, einige schauen genervt oder hupen, wenn
Lucianos Karren ihnen den Weg versperrt.
OT 4 (Luciano Diaz)
Aca siempre es peligroso, muchos autos, mucho trafico
Übersetzung
Hier ist es immer gefährlich, viele Autos und viel Verkehr.
Erzählerin
Die Drei ziehen von Müllcontainer zu Müllcontainer, langsam füllt sich der Handkarren.
Jeden Tag macht Luciano diese Tour durch das Stadtviertel, auch an Sonn- und
Feiertagen gönnt er sich keine Ruhe. Heute ist es zumindest trocken.
OT 5 (Luciano Diaz)
Los mas duro es cuando hay contraviento, cuando llueve. Eso es lo más duro que hay.
Übersetzung
Am unangenehmsten ist es, wenn es Gegenwind hat oder wenn es regnet.
OT 6 (Luciano Diaz)
Porque se va mojando el carton y se va mas abajo y pesa mas. O cuando levanto vidrio
y lo recicla. Eso es lo mas pesado. Pero bueno, todo eso así todos los días, feriado o no
feriado, a mí no me da.
Übersetzung
Weil dann der Karton nass wird, und wenn er nass ist, wiegt er mehr. Oder wenn ich
Glas transportiere zum Recyceln, das ist am schwersten. Aber gut, so ist es eben.
Jeden Tag auch an Feiertagen, für mich spielt das keine Rolle.
Erzählerin
Routiniert schaut Luciano in die Container; er weiß, was sich lohnt und was nicht.
Stabile Pappkartons nimmt er am liebsten mit. Weil er selbst dünn ist und wenig wiegt,
muss er sich mit seinem ganzen Gewicht gegen den Karren stemmen, um ihn
aufzurichten. Dann zieht er weiter. Ein harter Job.
OT 7 (Luciano Diaz)
Si hay dias que te afecta cansa, cansa porque caminar, caminar y te duelen los brazos,
los piernas, aparte de las rodillas, te cansa de todos los dias.
Übersetzung
Ja, es gibt Tage da fällt es mir schwer zu gehen, da tun mir die Arme weh, die Beine
und die Knie, und das jeden Tag - das macht einen müde.
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Erzählerin
Seine Töchter Milagro und Silvana - 13 und 9 Jahre alt - gehen morgens in die Schule,
abends helfen sie ihrem Vater. Die Ältere, Milagro Soledad, ist mittlerweile auf den
Karren geklettert und sitzt auf dem immer größer werdenden Stapel Pappkartons. Ihre
jüngere Schwester und ihr Vater werfen ihr neue Kartons hoch, sie reißt sie
auseinander, damit mehr Material auf den Karren passt.
OT 8 (Milagro Soledad)
La primera vez no me gustaba, nunca me gustó. Porque me miraban los otras que no
eran cartoneras. No me gustaba, pero ahora sí, me encanta.
Übersetzung
Beim ersten Mal hat es mir nicht gefallen. Weil die anderen, die nicht als Müllsammler
arbeiten, mich angestarrt haben. Aber jetzt gefällt es mir.
Erzählerin Mittlerweile gibt es so viele Müllsammler - sogenannte Cartoneros - in
Buenos Aires, dass sie aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken sind. Zwischen 10 und 25 Tausend, je nach Schätzung. Doch viele Passanten mustern die drei
misstrauisch und eine Passantin spricht aus, was viele denken.
OT 9 (Passantin)
Dicen que toman de bebida, que roban, piensan und montón de cosas. Porque no
saben lo que hacen. Tienen desconfianza. Se desconfian mucho porque estan en la
calle. Todas esas cosas.
Übersetzung
Man sagt, sie trinken und klauen. Man sagt ihnen eine Menge nach. Die Leute wissen
nicht genau, was sie eigentlich machen und sie vertrauen ihnen nicht, weil sie auf der
Straße arbeiten.
Erzählerin Der Karren fährt gerade durch eine Straße mit vielen kleinen Geschäften.
Trotz der Vorurteile, die viele Menschen haben, einige Geschäftsleute unterstützen den
Familienvater auch – sie stellen ihre Kartons nicht vorher vor die Tür, sondern
übergeben sie ihm direkt.
Atmo 10 (Gespräch mit Geschäftsmann) Hola Babu!Hola!Como anda todo?Bien, le voy
a buscar.Listo?Listo!Hasta manana!
OT 11 (Luciano Diaz)
Viendo la gente hasta ahora me estan ayudando, me ayudan mucho con el carton, con
lo que voy reciclando, me estan ayudando, cada dia mas, no?
Übersetzung
Die Leute helfen mir, mit dem Karton. Mit dem, was ich recycle, helfen sie mir jeden Tag
ein bisschen mehr.
4
Erzählerin
Es ist sieben Uhr abends, es wird dunkel in Buenos Aires. Luciano und seine Töchter
sind gerade in eine vielbefahrene mehrspurige Straße abgebogen, dicht neben dem
mittlerweile voll bepackten Handkarren rasen Busse und Autos vorbei.
OT 12 (Luciano Diaz)
Aca tiene que peligro...cuidado!
Übersetzung
Hier muss man aufpassen, hier ist es gefährlich.
Atmo 13 viel Verkehr
OT 14 (Luciano Diaz)
Si con el carro una vez por alla, se me rompi el parte del eje y tenia que quedar parado,
despues tenia que llamar a mi senora, para que ella me lleva al aeropuerto. Y cuando
me vieron con la carga me ayudaron con otro carro, pero esta carro estaba roto, tuve
que comprar otro cuesto nuevo para preparar la vuelta.
Übersetzung
Einmal ist mir mein Karren kaputt gegangen, die Achse ist gebrochen und ich musste
ihn stehen lassen. Ich habe dann meine Frau angerufen, damit sie mir hilft und ein paar
Leute haben mir mit einem anderen Karren ausgeholfen. Aber ich musste erst mal
Ersatzteile kaufen, um meinen alten zu reparieren und nach Hause zu bringen.
Erzählerin In dem Karren stapelt sich mittlerweile die Pappe, auch ein riesiger
Plastiksack, den Luciano hinten an den Wagen gehängt hat, füllt sich mehr und mehr.
Rund 200 Kilogramm wiegt das Ganze jetzt - das ist anstrengend. Aber weniger
aufladen will er nicht. Denn für jedes Kilo Karton bekommt er umgerechnet nur 10 Cent.
OT 15 (Luciano Diaz) Cuando más levanto, más me da motivacion. Porque...Y eso es lo
que cuesta. El sacrificio de levantar un montón. A veces llega por arriba.
Übersetzung
Manchmal reicht das Material bis ganz rauf! Je mehr ich ziehe, desto größer ist die
Motivation. Und das ist es, was es eben schwer macht.
Erzählerin Nach vier Stunden Arbeit hat Luciano umgerechnet 15 Euro verdient. Er
würde gerne einen Teil davon sparen, aber die Familie braucht das Geld zum täglichen
Leben. Sein großer Traum ist es, einen Lieferwagen zu besitzen. Damit könnte er mehr
sammeln, die Arbeit wäre effizienter und weniger belastend. Doch um die umgerechnet
7000 Euro dafür zusammen zu sparen, wird er noch viele Jahre brauchen.
Als sie wieder zu ihrer Hütte zurückkommen, ist es stockdunkel. Lucianos Frau Martina
hat Eintopf gekocht mit Hühnchen und Kartoffeln. In der kleinen Wellblechhütte duftet
es verführerisch. Die Hütte ist spartanisch eingerichtet, auf einer Fläche von zwölf
Quadratmetern steht rechts der Herd, daneben ein Schrank, in der Mitte flimmert der
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Fernseher und in der Ecke steht ein Bett.
OT 16 (Martina)
Ya está el fideo!
Übersetzung
Der Eintopf ist fertig!
Atmo Unterhaltung beim Essen
Erzählerin
Es ist Besuch gekommen: Coco ist da, ein guter Freund der Familie.
OT 17 (Coco)
Hmm...que rico, Martina, de repasaste!
Übersetzung
Hmm...lecker, Martina, du hast dich selbst übertroffen!
Erzählerin
kommen.
Coco ist einer der wenigen, die Luciano und seine Familie besuchen
OT 18 (Luciano Diaz)
No vee la Sociedad a nosotros que estamos acá en ese lugar. Pero despues, cuando el
carro sale, sí, te empiezan a ver. Pero desde alla hasta aca desaparece. Y no se vee
más.
Übersetzung
Die Gesellschaft nimmt uns hier nicht wahr. Erst, wenn wir mit dem Karren unterwegs
sind, fangen die Menschen an, uns zu sehen, vorher nicht.
OT 19 (Martina)
Los primeros dias nos querian correr de aca, porque ellos piensan que nosotros eramos
celombero, que tomamos, que hacemos cilombo y cuando al fin de poco vieron bien
que vosotros somos un triste cartonero humilde, que no molestamos a la gente,
entonces bueno, empezaron a confiar la gente en nosotros.
Übersetzung
Kurz nach unserer Ankunft wollten sie uns wegjagen. Viele dachten wir rauben und wir
trinken, aber nach einiger Zeit, als sie merkten, dass wir arme Cartoneros sind, die
niemanden belästigen, haben sie Vertrauen in uns gefasst.
Erzählerin
Bevor die Familie in diesen Stadtteil zog, wohnte sie außerhalb und Luciano fuhr mit
einem Sonderzug, der extra für Cartoneros eingerichtet worden war, nach Buenos Aires,
um Müll zu sammeln. Doch dann stellte der Bürgermeister den Betrieb des Zuges ein
und der Familie blieb nichts anderes übrig als in die Stadt zu ziehen. Luciano selbst
wuchs obdachlos auf, und die Schule musste er nach der vierten Klasse verlassen, um
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Geld zu verdienen. Mal bettelte er, mal wusch er Autos. Dann kam er zum Müllsammeln.
Atmo 21 Lieferwagen
OT 22 ( Coco)
Vamos, dale, dale! Como, adonde? A trabajar!!
Übersetzung
Auf geht's wir fahren. Wie, wohin? Zur Arbeit!
Erzählerin
Früher hat Coco genau wie Luciano mit einem Handkarren Müll gesammelt. Er hatte
keinen Beruf gelernt und war obdachlos. Heute fährt er mit seinem Kollegen Pitú in
einem Transporter durch die Stadt. Zusammen mit anderen Cartoneros hat Coco vor
einigen Jahren eine Kooperative gegründet, „El Correcamino“ – übersetzt: der
Straßenflitzer. Coco ist Lucianos großes Vorbild.
OT 23 (Coco)
Las problemas sociales son la falta de trabajo, la falta de vivienda, la falta de la
educacion, la falta de oportunidades, entonces hemos decidido que hay un modelo
donde, en vez de ver una problema en la basura, veamos una oportunidad.
Übersetzung
Es gibt keine Arbeit, keine Wohnungen, keine Bildung, keine Möglichkeiten - so sehen
die sozialen Probleme hier aus. Also haben wir uns entschlossen, anstelle im Müll ein
Problem zu sehen, eine Chance darin zu erkennen.
Erzählerin
Auf den Lieferwagen ist Coco sehr stolz, ein Sportfernseh-Sender der Stadt hat ihn
gespendet - im Gegenzug fährt er mit deren Logo umher. Statt wie Luciano mit seinem
Karren an jedem Müll-Container anhalten zu müssen, fährt Coco gezielt Unternehmen in
Buenos Aires an, die ihn anrufen, wenn sich bei ihnen eine größere Menge Müll
angesammelt hat.
OT 24 (Coco)
Ahora vamos a Sushi. Yo arrostraro un carro, hoy sale la situacion a sangre, se
profesionaliza, por su propio interes de simplemente mejorar la vida. Ya vivimos mejor,
que te parece?
Übersetzung
Jetzt fahren wir zum Sushiladen. Ich habe früher einen Karren gezogen, aber heute
habe ich mich professionalisiert, einfach, um das Leben zu verbessern. Wir leben schon
besser, nicht wahr? (die Frage richtet sich an seinen Beifahrer Pitu)
Atmo 25 beim sushipop Hello!
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Erzählerin
Die Firmen rufen an und Coco holt den Müll ab, sortiert und entsorgt ihn – das alles
kostet die Unternehmen keinen Cent. Das Geschäft brummt. Coco und die anderen
fahren in mehreren Schichten den ganzen Tag durch die Stadt und kommen trotzdem
kaum noch hinterher.
OT 26 (Coco)
La primera que meto en mi estangi en todo el dia. Ayy, cumbia nena! Ay, es muy
placentero trabajar así.
Übersetzung
Das ist das Erste, was ich heute esse. Hey, Mädels, Party! Ach, es ist einfach schön, so
zu arbeiten!
Erzählerin Mit dem Lieferwagen kann er wesentlich größere Mengen Müll sammeln
als früher mit dem Karren - und er kann die größeren Mengen dort verkaufen, wo es am
meisten Geld dafür gibt - auch wenn das außerhalb der Stadt ist.
OT 27 (Coco)
Yo digo que el trabajo del cartonero se ha tranformado en una tarea amigable, amable,
saludable, no?
Übersetzung
Die Arbeit eines Cartoneros ist gesünder und angenehmer geworden, stimmts?
Erzählerin
Sein Kollege Pitú nickt. Für Coco bieten die Flaschen, Metalle, Pappe- und Plastikreste
einen Mehrwert für alle Beteiligten:
OT 28 (Coco)
Si fuera basura, no valdria nada, y productos postconsumos tienen un valor muy
importante.Uno la recupera, otra la copia y otra se transforma en algo nuevo producto
del mercado de consumo, eso es una cadena que generar multiple benificios,
empezando por el dano egologico no se convierte en un dano, mucha gente trabaja de
esto, vive de esto y generando una oportunidad de recuperacion.
Übersetzung
Wenn es Müll wäre, wäre es nichts wert, aber diese Produkte nach dem Konsum sind
sehr wertvoll. Einer hebt den Müll auf, einer recycelt ihn und ein Anderer macht daraus
ein neues Produkt. Das ist eine Kette und die hat viele Vorteile, auch für die Umwelt,
weil ihr dadurch kein Schaden entsteht. Viele Leute arbeiten und leben davon, das ist
eine große Chance des Recyclings.
Erzählerin Müll als Chance - davon möchte Coco auch andere überzeugen. Deshalb
versucht er immer wieder mit Menschen ins Gespräch zu kommen, besonders mit
Kindern und Jugendlichen. Heute geht es zu einer Veranstaltung, bei der mehrere
Schulklassen aus der Provinz Buenos Aires eingeladen sind.
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Atmo 29 Kinder
Erzählerin
Die Schüler sollen lernen, wie man Müll richtig trennt, denn das geschieht in Argentinien
bislang selten. Dabei ist Abfall ein immer größer werdendes Problem: die Müllberge
wachsen. Mehr als 5000 Tonnen Abfall produziert allein die Metropole Buenos Aires
jeden Tag. Und Verbrennungsanlagen wie in Deutschland gibt es nur wenige. Coco
erklärt den Kindern, was er macht und warum Mülltrennung so wichtig ist.
Atmo 30 Coco spricht vor Schülern
Erzählerin
Er und die anderen Mitarbeiter der Kooperative haben ein Lied aufgenommen und ein
Video gedreht. Das zeigt Coco den Schülern: man sieht die Müllsammler bei ihrer Arbeit
unterwegs und bei den Gesangsaufnahmen im Tonstudio.
Atmo 31
Lied Initiative
Erzählerin
„Tu basura es mi tesoro“ – „Dein Müll ist mein Schatz“ singen sie.
Die Schüler
kommen aus Argentiniens Mittel- und Oberschicht. Für die meisten von ihnen ist es das
erste Mal, dass sie einem Cartonero persönlich begegnen, denn diese leben oft weit
entfernt von ihnen in Elendsvierteln am Rande der Stadt.
OT 33 (Junge)
Al principio yo pensaba que ellos son pagado por el estado, pero ahora me acabo
enterar que ellos se valen por si mismos.
Übersetzung
Ich dachte sie werden von der Regierung bezahlt, aber jetzt habe ich erfahren, dass sie
für sich selbst sorgen.
OT 34 (Mächen)
Es un comienzo para empezar a bajar la basura que hace en todo el pais y en todo el
mundo, y que hace Coco esta bien, sacar la basura y reciclarla
Übersetzung
Es ist ein Anfang, um den Müll im Land und auf der Welt zu verringern! Was Coco
macht finde ich gut, den Müll aufheben und wiederverwerten.
Erzählerin
Coco ist zufrieden – für ihn war die Veranstaltung ein voller Erfolg, in Richtung
Verständigung innerhalb der Gesellschaft:
OT 35 (Coco)
Por allí hay un juicio valor de que nuestro mundo es peligroso, y no es asi, un individuo
decide de rastrar un carro y devolver la basura, eso lo hace para evitar no convertirse
9
en un delinquente, eso creo que merece respeta, tu basura es mi tesoro, no la tires
Übersetzung
Sie denken unsere Welt ist gefährlich, aber so ist es nicht, ein Mensch entscheidet sich
mit einem Karren Müll einzusammeln, das macht er um kein Straftäter zu werden, und
ich finde das verdient Respekt. Dein Müll ist mein Schatz, also schmeiß ihn nicht weg.
Erzählerin
Den Müll nicht achtlos wegwerfen, sondern trennen, das ist Cocos Credo. Nach der
Veranstaltung fährt er nochmal bei Luciano vorbei.
Atmo 36 Hola Martina! Hola.....
Er bringt ihm den Müll, den er bei seiner Tour am Morgen gesammelt hat, und sortiert
ihn zusammen mit Luciano.
Atmo 37 Hola Lucio, si, lo metemos en el carro? Lo pongo en un bulson el carton? En
un bulson!
Erzählerin
Coco hat nicht vergessen, dass er früher selbst auf der Straße lebte. Jetzt möchte er
seinen Freund unterstützen und ihm bei seinem Traum vom eigenen Haus für die
Familie und vom Lieferwagen helfen. Geld zu sparen ist in Argentinien schwierig, denn
die Inflation ist hoch: Luciano geht immer ein Teil des Ersparten verloren, weil der Peso
stetig an Wert verliert. Der Müll ist daher ein wertvolles Geschenk für ihn.
OT 38 (Luciano Diaz)
Todo este carton, para llenar este cantitad del bulsón, me faltaría una noche, una
noche, es mucho que me cuesta.
Übersetzung
Um dieses ganze Material zu sammeln, bräuchte ich eine ganze Nacht, das wäre
ziemlich aufwändig für mich.
OT 39 (Luciano Diaz)
Gracias a Coco, porque el quiere tambien, quiere que nosotros sacamaos adelante, que
sigamos, Coco siempre esta aqui por mi y mi familia, es mi mano derecho que me
apoye, es como un hermano.
Übersetzung
Ich bin Coco sehr dankbar. Er will, dass wir nach vorne kommen, dass wir weitermachen
- Coco ist immer für uns da, er ist meine rechte Hand, die mich unterstützt, er ist wie ein
Bruder für mich.
Atmo
Luciano sortiert (leider sehr kurz)
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Erzählerin
Als Coco abgefahren ist, sortiert Luciano den Müll, den er in den letzten Tagen
gesammelt hat, noch einmal durch und bereitet ihn für den Weiterverkauf vor. Martina,
seine Frau, wäscht vor der Hütte die Wäsche. Zuerst mit der Hand, dann packt sie sie in
eine Waschmaschine. Bei der Maschine fehlt die Klappe, andauernd spritzt Wasser
heraus, aber sie läuft.
Atmo 40 Wäsche waschen
Erzählerin Wie ihr Mann wünscht sich auch die rundliche Frau mit den langen dunklen
Haaren ein besseres Leben.
OT 41/42
(Martina)
Mi deseo es salir de aca y tener un negocio. El anelo de el es tener un autito una
camioneta y salir a recoger los cartones. Y yo, mi proyecto es hacer pan casero,
empanada, pizza, chorripan y vender. Ese es mi deseo, Y poder juntar toda esa plata y
atraves de toda esa plata y atraves de todo lo que juntamos comprarnos una casa. Ya
hace 4 años que estamos acá.
Übersetzung
Mein Wunsch ist es, hier wegzugehen und ein eigenes Geschäft zu betreiben. Er will
einen Lieferwagen kaufen und mit dem Auto Müll sammeln. Ich möchte einmal Brot,
Empanada, Pizza und Würstchen herstellen und verkaufen. Dafür wollen wir
gemeinsam Geld sparen und dann das hier hinter uns lassen und uns eine Wohnung
kaufen. Wir sind jetzt schon vier Jahre hier.
Erzählerin
Aber momentan sind sie noch von Lucianos Karren und seinen täglichen Touren
abhängig. Noch können sie sich eine richtige Wohnung nicht leisten und noch mehr Müll
sammeln geht nicht, denn der Lagerplatz vor der Wellblechhütte ist schnell voll.
OT 43 (Luciano Diaz)
Para comprarte un camión tiene que ahorar mucho. Tiene que juntar mucho. Tiene que
tener mucho espacio. Pero el poco espacio que tengo no alcanza para comparte un
camion. Pero lo poco lo que tengo lo gano.
Übersetzung
Um einen Lieferwagen kaufen zu können, muss ich viel sparen. Also muss ich viel
sammeln und dafür braucht man viel Platz. Aber ich habe zu wenig Platz, der reicht für
den Alltag, für mehr nicht.
Erzählerin
Der Müll ist sortiert, die weißen riesigen Säcke, die mit Lucianos Namen versehen sind,
liegen neben der Hütte zur Abholung bereit. Alle paar Tage kommt ein LKW vorbei und
holt sie ab.
Atmo 44 LKW Säcke
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Erzählerin
Insgesamt zehn Säcke hat er in den letzten Tagen gesammelt - Jeder dieser Säcke
wiegt zwischen 50 und 100 Kilogramm. Der Transporter bringt die Materialien kostenlos
zu einer Müllsammler-Kooperative, der sich Luciano angeschlossen hat. Sie kauft
Luciano Karton, Glas und Metall ab. Zu diesem Erlös bekommt er monatlich zusätzlich
150 Euro von der Kooperative. Denn diese wird vom Staat finanziell unterstützt, weil
ohne die Cartoneros die städtische Müllabfuhr mit dem Müllsammeln nicht hinterher
käme.
OT 45 (Luciano Diaz)
Para mi es mas comodo porque antes pagaba flete para que me lleven la mercadería a
otros lugares. Pero ahora no, ahora no pago más flete.
Übersetzung
Für mich ist es bequemer. Vorher habe ich dafür gezahlt, dass mir jemand die Waren zu
einem anderen Händler bringt. Jetzt muss ich keine Transportkosten mehr bezahlen.
Erzählerin Der Karton wird nicht weggeschmissen oder verbrannt – in einem
Recyclinghof wird er zunächst gepresst und dann weiterverkauft, letztlich entsteht
daraus wieder neuer Karton.
Atmo 46 Wertstoffhof
Erzählerin
Luciano ist dieses Mal mit zum Recyclinghof gefahren, denn heute ist Zahltag, er
bekommt seinen Lohn für alles, was er in der letzten Woche gesammelt hat.
Atmo 47 Geld zählen
Erzählerin Früher hätte er mehr Geld dafür bekommen, aber die Preise für Karton
sind in den letzten Monaten gefallen, erzählt eine Mitarbeiterin der Kooperative. Das
hängt mit der Nachfrage zusammen, die je nach Jahreszeit variiert.
OT 48 (Kooperativenmitarbeiterin)
Bueno, a veces el carton nosotros lo tenenmos a 1,50, pero cuando lo bajan los precios
nosotros, le bajamo al cartoneros tambien, ahora trae un peso veinte el carton. Y
tenemos que seguir bajando porque si no, nos bajan los precios a la vuelta el carton.
Übersetzung
Manchmal bringt Karton 1,50 pro Kilo ein, aber wenn die Käufer uns den Preis drücken,
müssen wir ihn auch beim Cartonero drücken. Im Moment liegt er bei 1,20 und wir
müssen auch so weit runtergehen, weil sie auch uns weniger bezahlen.
Erzählerin Trotz der niedrigeren Einnahmen: Luciano ist sehr glücklich mit seinem
Wochenlohn, umgerechnet 120 Euro hat er heute bekommen. Auch dank Cocos
großzügiger Spende.
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OT 49 (Luciano Diaz)
Con lo que sacé hoy so más que contenta. Por lo menos se vee la plata. Puedo
comprar de comer. Con un poco de carton , todo lo que cultivé voy a poder seguir
adelante.
Übersetzung
Mit dem was ich heute bekommen habe, bin ich mehr als zufrieden. Zumindest sehe ich
ein wenig Geld, es reicht fürs Essen. Und ich werde vorwärts kommen.
Erzählerin
Auch wenn das Leben als Cartonero sehr hart ist, Luciano ist optimistisch: Er hofft eines
Tages seinen Traum vom eigenen Heim für sich und seine Familie verwirklichen zu
können. Einen großen Schritt in diese Richtung hat er inzwischen getan: Der
Recyclinghof, zu dem er seinen Karton bringt, hat ihm vor kurzem einen Job angeboten:
Dort arbeitet er jetzt täglich am Vormittag. Endlich ein regelmäßiges Einkommen für die
Familie.
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